»Das kann sein.«
»Warum weckt er mich aber auf, wo ihn Bärbel doch zu seiner Mutti zurückgelassen hat?«
»Jetzt leg’ dich rasch wieder hin und schlafe weiter, mein Kind.«
»Sieh doch mal erst in meinem Bett nach, ob noch ein Zwilling drin ist.«
Das Bett wurde vollkommen ausgeräumt, und unter den beruhigenden Worten Frau Lindbergs legte sich Goldköpfchen wieder nieder.
»Solch ein Lausebengel«, schalt die Kleine, »da hätte der Käfer doch auch in der Kiste bleiben können.«
Frau Lindberg schickte sich an, wieder ins Bett zu gehen, – da stutzte sie. Was war das für ein Geruch? Sie zog rasch den Morgenrock über.
»Großmama, – willst du fortgehen?«
»Ich komme sofort wieder, Goldköpfchen.«
»Bleib doch lieber hier, Großmama.«
»Du brauchst dich nicht zu ängstigen, mein Kind, nebenan schläft Joachim. – Ich bin sofort wieder bei dir. Ich will nur sehen, ob der Maikäfer davongeflogen ist.«
»Aber du kommst doch gleich wieder?«
»Ja.«
Frau Lindberg verließ das Zimmer. Als sie hinaus auf den Flur trat, war der brenzliche Geruch noch stärker zu bemerken. Sie eilte die Treppe hinab, öffnete die Tür des Wohnzimmers, ging weiter und kam schließlich in die mit Rauch angefüllte Küche.
Aus dem Küchenofen war ein Stück glühende Kohle in den davorstehenden Kohlenkasten gefallen. Von dort aus schwelte es, und wenn auch bisher noch keine Flamme entstanden war, bestand doch die Gefahr, daß hier Feuer ausbrechen konnte.
Ohne eines der Mädchen zu wecken, machte sich die resolute Frau an die Arbeit, zunächst den Kohlenkasten hinaus in den Hof zu tragen und dort tüchtig mit Wasser zu begießen.
Dabei wurde sie von Felix, dem Hausdiener, gehört, der jetzt rasch zur Stelle war, und nun ging man ans Lüften von Küche und Hausflur.
»Großmama!«
Im Nachtröckchen stand Goldköpfchen vor Frau Lindberg.
»Ach, Großmama, wer raucht denn in der Nacht?«
»Komm zurück in dein Bett, Kind, du wirst dich erkälten.«
Der Hausdiener erhielt rasch noch einige Anweisungen, und da Frau Lindberg sah, daß jede Gefahr beseitigt war, nahm sie Bärbel auf den Arm und kehrte mit ihr ins Schlafzimmer zurück.
»Was hast du denn gemacht, Großmama? Warum ist denn so viel Rauch da?«
»Das erzähle ich dir morgen.«
»Ist der Maikäfer nun wieder fort?«
»Ja. – jetzt schlaf!«
»Weil der Maikäfer unten den vielen Rauch gesehen hat, ist er wohl zu uns ins Zimmer gekommen?«
Frau Lindberg sah ein, daß hier alle Ermahnungen zum Schlafen nichts nützen würden. Sie zog es daher vor, dem Kinde die erwünschten Aufklärungen zu geben. Sie trat an das Bett der Kleinen, deckte sie sorgsam zu und sagte:
»Du hast vorhin auf den Maikäfer gescholten, Goldköpfchen, derselbe Maikäfer hat uns vor einem großen Unglück bewahrt.«
»Was hat er denn gemacht?«
»Er ist heute nacht zu dir gekommen und hat mich aus dem Schlafe geweckt.«
»Das ist doch nicht schön von ihm.«
»Doch, Goldköpfchen. Wenn die Großmama heute nacht nicht aufgewacht wäre, wäre in der Küche ein großes Feuer ausgebrochen, und dann wäre dem Vati allerlei verbrannt. Da hat der Maikäfer dich geweckt, aus Dankbarkeit dafür, weil du ihm gestern die Freiheit zurückgabst. Er hat gemeint, daß deinem Vati nicht alles verbrennen darf, er ist auf dein Gesicht geflogen, dort umhergekrochen, bis du munter geworden bist und mich gerufen hast.«
Aufmerksam hatte das Kind zugehört. »Hat er denn den Rauch gemerkt?«
»Gewiß.«
»Und wo ist nun das Feuer?«
»Jetzt kannst du ruhig wieder schlafen, das Feuer ist ausgegangen.«
»Wo ist es denn hingegangen, Großmama?«
»Weit fort in die Erde, aus der es kommt.«
»Au fein, – dann muß der Joachim morgen ein Loch graben, bis tief in die Erde; und wenn dann das Feuer herauskommt, schimpfen wir es aus.«
»Jetzt wird geschlafen, Goldköpfchen!«
Das Kind legte sich gehorsam hin, und Frau Lindberg wartete darauf, daß es einschlafen möge. Dann wollte sie nochmals hinuntergehen, denn sie hörte Felix noch herumlaufen. Sie lauschte nach dem Bettchen hinüber und richtete sich dann leise aus.
