Aber euer Hund, der is süüüß. Komm mal her, mein Süßer, komm, ich hab noch was für dich.
Also wir fahrn ja immer mal mit unsren großen Amischlitten aufn Hof, aber der Bauer, dem das gehört, der mag das nicht und manchmal gibts da Ärger.
Also, von dem Haus, das weiß ich garnichts, mein Mann, der kennt das besser, der hat erzählt, dass da früher so'n alter Mann gewohnt hat, aber is schon ewig her.
Was wollter denn überhaupt mit so'm alten Kasten? Wollter hier wohn'n?"
Nee, wohnen wollen wir hier eigentlich nicht, eher mal am Wochenende mit ein paar Oldtimerfreunden gemütlich um einen Zapfhahn sitzen und ein schönes Bier bei anregenden Gesprächen trinken.
"Eyy, habter's auch mit Autos, wa? Wir ja auch. Wir hab'n so'n Tick mit den Amischlitten und da treffen wa uns immer mal und dann kommen se von überall mit ihr'n großen Autos und ich sach euch, da is hier richtig was los.
Aber so'n alten Kasten da kaufen, nee, das wär jetzt nichts für uns. Wir sind zwar beide Tischler, aber da kannste dich ja rammdösig renoviern. Und irgendwann willste ja auch mal Feierabend ham, ne. Also, falls'ers kauft, wär's dann 'n Problem, wenn wir da gelegentlich mit den Boliden drauffahrn würdn'?
Was will'n der Alte eigentlich noch dafür haben? Oder spricht man darüber nicht?"
Klar, warum nicht, steht ja schließlich für Jedermann sichtbar im Internet.
"Achtzigtausend soll der Hof kosten."
"Neeee nich? Das meint der aber nich ernst, oder? Für den alten Kasten, der seit zehn Jahr'n leersteht, achtzigtausned? Das issja der Hammer!
Milko, hör ma – ach, übrigens, ich bin die Nadine und das da, das is mein Mann. Und das hier sind unsere Kinder, hey, ihr Süßen, kommt mal her, lernt mal unsere neuen Nachbarn kennen und guckt mal, das ist der Fritz, is der nich süüüß?
Komm mal her, mein Süßer, hier haste noch'n Leckerli und wann wollter unterschreiben?"
Ähhmm, ja, also – eigentlich wollten wir nur mal einen Blick werfen bei nicht ganz so schlechtem Wetter, aber unterschreiben?
Na ja, mal sehen, wir wissen noch nicht so recht.
Ist ja auch viel zu machen an so einem alten Gebäude und die Scheune ist nun auch nicht gerade im allerbesten Zustand.
"Ja, na klar, an so'nem Gemäuer is immer viel zu machen, aber wenner mal'n bisschen Zeit habt und Lust auf'n Bier, also bei uns geht's auch immer ziemlich gesellig zu und dann mal auf gute Nachbarschaft."
Sprach die Janine oder Nadine und wir reisen ab, nachdem wir noch ein Mal ganz kurz und verbotenerweise über das heute sonnige Grundstück geschlappt sind, einen etwas freundlicheren, aber immer noch unglücklichen Eindruck mitgenommen haben und uns auf der Rückfahrt fragen, ob dieser Hof nicht doch ein bisschen zu viel für uns ist.
Was man da alles reinstecken muss.
Andererseits:
Es sind wirklich nur zehn Fahrminuten bis dorthin, die Landschaft scheint ja doch ganz reizvoll zu sein, auf dem Rückweg fällt der durchgehende Fahrradweg auf und ganz ehrlich mal, wir haben doch Zeit.
Es drängt uns nichts und niemand und man muss ja auch nicht zu irgendeiner Zeit fertig sein.
Ja, schon, sicherlich, aber den Rest des Lebens immer nur bauen bauen bauen?
Ohh ja, das wäre genau das Richtige:
Den Rest des Lebens immer nur bauen, bauen, bauen, dazwischen neue Methoden ausprobieren und ab und an vielleicht einfach mal vor dem Haus in der Sonne sitzen und ausspannen, denn das ist auf jeden Fall garantiert, liegt das lange alte Gebäude doch, wie hier in allen Dörfern üblich, längsseitig nach Süden ausgerichtet und die hohen Tannen sorgen sogar noch für einen gewissen Sicht- und Sturmschutz.
Der Traum nimmt irgendwie Gestalt an, so richtig wollen wir es nicht, aber andererseits zieht es uns immer wieder hin zu dem verlassenen Gehöft mit den blinden Scheiben, dem rottigen Haus und der zerrissenen Scheune, bis eines Tages in einem kurzen Moment des Nichtnachdenkens einfach mal eine Mail an den Makler losgelassen wird, ob man denn wohl einen Besichtigungstermin vereinbaren und das ganze Objekt von innen besichtigen könnte.
