»Mein Hemd habe ich auf dem Boden aufgehängt. Und den Anzug habe ich über nischt gezogen.«
»Fabelhaft!«
Nun wurde ihm von dem Plan, den Esel zu begraben, berichtet. Sofort waren die Spaten zur Hand, unter einem Strauch wurde ein Loch gegraben.
»Ihr müßt auch was dazu singen«, erklärte Bärbel.
»Ist dein Esel, – sing du!«
»Bärbel kann nichts.«
Die beiden Knaben überlegten ein Weilchen, dann tuschelte Emil Peiske seinem Freunde etwas zu.
»Fabelhaft!« rief Joachim. Er wandte sich wieder an seine kleine Schwester. »Nun pass’ auf, ich werde dich ein Begräbnislied lehren. Nun sing mal nach: Ich hatt’ einen Kameraden, einen bessern find’st du nicht!«
Bärbel gab sich die größte Mühe, das Lied zu lernen, während Emil Peiske aus vollem Halse lachte.
Endlich glaubte Bärbel das Lied zu können, die Teile des Esels wurden herbeigebracht, die das kleine Mädchen zärtlich in die Arme nahm. Voran schritt Emil mit erhobener Hacke, hinter dem kleinen Mädchen ging, leise murmelnd und bitterliches Weinen vortäuschend, Bruder Joachim. Nun wurde der Esel in die Grube gelegt. Goldköpfchen nahm nochmals rührenden Abschied von dem zerbrochenen Spielgefährten, und dabei fiel eine Träne aus ihren blauen Augen.
»Nun halte ’ne Rede«, forderte Emil den Spielgefährten auf.
»Rhabarber – Rhabarber – Rhabarber«, murmelte Joachim, »jetzt soll Bärbel singen.«
Zwar ein wenig falsch, aber voll inniger Zärtlichkeit ließ Bärbel die ersten beiden Zeilen des Liedes ertönen. Dann wurde die Grube zugeschaufelt, Bärbel holte mehrere grüne Zweige und schmückte damit das Grab ihres Esels.
Man hatte nicht bemerkt, daß sich währenddessen der Himmel mit dunklen Wolken bedeckt hatte. Die Kinder waren kaum ins Haus gekommen, als ein Platzregen herniederging.
Joachim und Emil verschwanden wie der Blitz, denn in solch einem Regen umherzulaufen, war für sie ein grenzenloses Vergnügen.
Bärbel aber stieg die Angst heiß zum Herzen auf. Es regnete, und der Regen fiel in das Bassin, in dem die Fische waren. War nicht kürzlich dem guten Milchmanne eine Kuh fast ertrunken, weil es so furchtbar geregnet hatte?
Aufgeregt eilte sie nach der Apotheke.
»Onkel Provisor, die Goldfische ertrinken, – deck’ sie zu!«
»Welche Fische?«
»Die schönen Goldfische! – Komm schnell und deck’ sie zu!«
Senftleben hatte Mühe, dem erregten Kinde klarzumachen, daß sich die Fische beim Regen am wohlsten fühlen. Natürlich erfolgten viele Fragen, denn Bärbel wollte wissen, warum beim Regen eine Kuh ertrank und weswegen die Fische so fröhlich dabei waren.
Als Herr Wagner am nächsten Morgen einen Gang durch seinen Garten machte, blieb er ärgerlich vor dem neuen Springbrunnen stehen. Was hatte man für Unrat in das schöne Bassin geworfen! Die Missetäter glaubte er zu kennen.
Als Joachim aus der Schule kam, winkte ihn der Vater schweigend zu sich heran, nahm ihn am Ohr und führte den Knaben wortlos durch den Garten bis hin zum Springbrunnen.
»So, mein Sohn«, begann er, »die Steine und alle die Erdklöße stammen von dir.«
»Der Emil hat mitgemacht.«
»Das geht mich nichts an. – Warum hast du es ihm nicht verboten? Du wirst heute nachmittag das Bassin reinigen, ich werde die Fische herausnehmen lassen, das Wasser wird abgelassen, und dann säuberst du das Bassin so lange, bis das neu hineingelassene Wasser ganz klar bleibt. Keinen Stein und keinen Unrat will ich mehr darin sehen.«
»Ich habe heute so viele Schularbeiten zu machen.«
»Für die Schularbeiten wird auch Zeit bleiben.«
»Dann muß mir der Emil aber helfen, der hat auch Steine mit reingeworfen.«
»Ich habe dir schon gesagt, daß ich dich dafür verantwortlich mache. Und wenn der Emil wieder Steine hineinwirft, holst du sie wieder heraus.«
Joachim wollte noch etwas erwidern, aber vor dem strafenden Blick des Vaters schloß er den Mund.
