P u d e l h u n d läuft, und kommt schnell mit dem
Spiegel wieder.
M o r d i hält ihr den Spiegel vor.
Denke nur an deinen Vater,
Und du siehst ihn hier im Spiegel.
R o s e l i n d e lacht in Thränen.
Ach, da ist das Haus des Vaters!
Da der Hof, die Gartenthüre,
Und da liegt der treue Leo,
Unser Hofhund, an der Kette!
Ei, da bin ich ganz zu Hause.
Wer ist denn der fremde Mann dort,
Der im Garten traurig sitzet,
Und so bleich ist im Gesichte?
(fängt plötzlich an zu weinen.)
Ach, du Himmel, 's ist der Vater!
's ist mein guter, lieber Vater.
Ach, wie bist du krank und elend!
Nun, was machst du? Willst du aufstehn,
Und vermagst es nicht aus Schwäche?
Mußt die Krücke darzu brauchen?
– Ach wie wankst du mit der Krücke.
Und ist keine meiner Schwestern
Um dich, die dich pflegen könnte?
O, da kommt der alte Sami
Dir entgegen, dich zu stützen.
(Sie weint.)
Ach, du Himmel! ach, du Himmel!
Muß sich selbst in seinem Zimmer
Seine Arzeneien holen. –
Ei, wo sind denn meine Schwestern?
Sollten die nicht, immer Eine,
Bei dir sein, und dich bedienen?
Und dich pflegen, armer Vater?
M o r d i .
Willst du deine Schwestern sehen?
R o s e l i n d e .
Ja, da sind sie, da Hirlande
Und dort neben auch Astralle.
Ei, was thun sie da am Tische?
Ach, sie spielen. Da sind Karten.
Pfui! wer mag mit Karten spielen?
Ach, was liegt da auf dem Tische
Für ein Haufen Geld von Golde –
Und ringsum, was kleine Häufchen;
Warum sehen sie denn alle
Nach dem dicken Herrn dort oben?
Da! – Er zeigt jetzt seine Karte.
Ei, was ist das? – Wie sich alle
Die Gesichter jetzt verzerren.
Ach, er hat es all gewonnen.
Denn er scharrt mit einer Harke
All die kleinen gold'nen Häufchen
Jetzt zu seinem großen Haufen. –
– Ei, Herr Mordi, sag, in welchem
Orte sind denn meine Schwestern?
M o r d i .
Sind in's nächste Bad gefahren,
Sich Vergnügen da zu machen.
R o s e l i n d e .
Und der Vater sitzt zu Hause,
Ohne Pflege, ohne Wartung,
Nur von Fremden schlecht bedienet?
Und doch besser noch gepfleget,
Als von seinen eignen Kindern.
– O, du armer, armer Vater!
– Ach, da ist er ja schon wieder,
Seh' ihn wieder in dem Spiegel.
Horch! da sprach er eben seufzend.
Sprach vielleicht gar meinen Namen.
– Wenn ich doch nur bei dir säße,
Du mein lieber, guter Vater!
Bist du jetzt so ganz alleine?
Hast von deinen Mädchen keine,
So dich in der Krankheit pflege,
Deine Arzenei dir gebe,
Und dich stütze, und dich führe.
(Sie weint bitterlich.)
Ach wenn ich nur bei dir wäre;
Ach, wie wollt' ich für dich sorgen!
Daß du unter meiner Pflege
Völlig bald genesen solltest,
Lieber, armer, kranker Vater!
M o r d i .
Holla! Diener!
P u d e l h u n d e kommen.
Wau! wau!
M o r d i .
Bringt den Wagen.
P u d e l h u n d e ab.
M o r d i .
Wär ich krank, wie jetzt dein Vater,
Würdest du auch Mitleid fühlen?
R o s e l i n d e .
Würdest mich gewiß recht dauern. –
– Ei, was willst du mit dem Wagen?
Willst du doch nicht gar verreisen,
Und mich ganz alleine lassen?
(Man hört unten den Wagen vorfahren und die
Pudelhunde rufen: Wau, wau!)
M o r d i .
Du kannst reisen, Roselinde.
R o s e l i n d e .
Ich darf reisen? i c h ? zum Vater?
M o r d i .
Was du brauchst von schönen Kleidern,
Geld und Kleinod und dergleichen,
Auch Geschenke für die Heimath,
Findest du in deinem Wagen.
Auch ein Fläschlein Balsamthau,
Von dem Lebensbaum gesammelt,
Hab ich dir hinzugefügt,
Deinen Vater zu erretten
Von dem sichern nahen Tode.
