Der Kaiser mit seinen vornehmsten Beamten kam selbst und beide Betrüger hoben den einen Arm in die Höhe, gerade, als ob sie etwas hielten, und sagten: „Seht, hier sind die Beinkleider! hier ist das Kleid! hier der Mantel!“ und so weiter. „Es ist so leicht wie Spinnewebe; man sollte glauben, man habe nichts auf dem Körper, aber das ist gerade die Schönheit dabei!“
„Ja!“ sagten alle Beamte, aber sie konnten nichts sehen, denn es war nichts.
„Belieben Ew. kaiserliche Majestät Ihre Kleider abzulegen,“ sagten die Betrüger, „so wollen wir Ihnen die neuen hier vor dem großen Spiegel anziehen!“
Der Kaiser legte seine Kleider ab, und die Betrüger stellten sich, als ob sie ihm ein jedes Stück der neuen Kleider anzögen, welche fertig genäht sein sollten, und der Kaiser wendete und drehte sich vor dem Spiegel.
„Ei, wie gut sie kleiden, wie herrlich sie sitzen!“ sagten alle. „Welches Muster! welche Farben! Das ist ein kostbarer Anzug!“ –
„Draußen stehen sie mit dem Thronhimmel, welche über Ew. Majestät getragen werden soll!“ meldete der Oberceremonienmeister.
„Seht, ich bin ja fertig!“ sagte der Kaiser. „Sitzt es nicht gut?“ und dann wendete er sich nochmals zu dem Spiegel; denn es sollte scheinen, als ob er seine Kleider recht betrachte.
Die Kammerherren, welche die Schleppe tragen sollten, griffen mit den Händen gegen den Fußboden, als ob sie die Schleppe aufhöben, sie gingen und thaten, als hielten sie etwas in der Luft; sie wagten es nicht, es sich merken zu lassen, daß sie nichts sehen konnten.
So ging der Kaiser unter dem prächtigen Thronhimmel, und alle Menschen auf der Straße und in den Fenstern sprachen:[263] „Wie sind des Kaisers neue Kleider unvergleichlich! Welche Schleppe er am Kleide hat! Wie schön sie sitzt!“ Keiner wollte es sich merken lassen, daß er nichts sah; denn dann hätte er ja nicht zu seinem Amte getaugt, oder wäre sehr dumm gewesen. Keine Kleider des Kaisers hatten solches Glück gemacht als diese.
„Aber er hat ja gar nichts an!“ sagte endlich ein kleines Kind. „Hört die Stimme der Unschuld!“ sagte der Vater; und der eine zischelte dem andern zu, was das Kind gesagt hatte.
„Aber er hat ja gar nichts an!“ rief zuletzt das ganze Volk. Das ergriff den Kaiser, denn das Volk schien ihm recht zu haben, aber er dachte bei sich: „Nun muß ich aushalten.“ Und die Kammerherren gingen und trugen die Schleppe, die gar nicht da war.
Die Prinzessin auf der Erbse
Es war einmal ein Prinz, der wollte eine Prinzessin heiraten, aber es sollte eine wirkliche Prinzessin sein. Da reiste er in der ganzen Welt herum, um eine solche zu finden, aber überall war da etwas im Wege. Prinzessinnen gab es genug, aber ob es wirkliche Prinzessinnen waren, konnte er nicht herausbringen, immer war etwas, was nicht in der Ordnung war. Da kam er wieder nach Hause und war ganz traurig, denn er wollte doch gern eine wirkliche Prinzessin haben.
Eines Abends zog ein furchtbares Wetter auf; es blitzte und donnerte, der Regen stürzte herunter, es war ganz entsetzlich. Da klopfte es an das Stadtthor, und der alte König ging hin, aufzumachen.
Es war eine Prinzessin, die draußen vor dem Thore stand. Aber, wie sah sie vom Regen und dem bösen Wetter aus! Das Wasser lief ihr von den Haaren und Kleidern herunter, und lief in die Schnäbel der Schuhe hinein und aus den Hacken wieder heraus, und sie sagte, daß sie eine wirkliche Prinzessin sei.
„Ja, das werden wir schon erfahren!“ dachte die alte Königin, aber sie sagte nichts, ging in die Schlafkammer hinein, nahm alle Betten ab und legte eine Erbse auf den Boden der Bettstelle. Darauf nahm sie zwanzig Matratzen, legte sie auf die Erbse, und dann noch zwanzig Eiderdunenbetten oben auf die Matratzen.
Da sollte nun die Prinzessin die ganze Nacht liegen.
Am Morgen wurde sie gefragt, wie sie geschlafen habe.
