1 ...6 7 8 10 11 12 ...26 Da Hennings neugierig war, wer wohl die fleißigen Helfer sein könnten, nahm er bereitwillig auf dem Rücksitz des BMW Platz. Die Tür des BMW schloss sich. Hennings fiel die seltsame Innenkonstruktion auf. Es handelte sich um eine Chauffeurlimousine. Plötzlich surrte die Trennscheibe, die den Chauffeurbereich vom Fond abtrennte, nach oben. Es zischte und Nebel, der sofort die Augen schmerzen ließ und den Atem hemmte, strömte ein. Hennings riss am Türöffner und schlug gegen die Scheiben, doch seine Bewegungen erlahmten schnell. Die Asiaten stellten sich vor die Scheibe, hinter der Hennings umsank, um sie gegen unliebsame Beobachter zu verdecken. Unmittelbar danach öffneten sie die Tür, um frische Luft einzulassen. Dann setzte sich ein Asiat neben Hennings in das Fahrzeug. Es roch stark nach Krankenhausflur. Er schloss die Tür und gab ein Zeichen zur Abfahrt. Jetzt kam der gefährliche Teil. Sie durften von keiner Polizeikontrolle aufgehalten werden oder zu lange in einen Stau geraten, wo sich später jemand zufällig an sie erinnern konnte.
Im Abschlepptempo fuhren sie Richtung Süden. Drei Kilometer vor der Abfahrt Kiesen verlangsamten sie die Fahrt und fuhren ohne Warnblinker auf einen Parkplatz und hielten in gebührendem Abstand vor einem parkenden Fahrzeug. Der Asiat, der den Renault fuhr, entfernte in der Dunkelheit die Abschleppstange und brachte das Gepäck in den BMW. Er durchwühlte die Staufächer und fand im Handschuhfach drei DVD-Kinofilme, die allerdings nicht sein Interesse fanden. Er ließ den Schlüssel im Auto stecken und schloss die Türen. Dann stieg er auf der Beifahrerseite ein. Der Asiat legte seine Finger an Hennings Hals und fühlte den Puls. Er nahm das Kissen von der Hutablage und presste es Hennings auf das Gesicht. Hennings starb, ohne jemals wieder das Bewusstsein erlangt zu haben, dann gab der Asiat auf dem Rücksitz, der Hennings gerade getötet hatte, das Zeichen, die Geschwindigkeit zu erhöhen.
Der BMW fuhr zurück in Richtung Norden und hielt erst wieder in einer großen Lagerhalle neben einem kleinen Flugfeld in der Nähe von Olten. Der kleine Flugplatz war spät abends noch in Betrieb. Die Asiaten hatten die Lagerhalle samt Hubschrauber für eine Dauer von fünf Tagen angemietet. Die Halle und der Helikopter gehörten einer Firma für Spezialdienstleistungen. Die Asiaten besaßen alle notwendigen Fluglizenzen und Zertifikate. Offiziell führten sie eine Woche lang Spezialtransporte nach Como durch. Entsprechend lauteten die Flugbewilligungen, die die Asiaten streng einhielten und die von der schweizerischen Luftraumüberwachung auch streng kontrolliert wurde.
Hennings wurde aus dem Wagen gehievt und bis auf die Unterwäsche entkleidet. Umständlich zog man ihm seine Wanderbekleidung an, packte den Rucksack und gab ihm sein Portemonnaie mit. Schließlich wurde er in den Hubschrauber gehoben und ein langes Seil an seinem Gürtel befestigt. Nach zwanzig Minuten wurde fahrplanmäßig das große Hallentor geöffnet, und der Hubschrauber wurde von den Männern circa fünfzig Meter vor die Halle geschoben. Dann stiegen die Piloten ein und ließen kurze Zeit später die Turbine an.
Die Flugroute führte links an Bern vorbei nach Spiez über Kandersteg und Leukerbad ins Rhonetal. Es ging weiter über Brig, Locarno und Lugano bis nach Como in Oberitalien. Das Cockpit wurde nur von den Instrumenten erleuchtet. Auf dem Rücksitz saß der Anführer aus dem BMW neben dem toten Hennings. Er beleuchtete mit einer Taschenlampe eine Landkarte, die auf seinen Knien lag. Der Helikopter befand sich mittlerweile über dem Daubensee in fast dreitausend Meter Höhe. Der Pilot ging in der klaren, mondlosen Nacht auf zweitausendfünfhundert Meter runter, ohne der Flugüberwachung Bescheid zu geben. Er wusste, dass man an dieser Stelle seine Höheninformation nicht nachprüfen konnte. Sie näherten sich der Gemmi, einer nach Norden hin steil abfallenden Felswand. An deren Fußende lag der berühmte Thermalbadeort Leukerbad.
Vorsichtig wurde der tote Körper am Seil heruntergelassen. Keiner sprach ein Wort. Der Anführer ließ das Seil schnell über die Rolle laufen. Der Tote baumelte einhundertfünfzig Meter unter dem Hubschrauber. Noch einmal verlangsamte der Pilot die Fluggeschwindigkeit. Auf ein Zeichen schoss der Hubschrauber nach oben, und der Spezialknoten, an dem Hennings hing, öffnete sich. Das Seilende sauste durch den Gürtel und gab den Toten frei. Er fiel wie ein Stein in die Gemmi und schlug etliche Male hart auf den Felsvorsprüngen auf. Dann schraubte sich der Helikopter auf seine planmäßige Flughöhe hoch und setzte den Flug fort.
