Ich bewege mich also in immer größere Zusammenhänge hinein. Und als Ergebnis dieser Einstellung zum Leben befassen sich dieses Buch und die darin enthaltenen Sichtweisen weitgehend mit der Entwicklung der Menschheit und es untersucht, wo wir vom Wege abgekommen sind – zu unserem eigenen Schaden und dem des Planeten. Wir müssen die Rolle erkennen, die wir mit unserem Wissen um Lebensentwürfe, die sich vom herrschenden System unterscheiden, übernehmen und vertreten, damit wir durch unsere umfassendere Teilnahme die Menschheit und alles auf diesem Planeten zurück auf einen Kurs bringen können, der heilsamer und erfüllender ist. Das zu übernehmen ist nicht viel, wenn wir nicht zu viel denken! Einige Leute wollen ihre Welt „klein“ und „kontrollierbar“ halten – viel Glück dabei. Dies nur als Hinweis – kehren wir also zurück zu den Phasen des Feminismus und wie ich sie erlebte und durchlebte.
Ich sehe mich definitiv als Feministin der zweiten feministischen Phase aktiv werden. Als echte Feministin engagierte ich mich in den 1950er und 1960er Jahren in der amerikanischen Antikriegsbewegung sowie in der Bürgerrechtsbewegung. Der Kampf gegen Ungerechtigkeit war natürlich mein Thema seit meiner Kindheit. Als ich in den 1930er Jahren ein Kind war, hatte meine Mutter für die Rechte der Schwarzen, der Armen, der Behinderten und anderer und insbesondere der Tiere gekämpft. Warum sollten also die Bürgerrechte aller Menschen und die Schöpfung nicht auch meine Sache sein?
Dem von mir heute als ideologischen Feminismus des amerikanischen Ostens bezeichneten Feminismus gehörte ich definitiv nicht an, und ich fühlte mich von ihm unterstützt. Ich war in den Schützengräben des amerikanischen Mittleren Westens und Westens und arbeitete mit Frauen.
Ich glaube, mein Feminismus wurde von den Frauen (und Männern!) geweckt, mit denen ich als Therapeutin in Einzelsitzungen, in Gruppen und dann in Seminaren arbeitete, die ich in den ganzen USA, in Kanada und später in Europa und den Ländern des Südpazifiks abzuhalten begann.
Ich veranstaltete meinen ersten Frauenworkshop mit Colleen (Cokey) Kiebert, einer befreundeten Künstlerin. Sie hatte kleine Frauengruppen gegründet, die Collagen und andere künstlerische Dinge machten. Ich hatte als Therapeutin gearbeitet und Ausbildungen bei Fritz Perls, Carl Rogers, Virginia Satir, J. L. Moreno und anderen absolviert und sah mich deshalb an vorderster Front der humanistischen und transpersonalen Psychologie; wir waren beide erpicht darauf, das Gelernte in einem Workshop für Frauen auszuprobieren.
Die Erfahrung, die ich mit diesen Frauen machte, werde ich mein Leben lang nicht vergessen!
Cokeys Collagen hatten unser Leben zum Thema – unser bewusstes und unbewusstes Leben. Angeregt durch meine Arbeit bei Fritz und anderen hatte ich Matratzen auf dem Boden liegen und keine Angst vor dem, was sich – natürlich durch mich begleitet – ergeben würde. Ohne wirklich zu wissen, was wir taten, schufen wir eine „sichere“ Umgebung, in der, ausgelöst durch die Collagen und das Erzählen unserer sich damals unschuldig anhörenden Geschichten, Jahre von aufgestautem Ärger, Enttäuschung und Schmerz wie Raketen explodierten.
Die Frauen „gingen los“ wie Feuerwerkskörper. Es war mir/uns unmöglich, die Kontrolle zu behalten. Wir alle mussten helfen, die Frauen zu begleiten und zu versuchen, für unsere Sicherheit zu sorgen, während diese Frauen tobten, ihren Schmerz herausheulten, schrien und Ströme von Tränen vergossen.
Da wir nicht wussten, was wir tun sollten, taten wir nichts. Wir griffen nicht ein, versuchten nicht, die Kontrolle zu übernehmen oder die Prozesse zu erleichtern. Wir bemühten uns alle um die Sicherheit der Frauen, die ihre Tiefenprozesse durchlebten, und kamen ihnen nicht in die Quere.
Ich erinnere mich, dass in den Mittagspausen Cokey und ich Arm in Arm in unsere Hütte stolperten und uns bis zur nächsten Sitzung erschöpft aufs Bett warfen. Ich erinnere mich nicht, während des gesamten Wochenendes etwas gegessen zu haben. Dies war eines der intensivsten Wochenenden meines Lebens. Wir waren total entsetzt über das Ausmaß an Schmerz und Wut, das „normale“ Frauen in sich eingeschlossen hatten und das sie vergiftete.