„O, schrecklich schlecht!“ sagte die Prinzessin. „Ich habe meine Augen die ganze Nacht nicht geschlossen! Gott weiß, was da im Bette gewesen ist. Ich habe auf etwas Hartem gelegen, sodaß ich ganz braun und blau über meinem ganzen Körper bin! Es ist ganz entsetzlich!“
Nun sahen sie wohl, daß es eine wirkliche Prinzessin war, da sie durch die zwanzig Matratzen und die zwanzig Eiderdunenbetten die Erbse verspürt hatte. So empfindlich konnte niemand sein, außer einer wirklichen Prinzessin.
Da nahm der Prinz sie zur Frau, denn nun wußte er, daß er eine wirkliche Prinzessin besitze, und die Erbse kam auf die Kunstkammer, wo sie noch zu sehen ist, wenn sie niemand genommen hat.
Sieh, das ist eine wahre Geschichte.
Es war einmal eine Stopfnadel, die sich so fein dünkte, daß sie sich einbildete, eine Nähnadel zu sein.
„Seht nur darauf, daß Ihr mich haltet!“ sagte die Stopfnadel zu den Fingern, die sie hervornahmen. „Verliert mich nicht! falle ich hinunter, so ist es sehr die Frage, ob ich wieder gefunden werde, so fein bin ich!“
„Das geht noch an!“ sagten die Finger, und faßten sie um den Leib.
„Seht Ihr, ich komme mit Gefolge!“ sagte die Stopfnadel, und dann zog sie einen langen Faden nach sich, der aber keinen Knoten hatte.
Die Finger richteten die Stopfnadel gerade gegen den Pantoffel der Köchin, an dem das Oberleder abgeplatzt war und jetzt wieder zusammengenäht werden sollte.
„Das ist eine gemeine Arbeit!“ sagte die Stopfnadel, „ich komme nie hindurch, ich breche! ich breche!“ – und da brach sie. „Habe ich es nicht gesagt?“ seufzte die Stopfnadel; „ich bin zu fein!“
„Nun taugt sie nichts mehr,“ meinten die Finger, aber sie mußten sie festhalten, die Köchin betröpfelte sie mit Siegellack und steckte sie dann vorn in ihr Tuch.
„Sieh, jetzt bin ich eine Busennadel!“ sagte die Stopfnadel. „Ich wußte wohl, daß ich zu Ehren kommen werde; wenn man etwas wert ist, so wird man auch anerkannt.“ Dann lachte sie innerlich, denn von außen kann man es einer Stopfnadel niemals ansehen, daß sie lacht; da saß sie nun so stolz, als wenn sie in einer Kutsche führe, und sah sich nach allen Seiten um.
„Sind Sie von Gold?“ fragte die Stecknadel, welche ihre Nachbarin war. „Sie haben ein herrliches Äußere und Ihren eigenen Kopf, aber klein ist er! Sie müssen darnach trachten, daß derselbe wächst, denn man kann nicht allen das Ende mit Lack betröpfeln!“ Und darauf hob sich die Stopfnadel so stolz in die Höhe, daß sie aus dem Tuch in die Gosse fiel, gerade als die Köchin spülte.
„Nun gehen wir auf Reisen,“ sagte die Stopfnadel; „wenn ich nur nicht dabei verloren gehe!“ Aber sie ging verloren.
„Ich bin zu fein für diese Welt!“ sagte sie, als sie im Rinnstein saß. „Ich habe ein gutes Bewußtsein, und das ist immer ein kleines Vergnügen!“ Die Stopfnadel behielt ihre Haltung und verlor ihre gute Laune nicht.
Es schwamm allerlei über sie hin, Späne, Stroh und Stücken von Zeitungen. „Sieh, wie sie segeln!“ sagte die Stopfnadel. „Sie wissen nicht, was unter ihnen steckt. Ich stecke, ich sitze hier. Sieh, da geht nun ein Span, der denkt an nichts in der Welt, ausgenommen an einen ›Span‹, und das ist er selbst; da schwimmt ein Strohhalm, sieh, wie der sich schwenkt, wie der sich dreht! Denke nicht soviel an Dich selbst, Du könntest Dich an einen Stein stoßen. Da schwimmt eine Zeitung! – Vergessen ist, was darin steht und doch macht sie sich breit! Ich sitze geduldig und still; ich weiß was ich bin, und das bleibe ich!“
Eines Tages lag etwas dicht neben ihr, was herrlich glänzte, und da glaubte die Stopfnadel, daß es ein Diamant sei, aber es war ein Glasscherben, und weil derselbe glänzte, so redete die Stopfnadel ihn an und gab sich als Busennadel zu erkennen. „Sie sind wohl ein Diamant?“ – „Ja, ich bin etwas der Art!“ Und so glaubte eins vom andern, daß sie recht kostbar seien, und dann sprachen sie darüber, wie hochmütig die Welt sei.
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