»Ich mache mir doch dabei die ganzen Sachen schmutzig, wenn ich hier Dreck klauben soll.«
»Du ziehst die alte Lederhose an, der schadet es nichts. Ich werde nachher wiederkommen und nachsehen, ob die Arbeit auch gut gemacht ist.«
So mußte Joachim mit geheimem Grimm an die Reinigung des Bassins gehen. Und während er mit einem Besen das Bassin auskehrte, hörte er ein schadenfrohes Lachen von jenseits des Zaunes. Das war kein anderer als sein Freund Emil Peiske.
Joachim fuhr herum.
»Komm her und hilf mir, – du hast das Bassin versaut!«
Statt einer Antwort kam erneutes Lachen.
»Na, kommst du her?«
»Wenn du fertig bist!«
Drei Sätze, dann war Joachim drüben bei seinem Freunde, packte ihn vorn an der Brust und schüttelte ihn kräftig.
Emil war nicht träge, er gebrauchte seine Fäuste, und nun begann eine regelrechte Keilerei, bei der bald Joachim, bald Emil auf dem Erdboden lagen. Zwischendurch hörte man nicht gerade schöne Schimpfworte.
»Du Schneiderlümmel!«
»Du Pillendreher!«
Es war Emil gelungen, den großen Besen seines Freundes zu erfassen, und damit schlug er jetzt auf Joachim ein.
Der griff mit beiden Händen in den roten Haarschopf Emils und hielt bald ein Büschel Haare in der Faust.
»Wollt ihr wohl auseinandergehen!«
Vor den zornigen Knaben stand Schneidermeister Peiske, der den Lärm gehört hatte und es für richtig hielt, die beiden wütenden Knaben zu trennen.
Das war freilich nicht ganz einfach. Und als nun Joachim mit dem Fuße nach Emil stieß, erhielt er von dem Schneidermeister eine schallende Ohrfeige, die ihn so erstarren ließ, daß er von seinem Freunde abließ.
Emil wollte diese günstige Gelegenheit benutzen, um aufs neue auf seinen Gegner einzuschlagen. Da saß aber auch ihm die Hand des Vaters auf der Wange, und laut heulend gingen die Kämpfer auseinander.
»Hier hast du deinen Besen, du Lümmel«, das war das Letzte, was Joachim von Schneidermeister Peiske hörte.
Mit zerkratztem Gesicht und zerrissenem Ärmel machte sich Joachim wieder an die Reinigungsarbeiten, und als der Vater erschien, war alles fertig.
»Siehst du, mein Junge, diese Arbeit hättest du dir sparen können. In Zukunft laß das Bassin und die Fische in Ruhe.«
»Die ollen Fische sind mir ganz wurscht, es lohnt sich gar nicht, daß man sich mit solchem Viehzeug abgibt«, entgegnete der Knabe verächtlich.
»Und nun kannst du an die Schularbeiten gehen.«
Leise maulend folgte der Knabe dem Vater. Er fühlte sich in seiner Schülerehre tief gekränkt. Zu Aufräumungsarbeiten war doch das Personal da. Er war doch schließlich kein Hausdiener. – Wenn nur der Emil den Mund hielt und es nicht weitererzählte. Was würden seine Schulkameraden sonst von ihm denken?
Verstohlen ballte er die Fäuste nach dem Nachbargrundstück hin. »Ich schlage dir noch das andere Auge blau, wenn du was sagst«, murmelte er leise vor sich hin.
Als Goldköpfchen eine halbe Stunde später ins Kinderzimmer kam, wurde sie von dem arbeitenden Bruder angeschrien.
»Ich habe zu arbeiten, du Gans! – Hinaus!«
Erstaunt schaute die Kleine den zürnenden Bruder an.
»Na, – was glotzt du denn?«
»Du hast wohl Haue gekriegt, Joachim?«
»Kannst gleich welche besehen! Pah, – überhaupt – mit solchen kleinen Mädchen sollte man gar nicht reden!«
»Lausebengel«, sagte Bärbel mißmutig und ging davon, denn sie wußte, daß der Bruder in solcher Stimmung gern zuschlug. Sie war in der besten Absicht gekommen, um den Bruder zu rufen, denn der Vater hatte eben gesagt, daß er die Fische füttern wollte. Nun eilte Goldköpfchen allein in den Garten und schaute voller Interesse zu, wie die Tierchen nach den ins Wasser geworfenen Ameiseneiern schnappten.
»Bitte, gib mir die Tüte, Vati«, bettelte die Kleine.
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