Der Traum vom Albtraum wird wahr -
Immer noch November 2014
Die Geschwindigkeit, mit der auf die Nachfrage reagiert wird, macht schon fast wieder misstrauisch.
Natürlich kann ein Besichtigungstermin vereinbart werden und zwar jederzeit, ganz nach Belieben.
Wann würde es denn passen? Gibt es eine Telefonnummer?
Die wird hinterlassen und schon am nächsten Tag kommt der Anruf, wann hätten Sie denn Zeit, vielleicht gleich morgen?
Das wäre mitten in der Woche und unsereins muss arbeiten, nach der Arbeit allerdings ist es bereits dunkel und irgendwie...
"Wie wäre es denn mit Sonnabend? Vielleicht am Vormittag?"
Am Sonnabend? Da ist doch Wochenende. Nein, das möchten wir dem armen Makler aber nun wirklich nicht zumuten...
"Das ist kein Problem. Sagen wir: Samstag um elf? Da ist es hell und man kann sich alles in Ruhe ansehen, ohne übermäßig früh aufstehen zu müssen."
Na herzlichen Dank für das Entgegenkommen und der Termin ist gebont.
Zwar sind wir noch lange nicht in dem Stadtium, dass wir auch nur annähernd an eine Kaufentscheidung denken, aber die alten Öfen in den leeren Räumen, mit denen hat das Gehirn sich bereits zu beschäftigen begonnen und gibt jetzt auch keine Ruhe mehr.
Kann man die vielleicht noch benutzen? Was ist mit den Schornsteinen? Wer könnte darüber Auskunft geben?
Na, wer denn wohl! Der Schornsteinfeger natürlich und ruckzuck wird die triste Zeit genutzt, den zuständigen Schornsteinfegermeister für das kleine Dorf ausfindig zu machen.
Wie wunderbar ist doch so ein Internet, in dem sich nicht nur ermitteln lässt, dass der zuständige Meister in diesem Falle eine Meisterin ist, sondern auch sonst alles Mögliche zum Thema Fachwerk, Haltbarkeit, Sanierungsfehler und Bauen nach alter Art zu entdecken ist.
So langsam wird Blut geleckt, das Haus scheint zwar immer noch eine Katastrophe zu sein, die Scheune nicht minder, andererseits aber sind offensichtlich die typischen Kaputtsanierungsfehler, die ein Fachwerkhaus zugrunde richten können, hier vermieden worden.
Kein unnützer Behang am Westgiebel, dafür eine kleine Wölbung der untersten Dachkante, die das Regenwasser von der Wand fernhält, die wiederum dem Wind ausgesetzt nach einem kräftigen Regen schnell wieder abtrocknen kann.
Die Ausrichtung des Langgebäudes nach Süden, wodurch der Bau nicht nur hell, sondern auch nicht dem Westwetter ausgesetzt ist.
Ein kleiner Dachüberstand, gerade mal so bemessen, dass die gesamte Fassade, alle Fenster und das untere Mauerwerk absolut trocken liegen.
Die Balken offenporig und nicht mit irgendwelchen "Schutzanstrichen" übertüncht, die das Holz dem Verfall durch Vergammeln aussetzen würden.
Zum Teil, und das fällt erst beim hundersten Mal Betrachten der Fotos auf, sind sogar noch die alten Sprossenfenster vorhanden, wenn ihnen auch die Glasscheiben abhanden gekommen und durch Plastik ersetzt worden sind.
Liest man sich durch die verschiedenen Fachwerkforen, bekommt man langsam den Eindruck, dieses Haus ist in seiner ganzen Schlichtheit einfach mal so belassen worden, wie es ursprünglich gebaut wurde und jetzt fängt das geleckte Blut an, Begierden zu wecken und wir möchten etwas mehr über die Historie des Ganzen erfahren.
Sonnabend also soll es sein und wenn schon der Makler so freundlich ist, sein Wochenende zu opfern, dann soll er wenigstens ein bisschen verwöhnt werden, weshalb wir beschließen, die erste Besichtigung wird mit Kaffee und Mettbrötchen begleitet.
Ein paar Bekannte und Freunde werden noch informiert und hinzugebeten, die immerhin über einigen Sachverstand verfügen und schließlich die Bezirksschornsteinfegermeisterin kontaktiert mit der harmlosen Frage, ob die alten Öfen in dem alten Gebäude wohl noch weiter betrieben werden dürfen.
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