»Großmama, – wenn Feuer in der Erde ist, frißt das Feuer dann meinen begrabenen Esel auf?«
»Du sollst jetzt schlafen, Goldköpfchen!«
Abermals das angestrengte Warten.
»Großmama, – freut sich der Maikäfer jetzt, daß er sich bedankt hat?«
»Jetzt bekommst du Strafe, Goldköpfchen. Ich gehe hinaus aus dem Zimmer und komme erst wieder, wenn du eingeschlafen bist.«
»Ich schlafe schon, aber ich kann doch nicht dafür, wenn mir der Schutzengel heute meinen Mund nicht zuschließt.«
Endlich schlief das Kind. Frau Lindberg erhob sich und huschte hinaus.
Im Parterre war alles wieder in Ordnung. Der Rauch war auch bereits abgezogen, der treue Hausdiener aber hielt noch immer Wache.
»Das hätte schlimm werden können, gnädige Frau, wenn Sie nicht so ’nen feinen Riecher hätten.«
»Goldköpfchen hat mich geweckt.«
»Was, der kleine Quark?«
»Ein noch viel kleinerer Quark hat unser Goldköpfchen geweckt!« Schließlich erzählte sie dem Hausdiener die Geschichte des Maikäfers. Aber Felix hatte dafür nur ein vergnügtes Grinsen.
Goldköpfchen verdient sich Geld
Apotheker Wagner war soeben dabei, in die Stadt zu gehen, als er aus dem Garten das heftige Weinen Bärbels hörte. Sofort lenkte er seine Schritte hin zu dem neuen Wasserbassin, an dem Bärbel und Joachim standen. In einiger Entfernung hockte Emil Peiske und wußte sich vor Freude kaum zu lassen.
»Was gibt’s denn schon wieder?«
Bärbel bemühte sich, die Tränen herunterzuschlucken, Emil lief mit langen Sprüngen davon, und Joachim senkte schuldbewußt den Kopf.
»Nun, was gibt’s, – ich möchte Antwort haben!«
»Der Emil – hat mir – mein schönes Butterbrot – ins Wasser geworfen.«
Strafend schaute der Vater seinen Sohn an, der den häßlichen Scherz geduldet hatte.
»Mit Absicht?« fragte er streng.
»Nein«, schluchzte Bärbel, »mit schöner Wurst!«
»Hat es der Emil mit Absicht getan? Ich verlange Antwort von dir, Joachim.«
»Die Fische hatten Hunger – und Bärbel ist ohnehin so fett. Man darf doch die Tiere nicht hungern lassen. Der Emil hat es gut gemeint.«
»Du gehst sofort hinaus, mit Emil werde ich reden. Komm, Bärbel, trockne dir die Tränen, du darfst jetzt mit Vati in die Stadt gehen. Der Vati will für die Mutti etwas Schönes kaufen.«
Da waren die Tränen rasch versiegt. Das kleine Mädchen griff nach der Hand des Vaters und sagte freudig: »Na, dann komm, wir wollen einkaufen.«
»So kann ich dich aber nicht mitnehmen, du hast ja ganz schmutzige Hände.«
»Ach, Vati, die hält Bärbel auf den Rücken.«
»Nein, mein Kleines, ein braves Kind muß saubere Hände haben. Denke doch mal, wenn wir in der Stadt eine Tante oder einen Onkel treffen, denen du ein Händchen reichen mußt. Dann würdest du dich furchtbar schämen, wenn die Hände so schmutzig sind.«
»Weißt du, Vati, kleine Männer haben es viel besser als kleine Frauen. Kleine Männer können die Hände in die Hosentaschen stecken. Bärbel möchte auch Hosentaschen haben.«
»Nun beeile dich, Bärbel, laß dir von Lina die Hände waschen und auch den Hals.«
»Ach – der Hals ist erst gewaschen worden.«
»Keine Widerrede, mein Kind, sonst gehe ich allein.«
Da lief Goldköpfchen rasch davon, rief stürmisch nach der Lina und verlangte das Waschen von Händen und Hals.
Aber kaum eine Minute später horte Frau Lindberg lautes Geschrei; und als sie ins Kinderzimmer eilte, erblickte sie Bärbel mit zornrotem Gesicht.
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