Als wir deshalb mit den Planungen für das Fraueninstitut für alternative Psychotherapie begannen, behielt ich all diese Zusammenhänge im Kopf. Jede/r konnte Mitglied werden – selbst Männer, wenn sie es wollten. Die Planung der Funktionsweise des Instituts sollte in den Händen von Frauen liegen, sie sollte inklusiv sein und wir würden versuchen, einander in einem neuen Paradigma zu unterstützen.
Therapeutinnen, Klientinnen, potenzielle Klientinnen, Feministinnen, Frauen verschiedenster Fachrichtungen, Heteros, Lesben, interessierte Männer wurden alle eingeladen, an der Planung des neuen Institutes mitzuwirken. Während des gesamten Prozesses der Ausarbeitung des Lehrplans, auf dem Weg zur Akkreditierung bis hin zu dem Punkt, an dem wir bereit waren, Bewerberinnen aufzunehmen, waren unsere heftigsten Kritiker und Angreifer – Frauen. (War dies der Beginn der dritten Phase?)
Die Psychologinnen dachten, nur zugelassene Psychotherapeutinnen und Diplompsychologinnen, jedoch gewiss keine zukünftigen Klientinnen, sollten den Lehrplan konzipieren und alles kontrollieren. Sie schienen wütend zu sein, dass nicht sie das Sagen hatten und fanden es lächerlich, dass potenzielle Nutzerinnen der Dienstleistung in die Planung einbezogen wurden.
Eine bekannte Feministin, die wir gern im Vorstand gehabt hätten, weil wir dachten, das sei politisch vorteilhaft, entschied sich, als Direktorin die Führung zu übernehmen. Da ich in ihren Augen ein „Niemand“ war (nach meiner Erfahrung sehen viele Leute von der US-amerikanischen Ostküste jeden, der aus Gebieten westlich des Potomacflusses kommt, als einen „Niemand“ an), unternahm sie den Versuch, mich meines Postens zu entheben und unser Institut als Basis zum Aufbau ihrer „Frauenarmee“ zu benutzen. Sie scheiterte damit.
Die sogenannten marxistischen Feministinnen attackierten uns mit dem Vorwurf, elitär, weiß und bourgeois zu sein und nicht interessiert an der Sache der Arbeiterinnen (das genaue Gegenteil dessen, warum uns die „Professionellen“ angriffen!).
Die uralte Taktik, die Karl Rove mittlerweile für die Republikanische Partei übernommen hat, dem anderen das vorzuwerfen, was der Kritiker selbst tut, wurde mit voller Macht praktiziert, ebenso wie die Taktik, die andere Person als so „giftig“ hinzustellen, dass niemand etwas mit ihr zu tun haben will.
Außerdem fanden wir später heraus, dass zumindest zwei der Frauen, die bei uns aufkreuzten und „sich einbringen wollten“ (wir waren so offen und naiv, dass wir „Natürlich gern!“ sagten) und die später alles taten, um unser Fraueninstitut zu schließen, Kontakte zu dem FBI oder der CIA hatten, und an der Beseitigung von mindestens zwei weiteren feministischen Projekten beteiligt waren (der Rotstrumpf-Attacke auf Gloria Steinem und der Auflösung des feministischen Therapieprojekts des Goddard College). Alle bei uns Beteiligten waren so arglos und so sehr damit beschäftigt, sich aktiv für den Feminismus einzusetzen, dass wir nichts bemerkten und erst Jahre später, nach der Abwicklung des WIAP (Fraueninstitut für Alternative Psychotherapie), einige dieser Fakten entdeckten.
Das alles waren ziemlich schmerzhafte Erfahrungen und als wir mit unseren finanziellen Förderern darüber sprachen, erhielten wir zur Antwort: „Einige dieser Frauen haben uns kontaktiert und scheinen ziemlich verrückt zu sein. Wir mögen und respektieren, was ihr tut, und wir befürchten, dass sie sich an die Regierung wenden und weitere unserer Projekte gefährden.“ Wir sahen das ein und zogen unser Gesuch um weitere finanzielle Unterstützung freiwillig zurück.
Unsere Antwort auf diese Vorgänge: „Wir dachten nicht, dass das, was wir taten, so wichtig war!“
Keine von uns war wirklich politisch erfahren, und wir hatten wenig oder keine Erfahrung mit der Welt der Politik.
Wir interessierten uns einfach für Heilung – der Heilung von uns selbst und anderen, dem Begünstigen einer heilsameren Lebensweise und wollten zum Entstehen eines Systems beitragen, das, so schien es uns, uralt ist und gleichzeitig das Wissen umfasst, das Frauen tief in ihrem Inneren besitzen.
