8. Mein Stiefbruder, der kleine Trottel
Mein Stiefbruder, Herbert, 1965 geboren, der ja zweieinhalb Jahre nach mir auf die Welt kam, hatte von Anfang an einen Vater und eine Mutter. Was er im Gegensatz zu mir dadurch entwickeln konnte, war das für einen Menschen so wichtige Urvertrauen. Er wurde nicht wie ich vom ersten Tag abgeschoben und darüber hinaus wurde ihm Zuneigung entgegengebracht. Das ist ein Vorteil, der mit nichts auf der Welt aufzuwiegen ist, da das Urvertrauen eine elementar wichtige Eigenschaft im Leben eines Menschen ist. Davon habe ich auf Grund meiner ersten Jahre mit Sicherheit weniger als er.
Als Kind hat klein Doofi im Gegensatz zu mir gerne mit Puppen gespielt und auch seinen eigenen Kinderwagen gehabt. Mir waren Matchbox-Autos, Legos und Laubsäge lieber.
Allerdings hat er Eigenschaften, die Gott sei Dank an mir vorüber gegangen sind. Da ist zum einen seine ziemlich eingeschränkte Intelligenz. Mit Ach und Krach hat er den qualifizierten Hauptschulabschluss hinbekommen. Als Schüler saß er zuhause an den Hausaufgaben und brachte rein gar nichts zustande. Bei jeder Aufgabe, ich erinnere mich konkret an Textaufgaben in Mathe, saß der kleine Dummkopf da und heulte, wenn die Aufgabe sich vor ihm auftürmte wie der Mount Everest vor einem Spaziergänger im Wattenmeer.
Im Gegensatz zu mir, der ja alleine zu seinen Bewerbungsgesprächen ging, wurde klein Doofi von Mami und Papi begleitet. Das erste Bewerbungsgespräch fand bei einem Zahntechniker statt. Er lehnte ihn mit der Begründung ab, dass er wohl die Berufsschule nicht schaffen würde. Die zweite Anlaufstelle, zu der Trottel Herbert, eskortiert von Mami und Papi, ging, war eine Spedition. Dort hatte er Glück und konnte eine Lehre zum Speditionskaufmann machen. Den Berufsschulteil schaffte er wieder gerade so mit Hängen und Würgen.
Ansonsten hat dieser Idiot einige negative Eigenschaften seines Erzeugers mit auf den Weg bekommen. Da ist zum einen der Umgang mit Geld zu nennen. Sein ganzes Leben lang hat er es so zum Fenster rausgeschmissen, wie es reinkam. Und reinkommen tut es auch heute noch zum Teil durch Mutter, z. B. wenn er sich ein neues Auto einbildet. Das ist eine Parallele zum seinen Vater, dem Stück Schieße, dass sehr auffällig ist. Der Apfel fällt eben nicht weit vom Zaun!
Beruflich hat er, genauso wie sein Vater nichts erreicht. Er sitzt an seinem Schreibtisch und disponiert seit seinen beruflichen Anfängen LKWs, d. h. er plant ein, wo diese eben hinfahren sollen, um be- oder entladen zu werden. Ein mehr an Herausforderung hat er stets abgelehnt.
Hassen tue ich, dass er seine hierarchische Stellung innerhalb der „Familie“ immer gegen mich ausgenutzt hat. Seine Ex-Frau Hanna sagte mir mal, dass er mich für einen Dummkopf halte. Da halte ich ihn schon für den wesentlich größeren Dummkopf, allerdings hatte er eben das Glück, Vater und Mutter zu haben.
Er und seine Kinder, denen ich genauso gleichgültig war wie ihm, sind mir schlicht und einfach egal.
Ich habe meine ganze Kindheit im Gegensatz zu ihm um Anerkennung gebuhlt. Oftmals habe ich mir gewünscht, dass ich einen Vater wie die Nachbar Jungs hätte. Sicher wurden die, das brachte die damalige Zeit mit sich, auch streng erzogen. Aber sie waren eben deren Kinder und letztendlich wurden sie geliebt von ihren Eltern.
9. Wie erfuhr ich überhaupt von meinem leiblichen Vater?
Eines Tages kam ich von der Schule heim und setzte mich wie immer an den Tisch in der Küche zum Mittagessen. Ich weiß es nicht mehr genau, aber ich glaube, ich war ca. 8 bis 9 Jahre alt. Meine Mutter setzte sich mit einem Bild zu mir. Auf dem Bild war ich als 2-Jähriger mit meinem Stiefvater auf einer Wiese zu sehen. Meine Mutter erklärte mir, dass der Mann auf dem Bild, mein Stiefvater und nicht mein richtiger Vater ist. Mein richtiger Vater wäre ein Johann Meier, den sie mal gekannt hatte. Ich war verstört und konnte mit der Mitteilung meiner Mutter nichts anfangen.
Ganz offensichtlich hatten meine Mutter und mein Stiefvater bereits darüber gesprochen, wie mir der Sachverhalt bezüglich meines richtigen Vaters beigebracht werden sollte. Mein Stiefvater wollte offensichtlich, dass er mit dabei ist, wenn ich es erfahre. Meine Mutter hat dann wohl über seinen Kopf hinweg gehandelt, was ihn sehr verärgert hat.