Nach vier Tagen entdeckte ein Bergwanderer die Leiche.
8. Beijing (China); Juli 2013
Die Sitzung des Exekutivkomitees unter der Leitung von Staatssekretär Hoa Yuan wurde diesmal in den Räumen des Zweiten Parteisekretärs abgehalten, der für die Koordination der Geheimdienste verantwortlich war und dem das Ministerium für Staatsschutz unterstellt war. General Yiang Won, der zweite Teilnehmer, vertrat in der heutigen Sitzung den Minister für Staatsschutz. Die Geheimdienstarbeit für das Ausland war in China nicht zersplittert wie in anderen Ländern: Die Führungsrolle der Militärs für die Auslandsaufklärung wurde nie angefochten, sodass auch die Sammlung von Erkenntnissen für den Aufbau der nationalen Wirtschaft immer mit und von Militärs gesteuert blieb. Jeder eigenmächtige Versuch des für den Aufbau der nationalen Wirtschaft zuständigen Ministeriums, eine eigene Auslandsaufklärung aufzubauen, wurde sofort mit schwerwiegenden Folgen für den zuständigen Minister zerschlagen.
General Fong Yu war als Leiter der Abteilung für Industriebeobachtung im Ministerium für Staatsschutz der dritte Teilnehmer. Er hatte während der letzten Monate Aufträge zu umfangreichen Operationen im Ausland erhalten, damit China schnell in den Besitz der neu entwickelten Terminatortechnologie kommen würde. Dazu wurden ihm umfangreiche Befugnisse und die besten Männer und Frauen zur Seite gestellt. Der Vorteil dieser Vorgehensweise war, dass die Verklammerung der Verantwortung für Aufklärung und verdeckte Operationen sehr erfolgreich war. Lij Ying, der vierte Teilnehmer, vertrat das Zentralkomitee für Sonderprojekte.
„Danke, dass Sie alle gekommen sind“, eröffnete Hoa als Ältester die Sitzung des Exekutivkomitees. „Dank der hervorragenden Arbeit von General Fong und seinem Team haben wir seit einer Woche alle erforderlichen Unterlagen zur Terminatortechnologie in unserm Besitz. Wir konnten durch unseren Vorschlag die Forschung zu diesem Thema bei SEEDAGRO praktisch zum Erliegen bringen. Unser Vorsprung ist enorm angewachsen. Meine Herren: Damit können wir die Phase eins der Operation, nämlich in den Besitz des gentechnischen Verfahrens zur Züchtung von Terminatorpflanzen zu gelangen, innerhalb kürzester Zeit abschließen. General Fong ist mit äußerster Vorsicht, aber auch mit Brillanz vorgegangen. Wir haben keine verwertbaren Spuren in Mexiko und in der Schweiz hinterlassen; unsere Teams waren in jeder Situation hervorragend vorbereitet“, schloss Hoa ab und sah zu General Yiang.
Yiang warf einen steifen Blick in die Runde und nickte kurz.
„Meine Herren, der Minister ist stolz auf unsere Leistung. Aber wir stehen trotz dieser Erfolge erst am Anfang einer noch viel spannenderen Entwicklung. Jetzt geht es um den Kampf der Vorherrschaft. Und diese zweite Phase wird viel anstrengender, als wir alle befürchten. Doch dieser Kraftakt ist notwendig, um unseren Anspruch zu verwirklichen. Wir haben bereits vor zwei Jahren begonnen, in Qjing Dao unser neues gentechnisches Forschungslabor für Pflanzenzüchtung aufzubauen. Es ist inzwischen fertig gestellt. Wir haben dafür die besten Wissenschaftler unseres Landes verpflichten können. Für das Institut wurden alle Voraussetzungen geschaffen, um im großen Maßstab die Terminatortechnologie zu entwickeln. Wegen der hervorragenden Erfolge von General Fong haben wir beschlossen, dass er auch die zweite Phase vollverantwortlich betreut. Die letzten Wochen und Monate waren sehr anstrengend. Die Operation in Mexiko wäre beinahe missglückt, weil das Landwirtschaftsministerium auf die Beschwerden der Bauern reagierte und die Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl gegen Hennings ausstellte. Fast wäre Hennings hinter Gittern verschwunden. Fong musste dafür sorgen, dass Hennings von der drohenden Verhaftung erfuhr, um der Staatsanwaltschaft zuvorkommen zu können. Nur gut, dass Hennings schnell reagierte und Mexiko sofort verließ. Die Lektion, die er Helfiger und Durrance von SEEDAGRO erteilte, war derart durchschlagend, dass sein Angebot, alle Unterlagen von Hennings zu kaufen, bei beiden Herren schnell auf Resonanz stieß. Sie schienen wirklich in großen Schwierigkeiten zu sein, denn als Fong ihnen versprach, auch eine Lösung für das Problem Hennings zu finden, waren sie rasch einverstanden. Die Überprüfung der Unterlagen, die Durrance an ihn weitergegeben hatte, stieß bei unseren Experten auf großes Erstaunen. Hennings Terminatortechnologie war für alle totales Neuland. Totales Neuland dürften für die Herren Durrance und Helfiger auch die Cayman Islands sein, aber ihre auf geheimen Konten deponierten zwanzig Millionen Euro Guthaben dürften sie über ihre Heimat hinwegtrösten.“
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