Keine hübsche Kopfsteinpflasterung, wie man sich einen romatischen Bauernhof gewöhnlich vorstellt.
Einfach nur Matsch, Schlamm, Gestrüpp, Unkraut und darunter verborgen auch noch irgendwelches landwirtschaftliches Gerät, das seine verrosteten Zinken aus dem Unkraut hervorschauen lässt, ganz so, als würde es die Zähne blecken, damit wir recht bald wieder von hier verschwinden.
Gleich dahinter an der Grundstücksgrenze eine zusammengefallene Mauer, deren Steine sich bereits auf den Weg zu der tiefer liegenden Schotterpiste aufgemacht haben.
Brrrrr. Scheußlich. Und dafür achtzigtausend Euro ansetzen!
Uns reicht der erste Eindruck, und wenn wir auch noch so sehr geträumt haben, das hier, das ist kein Traum, das ist ein Albtraum!
Schnell zurück zum warmen Auto und nach Hause in das geheizte saubere Stadthaus.
Auf dem Weg begegnen wir doch noch einem Menschen, der gerade eine neue Schuttladung an der fremden Grundstücksgrenze unter den wilden Tannen ablädt.
"Na? Interessieren Sie sich etwa für den alten Schuppen?
Waren ja schon ein paar Mal Interessenten da, aber die haben alle wieder Reißaus genommen, als sie diese Grotte gesehen haben.
Ist doch das Letzte, so etwas überhaupt noch auf den Markt zu bringen.
Abreißen sollte man den ganzen alten Schrott, wenn Sie mich fragen, und als Bauplätze ausweisen.
Seit zehn Jahren steht dieser alte Kasten da und wir sind nur froh, dass die Tannen inzwischen so hoch gewachsen sind und wir das Elend nicht mehr sehen müssen."
"Und seit wann steht das Ganze zum Verkauf?"
"Wie? Wollen Sie das etwa ernsthaft kaufen? Lassen Sie bloß die Finger davon.
Da ist seit Jahren nichts mehr gemacht worden, seit fünf Jahren versuchen die das zu verkaufen, aber bisher ist nie Einer wiedergekommen.
Kein Wunder bei dem Zustand.
Früher hat da mal ein alter Mann in dem Haus gewohnt, aber der hat ja auch nichts mehr gemacht.
Vor zehn Jahren ist er gestorben und seitdem gammelt das Ding vor sich hin.
Ich warte nur auf den Tag, wo der ganze elende Kasten endlich einstürzt und hier vernünftige Häuser gebaut werden."
"Wie alt ist denn das Haus, wissen Sie das?"
"Wie alt? Keine Ahnung! Interessiert mich auch nicht.
Wir wollen hier unsere Ruhe haben und keine fremden Leute, die womöglich noch Krach machen.
Dort drüben im Gemeindekasten hängt ein Aushang, dass Wohnraum für Flüchtlinge gesucht wird und mir schwant da nichts Gutes.
Meine Frau hat schon gesagt, kauf doch den alten Kasten und dann weg damit, bevor hier noch die Schwatten einziehen.
Also, das wäre ja noch das Letzte, dass man uns hier irgendwelches Volk vor die Tür setzt.
Ansonsten ist das ja ein ganz hübsches Dorf, im Sommer jedenfalls, und gute Anbindung an die Stadt haben wir auch, sogar Schlachter und Bäcker gibt es, aber solches Gesockse vor der Haustür, das will man ja nun wirklich nicht haben."
Sprachs, schnappt sich seinen Eimer und wünscht uns noch einen schönen Tag.
Zehn Jahre steht dieses Haus da ohne alle Pflege? Und ist trotzdem noch nicht zusammengekracht?
Erstaunlich, aber dafür wiederum sieht es jetzt doch nicht so schlecht aus.
Gleich gegenüber ist immerhin ein ähnliches Gebäude völlig in sich zusammengebrochen, aber dieses hier steht noch und da muss man sich ja schon wieder wundern.
