Zu jedem Fahrzeug wird ein CPA 14von 5 nm gehalten, sollte das Fahrzeug der eigenen Kursänderung folgen, sprich sich annähern, soll sofort der Kapitän und die Maschine informiert sowie eine entsprechende Kursänderung vorgenommen werden.
1.4 Erstellung eines Notfallplans
Es ist ratsam, für den Transit durch ein gefährdetes Gebiet unter Konsultierung des SSP und internationaler Ratgeber (wieder ein Verweis auf die Best Management Practices) einen separaten und detaillierten Plan aufzustellen, welcher alle Maßnahmen zur Vorbereitung und Durchführung des Transits dokumentiert. Zu diesem Plan gehört auch eine Musterliste für den Fall eines tatsächlichen Überfalls, welche Folgendes beinhaltet:
- Festlegen der Brückenbesetzung und Aufgabenverteilung
- Festlegen eines Sammelplatzes bzw. eines sicheren Raumes (Zitadelle) und bestimmen einer verantwortlichen Person, welche die Mannschaft mustert und Bericht an die Brücke gibt.
- Bestimmung zweier Personen, welche nach dem Alarm die Schotten innerhalb der Aufbauten abgehen und kontrollieren, ob alle Schlösser verriegelt sind. Gegebenenfalls kann dies auch die Brückenbesatzung machen, welche im Notfall abgelöst wird.
Im Folgenden als Beispiel der Plan auf der HS, welcher sich während des Angriffes als effizient erwiesen hat:
Bei Sichtung eines Skiffs wird folgender Alarm gegeben:
Ein langer Ton und die Durchsage: „Vessel under Pirates Attack !“
Auf der Brücke:
Kapt. - hat das Kommando, (sollte) entsprechende Ruder- und Maschinenkommandos geben.
1. Offizier - assistiert dem Kapitän, schaltet AIS ein, hält das Skiff in Sicht und versorgt den Kapitän mit entsprechenden Informationen; empfängt den Bericht von der Zitadelle über die Vollzähligkeit der Mannschaft.
2. Offizier - aktiviert das SSAS 15, führt die Notfallkommunikation durch; leitet die erhaltenen Informationen an die Schiffsführung weiter
(wichtig: Liste mit entspr. Telefon- und Faxnummern anfertigen,
GMDSS 16-Equipment vorbereiten, Faxvordruck bereithalten für eine Dokumentation des Angriffes, diese ist wichtig für die Behörden um Angriffe auszuwerten und die internationalen Ratgeber zu aktualisieren).
Matrose – Rudergänger.
In der Zitadelle:
3. Offizier - mustert die Mannschaft, leitet Bericht an die Brücke weiter.
In der Maschine:
Leitender Ing., zweiter Ing., technischer Offiziersassistent und Elektriker.
Kontrolle der Aufbauten:
Bootsmann und Matrose - wie erwähnt kann dies auch von der abgelösten Brückenbesatzung geschehen, was auf der HS jedoch nicht möglich war, da es keinen zusätzlichen Ausguck gab.
Rest der Mannschaft:
Sofort alle Arbeit stehen lassen und ohne Umwege in der Zitadelle anmustern.
Der Ablauf dieses Plans hat sich auf der Hansa Stavanger durchaus bewährt, alles ging schnell und zügig.
Dies lag unter anderem an dem Training der Mannschaft, was nach wie vor einer der wichtigsten Punkte in der Vorbereitung ist.
1.5 Training der Mannschaft
Dies beinhaltet regelmäßige Besprechungen über die derzeitige Gefahrenlage sowie die bordseitigen Maßnahmen, diesen entgegenzutreten.
Der Ablauf der Notfallprozeduren muss besprochen werden, die Mannschaft hat sich im Einzelnen über ihre Aufgaben im Klaren zu sein. Dies soll anhand praktischer Übungen entsprechend des Notfallplans trainiert werden. Neben diesen Übungen soll nicht nur die Abwehr von Angriffen besprochen werden, sondern auch das Verhalten nach einer Kaperung, der Umgang mit den Piraten und das Verhalten bei einer Militäraktion.
HS: Die Mannschaft der Hansa Stavanger hatte aufgrund wöchentlicher und ausführlicher Trainings, welche nicht nur in Form von großen Übungen das Zusammenspiel der Mannschaft übten, sondern auch in Form von Unterricht in kleinen Gruppen das Wissen und die Fähigkeiten einzelner Person stärkten, einen hohen Standard an Sicherheitsbewusstsein und Einsatzbereitschaft. Daher konnten wir unsere Belehrung und Übung zur Piratengefahr auf eine professionelle Mannschaft zurechtschneiden und uns auf das Wesentliche konzentrieren.