10. 200 DM von meinem Kindersparbuch geliehen, ohne Zinsen nach 20 Jahren zurückbekommen – Diebstahl! Ich habe es trotzdem zu etwas gebracht!
Ich verwaltete mein Sparbuch, das bei der Stadtsparkasse angelegt war, seit meinem 16. Geburtstag selbst. Ich konnte die überschaubaren Kontobewegungen sehen, bei denen zur damaligen Zeit nur der Buchungstag, die Valuta und der Betrag sichtbar waren. Einen Verwendungszweck gab es damals noch nicht. Eines Tages, ich muss so um die 20 gewesen sein, fragte ich meine Mutter, warum 1965 200 DM von meinem Sparbuch abgehoben wurden. Meine Mutter antwortete mir, dass sie und ihr Mann damals 1965 von meinem Kindersparbuch die 200 DM abgehoben hatten, als sie in die neue 3-Zimmer-Wohnung zogen. Das Geld wurde für Küchenhängeschränke verwendet, da nur eine Küchenzeile eingebaut war. Sie meinte, dass es jetzt wohl an der Zeit wäre, mir das Geld zurück zu zahlen und so bekam ich nach 18 Jahren 200 DM ohne Zins und ohne Dank in die Hand gedrückt; war wohl selbstverständlich für dieses Pack, dass es sich bei mir bedient. Wehren konnte ich mich ja wieder einmal mehr nicht.
Wenn man über die gesamte Laufzeit einen über die Jahre im Mittel durchaus üblichen Zinssatz von 8% zugrunde legt, kommen bei einer Anlage von 200 DM nach 18 Jahren 799,20 DM raus. Das wäre mein Kapital gewesen. So startete ich in mein Leben mit dem für einen Neugeborenen unglaublichen Kontostand von -200 DM. Ich weiß nicht, ob sich irgendjemand vorstellen kann, was es mich für Anstrengungen gekostet hat, dort hinzukommen, wo ich heute finanziell bin. Ich gebe zu, Glück gehört auch dazu, aber ich war schlau und hatte drei hervorragende Berater. Ich schloss mit 17, unmittelbar nachdem ich meine Zwangslehre begonnen hatte, eine Lebensversicherung ab. Ich sagte mir, da sparst du monatlich fix was weg, dann kannst du mit dem Rest frei umgehen. Wertvolle Berater waren zum einen Frau Huber und ihr Sohn Wolfram, die eine Agentur für Versicherungen und Finanzanlagen hatten und mich bei Geldanlagen und Immobilienfinanzierungen stets hervorragend beraten und unterstützt hatten. Zum anderen war ein sehr wertvoller Berater mein ehemaliger Vorgesetzter in der Firma, in der ich heute noch arbeite, Rupi Saller, der mir 1993 zum Kauf einer Wohnung riet. Mit dem Kauf dieser Wohnung und weiterer Sparsamkeit legte ich den Grundstein zum Kauf größerer Wohnungen und letztendlich eines ansehnlichen Hauses in einer sehr guten Wohnlage; das kann nicht jeder von sich sagen! Glück und eigenes Dazutun haben mich dort hingebracht, wo ich heute bin. Ich war auch immer realistisch: Auch wenn ein Porsche 911 heute immer noch mein Traum ist, habe ich mir derartige Unvernünftigkeiten immer verkniffen. Die Grundsicherung stand und steht immer noch an erster Stelle. Da gibt es ganz andere Typen, wie z. B. meinen Stiefbruder und dessen bescheuertem Vater, die gerne große neue Autos fuhren, die sie auf Pump oder mit dem letzten Notnagel kauften und bei denen meine Mutter immer kräftig dazugab und wohl im Falle meines Stiefbruders auch heute noch dazugibt.
11. Verbot und Bestrafung wegen Spielens mit Adonis
In meiner Kindheit hatte ich einen Freund, Adonis, der im Nachbarhaus wohnte. Er hatte nette Eltern und eine jüngere Schwester, die Püppi genannt wurde. Adonis war ein ganz normales Kind, er war immer für einen guten Lausbubenstreich gut. Eines Tages verbot mir meine Mutter aus heiterem Himmel, mit Adonis weiterhin Kontakt zu haben. Der sei kein Umgang für mich. Man muss sich das einmal vorstellen, dass einem einfach der Kontakt zu jemandem verboten wird, den man gern mag, wenn man aus dem Haus geht. Ich stelle mir diese Unmöglichkeit gerade bei unserem Patenkind Fredi vor; undenkbar, dass ihm der Umgang mit irgendeinem Freund verboten würde. Jedenfalls hielt ich mich als Kind nicht an dieses Kontaktverbot, da es mich unweigerlich zu meinem besten Freund hinzog. So spielte ich mit ihm vor dem Haus. Als meine Mutter das sah, holte Sie mich in die Wohnung und begann mir den Hintern zu versohlen. Als sie merkte, dass ich das nicht spürte, weil die Lederhose eben einiges abhielt, zog sie mir diese aus und prügelte mich grün und blau. Ich wurde von ihr wegen meiner Hämatome gut eine Woche nicht aus dem Haus gelassen, auch nicht in die Schule. Sie wusste genau, was es bedeutet hätte, hätten mich Nachbarn oder gar Lehrer so gesehen. Ich war damals 7 oder 8 Jahre alt.
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