Dieses Wochenende war der Beginn einer langen Reihe von Wochenenden, wochen- oder monatelangen Frauenworkshops, die zum Mittelpunkt meiner Arbeit werden sollten. Nie wieder hatte ich ein Büro ohne Matratzen darin. Etwas später, nach weiterer „Bewusstseinserweiterung“ und der Entdeckung, dass die meisten psychologischen, medizinischen und psychotherapeutischen Theorien und Praktiken von Männern und für Männer entwickelt wurden, mit Forschungen und Theorien von Männern und für Männer aus einer männlichen Perspektive heraus, beschloss ich, in meiner Praxis nur mit Frauen zu arbeiten, da Männer überall Hilfe bekommen konnten. Es waren aufregende und berauschende Zeiten – ich hörte Frauen zu und begleitete sie, wenn sie ihr Herz ausschütteten und Unterstützung von anderen Frauen bekamen. Das war der Beginn der Heilungsarbeit, die ich auf der ganzen Welt mache und heute Leben im Prozess nenne. Das war der Grund, warum ich das Gebiet der Psychologie verließ, denn ich begann zu erkennen, dass sie (die Psychologie) nicht Teil der Lösung war. Sie war Teil des Problems, und das Problem lässt sich nicht mit dem Problem lösen. Mein Eindruck war, dass Psychologie/Psychotherapie nicht darauf ausgelegt waren, Menschen zu heilen und sie darin zu unterstützen, ihr Potenzial in jeder Facette ihres Menschseins voll zu entwickeln – sie zielten darauf ab, den Menschen zu helfen, sich einem dysfunktionalen System anzupassen. Damit wollte ich nichts zu tun haben.
Ich erinnere mich, dass der Präsident des amerikanischen Psychologenverbandes mich inständig bat zu bleiben und dabei zu helfen, eine Veränderung innerhalb des Systems herbeizuführen, und meine schmerzvolle Antwort war:
„Ich kann nicht. Ich kann nicht tun, was ich tun muss, und lernen, was ich lernen muss, wenn ich innerhalb des Systems bleibe.“ Also musste ich gehen. Man muss aus der Umweltverschmutzung heraus, um sie zu sehen – zumindest war das bei mir so.
Ja, wir Frauen der zweiten feministischen Phase waren zornig. Wie konnten wir das nicht sein, wenn uns Ungerechtigkeit, Herabsetzungen, Abwertung und Missbrauch bewusst wurden, die unser täglich Brot waren. Ich erinnere mich an die Zeit, als ich Direktorin eines Behandlungszentrums für Kinder und Jugendliche in einem psychosomatischen Krankenhaus in Alton, Illinois, war. Ich sah mich als gleichrangig mit allen anderen Abteilungsleitern und war vom stellvertretenden Direktor und Chef des Ministeriums für mentale Gesundheit gebeten worden, dort zu arbeiten. Sehr schnell fiel mir auf, dass es nur zwei Abteilungschefinnen auf leitender Ebene gab – die Leiterin der Krankenpflege und ich selbst. Mit meinem neuen „Bewusstsein“ brauchte ich nicht lange, um zu merken, dass jedes Mal, wenn ich eine gute Idee einbrachte und aussprach – NIEMAND SIE HÖRTE! (Selbst die andere Frau nicht!) Nach ein paar Minuten wurde dann die gleiche Idee von einem der Männer vorgebracht und als Geschenk Gottes für die Gruppe aufgegriffen. Natürlich schmeckte mir das nicht, und ich lernte schnell, dass diese Erfahrung damals zum Alltag der Frauen in leitenden Positionen gehörte (und es gibt sie auch heute noch!).
Wie ich es gelernt hatte, besprach ich diese Erfahrung mit meinen Freundinnen, die sich alle damit identifizierten. (Wir waren wütend, als wir unsere Erfahrungen austauschten.) Ich erinnere mich an eine wunderbare Frau, die immer wie eine viktorianische Kamee aussah und geholfen hatte, die Bewegung der amerikanischen Black Panther ins Leben zu rufen. Sie sagte: „Ja, ich habe in meinem ganzen beruflichen Leben für die Kirche gearbeitet und genau diese Erfahrung habe ich auch gemacht. Mir wurde mit der Zeit klar, wenn ich Anerkennung und Lob für meine Ideen wollte, keine von ihnen jemals akzeptiert würde. Ich kam dahinter, wenn ich meine Ideen wertschätzte und ich sie für wichtig hielt, ich sie einem Mann (ohne sein Wissen) zuspielen musste, dann würde er sie einbringen und sie würden Gehör finden. Auf diese Weise wurden einige meiner Ideen verwirklicht.“ Beim Erzählen liefen ihr die Tränen über die Wangen. Wir weinten alle miteinander.
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