– Hier, nimm aber diesen Spiegel.
R o s e l i n d e .
Ach, den kann ich dort nicht brauchen.
M o r d i .
Nicht dort brauchen? Roselinde!
Willst du mich dort ganz vergessen?
R o s e l i n d e .
Nein, o nein! du bist so gütig;
Nein, ich will dich nie vergessen.
M o r d i .
Gut. So nimm auch diesen Spiegel,
Sieh an jedem dritten Abend,
Eh du dich zum Schlafe legest,
Drin nach mir, ob ich noch lebe,
Noch gesund bin, was ich mache.
Siehst du aber krank mich liegen,
Dann, o liebe Roselinde,
Komm mit deinem Balsamthaue
Schnell mit deinen Flügelpferden.
Nur der Balsam kann mich retten,
Der auch deinen Vater rettet.
Willst du thun, was ich dich bitte?
Sieh, so oft du unterläßt,
Nach mir in den Zauberspiegel
Einzusehn, muß ich in Schmerzen,
Stärker, als je Menschen fühlten,
Um ein Zwanzigtheil von meiner
Größe, Dick' und Schwer zusammen-
Runzeln, bis nach zwanzig Malen
Gar nichts von mir übrig bleibet.
Gelt, du wirst mich nicht vergessen?
R o s e l i n d e .
Nein! – Gewiß, gewiß, Herr Mordi,
Werd' ich niemals dich vergessen.
M o r d i .
Sechzig Tage darfst du bleiben,
Dann mußt du zurücke kehren.
R o s e l i n d e .
Ach, wie gut bist du, Herr Mordi.
Will auch sicher nie vergessen,
In den Spiegel einzusehen.
M o r d i .
Holla! Diener!
P u d e l h u n d e und M i s e k ä t z c h e n kommen.
M o r d i .
Hebt die Jungfrau in den Wagen,
Fahret rasch mit ihr von dannen;
Wißt es ja, wohin sie reiset.
(zu Roselinde.)
Sieh, da ist auch Misekätzchen,
Nimms doch mit zu deinem Vater.
Lebe wohl!
R o s e l i n d e bewegt.
Leb wohl, Herr Mordi.
M o r d i .
So? du weinst?
R o s e l i n d e .
Ich dachte eben,
Wie die Zeit dir lang mag werden,
Wenn du niemand hast zu pflegen,
Niemand mehr, der mit dir redet.
Ach, wenn's nicht der Vater wäre,
Oder wär' er nicht erkranket,
Wüßt' ich wohl, daß ich dann bliebe.
M o r d i .
Du bist fromm, lieb Roselinde.
Sei zufrieden. Schau nur fleißig
Nach mir in den Zauberspiegel,
Dann wird alles gut noch gehen.
Komm hinab in deinen Wagen.
(Sie gehen Alle ab.)
Zweite Scene.
(In Schira's Hause)
S c h i r a auf einem Ruhebette. Der Arzt bei ihm.
S c h i r a .
Lieber Meister, wie ich sagte,
Jeden Tag geht's immer schlechter.
A r z t .
Macht Euch doch nicht solche Grillen.
S c h i r a .
Keine Grillen! – Ach, ich fühl' es! –
A r z t .
Könnt Ihr denn nicht freier athmen!
S c h i r a .
Wenig. Wohl gibt's Augenblicke,
Da die Brust mir freier dünket,
Da sie wieder leicht sich dehnet –
Doch im andern Augenblicke
Schnürt sie wieder sich zusammen,
Daß ich kaum zu Athem komme.
A r z t .
Leidet Ihr dann große Schmerzen?
S c h i r a .
Körperlich nicht eben Schmerzen. –
Bange, – bang, so recht im Innern,
In der Seele, möcht' ich sagen,
Fühl' ich mich alsdann beklommen.
A r z t .
Sind die Arzenein zu Ende?
S c h i r a .
Hab sie pünktlich eingenommen.
A r z t .
Will Euch eine neu verschreiben,
Die gewiß Euch wohl bekommet.
S c h i r a .
Ist sie blau?
A r z t .
Blau? Wie verstehet
Ihr denn das?
S c h i r a .
Ei, blau von Farbe!
Seht, ich hab seit heute immer
Einen Balsam in dem Sinne,
Der allein mich heilen könnte:
Wüßt ich nur ihn zu bekommen!
Wenn ich nur daran gedenke,
Fühl' ich wunderbar mich stärker.
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