Wie bereits erwähnt, lief die Umsetzung des Notfallplans während des Angriffes gut und war durchaus effektiv, doch es gab ein paar Rahmenbedingungen, die es zu verbessern gegeben hätte - dazu mehr im folgenden Punkt.
Grundsätzlich sollte man zwischen passiven und aktiven Maßnahmen unterscheiden.
Unter passiver Abwehr kann jegliche Art von Hindernissen verstanden werden, welche es den Piraten erschweren, an Bord und an die Mannschaft zu gelangen. Passive Maßnahmen sind meist festinstalliert und benötigen keine direkte Bedienung durch die Mannschaft. An Bord der HS:
- Stacheldraht um die Reling
- Ausbringen von Feuerschläuchen
- Verriegeln der Schotten der Aufbauten
Da diese Maßnahmen bekanntlich wenig Erfolg hatten (es sei daran erinnert, dass ein Schiff wie die HS bisher außerhalb der gefährdeten Schiffstypen lag), sollten diese Vorbereitungen verstärkt werden.
Anmerkung: Um Verwechselungen zu vermeiden: Im folgenden Punkt schreibe ich über Verbesserungen, u. a. basierend auf meinen Erfahrungen mit den somalischen Piraten, näherer Beschäftigung mit der Materie und der Möglichkeit, meine neu gewonnenen Einschätzungen während des Einsatzes nach der „Hansa Stavanger“ in der Praxis anzuwenden. Es geht im Folgenden NICHT um die Absicherung der Hansa Stavanger.
In der Zeit einer meiner letzten Einsätze und einer damit verbundenen Passage durch den Golf von Aden haben wir vor allem die Aufbauten komplett abgeriegelt. Zum einen mit Stacheldraht, zum anderen mit fest geschweißten Gittern. Sollten Piraten tatsächlich boarden, werden sie es nicht schaffen, zur Brücke zu kommen bzw. in die Aufbauten und an die Mannschaft zu gelangen. Generell kann man sich darauf einstellen, dass der erste Weg der Piraten hoch zur Brücke führt. Von dort zwingen sie das Brückenteam zum Aufstoppen und fordern den Rest der Mannschaft auf die Brücke.
Es ist daher sinnvoll, eine sichere Zitadelle zu schaffen, in welche sich die Brückenbesatzung zurückziehen kann. Von dieser Zitadelle aus kann dann Kontakt zu den entsprechenden Behörden aufgenommen werden, welche daraufhin veranlassen, dass Marinekräfte das Schiff gewaltsam befreien.
Um einen sicheren Weg des Teams auf der Brücke zu gewährleisten, soll es den Piraten so schwer wie möglich gemacht werden, hoch zur Brücke zu kommen. Alle Schotten zu verriegeln sollte die geringste Maßnahme sein, sinnvoller ist es, eher die Aufbauten zu verbarrikadieren, wenn möglich noch so, dass Sicherheitsaspekte wie Brandabwehr etc. nicht beeinträchtigt werden.
Erstellen Sie mindestens drei Sicherheitsbereiche auf Ihrem Schiff.
Der erst stellt die Bordwand des Schiffes dar. Sorgen Sie hier für den größtmöglichen Freibord. Außenbords sollten die Feuerlöschschläuche, welche nur zur zusätzlichen Störung der Piraten dienen, sie aber nicht aufhalten werden, so angebracht sein, dass sie einander abdecken und eng an der Bordwand anliegen. Die Reling sollte mit Stacheldraht abgesichert sein. Das Sinnvollste ist es, eine Rolle Stacheldraht, besser Natodraht, entlang der Reling zu ziehen, gegebenenfalls auf Stellagen, die außenbords zeigen.
Der äußerste Sicherheitsbereich, den Sie absichern müssen, ist also das Deck, der zweite Bereich sind die Aufbauten, zu welchen Sie den Zugang durch Piraten verhindern müssen. Dies hängt selbstverständlich von der Konstruktion des Schiffes ab, daher kann ich hier keinen Standardplan geben, lediglich ein paar Hinweise.
Der erste Tipp ist, die Somalis niemals zu unterschätzen, wenn Sie meinen „da würde ich nie durchkommen“, vergesse Sie nicht, dass Sie vermutlich mehr als 50 kg wiegen … Die somalischen Piraten sind unheimlich dünn, die meisten haben Oberschenkel wie unsereins Oberarme hat (Bodybuilder ausgenommen). Sie sind sehr gelenkig und vor allem während des Angriffs gehen sie sehr entschlossen vor. Beobachtet man sie allein schon, wenn sie in den Containerbuchten rumklettern, um in einen aufgebrochenen Container zu gelangen, hat man den Eindruck, dass sie nicht besonders zögerlich und sehr geschwind sind im Klettern.
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