Wir zogen uns fürs Erste zurück. Wir hörten nie auf, Feministinnen zu sein. Ich bin also als feministische Therapeutin zum Feminismus gekommen, wobei ich mich für meine eigene Heilung und die Heilung anderer engagierte. Ich war eine der Urheberinnen des Konzepts der feministischen Therapie und erkannte erst später, dass das ganze Konzept und der Therapieansatz etwas sehr Beängstigendes hatten. Die Schriften der Frauen jener Epoche waren wie ein warmes Bad für mich und für eine Weile las ich nur Frauenschriften, als Gegenmittel dazu, dass mein Kopf mit männlich orientierten Ideen und Theorien vollgestopft war. Ich lernte, dass kein anderer wirklich wissen kann, was wir brauchen oder was wirklich in unserem Inneren vor sich geht, weil es nicht „rational oder logisch“ ist. Interpretationen sind bedeutungslos, meistens untauglich und oft destruktiv.
Für mich war die zweite feministische Phase aufregend, berauschend, schmerzhaft, wichtig und das Wachstum fördernd. Ich begann beim Individuum und ging von da aus zum größtmöglichen Bild, zu den größeren Zusammenhängen. Ich schrieb mein erstes Buch darüber und beschrieb darin:
1.Ein Weißes Männliches System (WMS): Das vorherrschende patriarchale, wissenschaftliche, religiöse Paradigma für die westliche Kultur, bei dem für alle, die sich in jenem System befinden, das Selbst und die Arbeit im Mittelpunkt des Universums stehen. Alles andere muss sich um das Selbst und die Arbeit drehen und wird durch das selbstzentrierte Selbst und die Arbeit definiert. Das heißt, dass alles andere im Leben vom selbstzentrierten Selbst und der Arbeit, die man tut, definiert und umschrieben wird.
2.Ein Reaktives Weibliches System (RWS), das mit dem WMS verbunden ist und aus dem heraus Frauen handeln, um innerhalb des WMS zu überleben und darin sicher zu sein. Es wird vom WMS definiert und bietet einen Weg, wie man für das System akzeptabel sein kann. Das RWS ist kein reales, funktionelles System, es ist ein „konzeptionelles“ und für das Überleben entwickeltes System und entspricht hauptsächlich der abstrakten männlichen Vorstellung darüber, wie Frauen sein sollten, um die Männer und ihr selbstzentriertes Selbst und ihre Arbeit zu unterstützen. In diesem künstlichen System versuchen Frauen, das Selbst der Männer und deren Arbeit in den Mittelpunkt ihres Lebens zu stellen, während sie die Absichten der Männer für sich selbst und ihre Absichten für die Frauen übernehmen. Dieses System ist nicht natürlich, es wurde erdacht und erlernt.
3.Dann beschrieb ich das, was ich als ein sich Entfaltendes Weibliches System (EWS) erkannte, ein System, in dem Frauen auf das uralte DNA-Wissen und ihr Wesen zurückgreifen und eine Lebensweise und Ganzheit entwickeln, die den indigenen Systemen viel näher stehen als alles andere, was wir auf dieser Welt haben. Für mich hat diese Analyse, die von den spezifischen Erfahrungen ausgeht und zum Ganzen kommt, immer noch ihre Gültigkeit. Und, ich bin weitergegangen.
Später interessierte ich mich für Süchte und Abhängigkeiten und erkannte, dass meine Ausbildung, was das Verständnis von Süchten anbetraf, große Lücken aufwies. Deshalb stürzte ich mich darauf, alles zu lernen, was ich darüber lernen konnte, wobei ich damals noch nicht erkannte, dass die Suchtthematik ein Teil des größeren Bildes für mich war.
Ich hielt eine Rede über Süchte und Abhängigkeiten vor etwa 1.000 Leuten im südlichen Minnesota, als ich mich sagen hörte: „Das, was ich früher als das Weiße Männliche System bezeichnete (da weiße Männer die Macht, den Einfluss und die Begrifflichkeiten jenes Systems entwickelt haben und in Händen halten), nenne ich jetzt das Suchtsystem, denn die Prozesse und Merkmale der beiden Systeme sind die Gleichen. Was wir im Suchtsystem als „Charakterfehler“ bezeichnen (die Illusion von Kontrolle, Selbstzentriertheit, Unehrlichkeit etc.), sind genau die Eigenschaften, die ich als Merkmale des Weißen Männlichen Systems (WMS) identifiziert habe.
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