Aber egal, dieses Projekt übersteigt unsere Kräfte, die körperlichen und die finanziellen und darum steigen wir nach dem informativen Plausch mit dem nörgelnden Nachbarn ganz schnell ins Auto und verlassen den unwirtlichen Ort.
Ausgeträumt der Traum vom Hof mit Zapfanlage und so schnell wird der auch nicht wieder aufleben, denn so viele Gelegenheiten gibt es leider nicht in der Umgebung und wenn, dann sind die Preise exorbitant.
Zu viele gut verdienende Städter können es sich leisten, einen schicken Hof mit Denkmalschutz- und eigenen Mitteln zu restaurieren und da können wir ganz einfach mal nicht mithalten.
Vergessen wir die Geschichte und machen uns lieber Gedanken, ob nicht mal wieder der Maler kommen müsste, das Wohnzimmer zu streichen oder die Gartengeräte ausgepackt werden sollten, dem Gestrüpp im Hausgarten den Kampf anzusagen.
Das Wochenende geht dem Ende zu, der Montag steht vor der Tür, bei der Arbeit ist es zur Zeit etwas triste, die Stimmung nicht besonders gut und der Geist sehnt sich nach einem gedankenfüllenden Projekt.
Der folgende Freitag glänzt mitten im traurigen November ausnahmsweise mal mit etwas Sonnenschein und plötzlich, wie von einem Magneten angezogen, stehen wir wieder vor dem verlassenen Hof in dem kleinen Dorf unterhalb des kleinen Hügelzuges, der heute, bei besserem Wetter, recht lieblich daherkommt.
Wie auch die Strecke vom Eigenheim bis zum Dorf im Sonnenschein auf einmal einen ganz anderen Eindruck macht.
"Das ist aber eine schöne Landschaft! Schau mal, da vorne, der kleine Hügel, und da hinten, und überhaupt, wie weit man hier über das Land blicken kann."
Nun leben wir schon ein viertel Jahrhundert in unserer kleinen Stadt, aber diese Ecke hier, die war uns bisher irgendwie nicht wirklich bekannt.
Oder zumindest haben wir keine Notiz von der Landschaft genommen, wenn wir hier einmal zufällig durchgekommen sein sollten.
Warum denn auch. Was interessierte uns diese für uns unwichtige Ecke.
Heute ist das anders.
Heute ist Sonne und immerhin könnte man ja noch mal...
Zeitverschwendung! Der Hof wird nicht schöner, nur weil die Sonne scheint.
Aber nun sind wir schon fast da – einen ganz kleinen Blick vielleicht?
Also gut, wir fahren kurz rum, aber wirklich nur ganz kurz. Und auch nur, weil da vorne ein Papiercontainer steht und die alte Pappe muss sowieso entsorgt werden.
Das Dorf erscheint, der Schlachter hat geöffnet, der Bäcker ebenfalls, auf der Straße sind Hundefreunde unterwegs und offensichtlich gibt es sogar ein Restaurant.
Na so was? Hier ist ja richtig was los!
Also gut, ein kleiner Abstecher kann ja nicht schaden und dieses Mal wird ohne Navi der direkte Weg unter Umgehung des nörgelnden Nachbarn gewählt.
Da, links der Straße, der alte Kasten....
Oh jee, das Haus ist wirklich kein Hingucker.
Unten herum Zement, darüber Fachwerk, schon ziemlich kränklich nach unserem Eindruck, diese blinden, plastikgesicherten Fenster -
und schon stehen wir wieder vor dem Hof, dieses Mal mit dem Auto direkt vorgefahren.
Fritz, der Hund, rennt sofort raus und findet seinen angestammten Kackplatz wieder, wie auch sonst der Köter den Hof offensichtlich leiden mag.
Es wird hierhin gerannt und dorthin, sich kurz im Unkraut gewälzt, der Mund zu einem breiten Grinsen verzogen und die Zunge erwartungsvoll herausgehängt.
"Kauft ihr das für mich? Ich find das toll hier. Hier kann ich rennen und mich wälzen und da -"
Schwanzwedelnd rennt das lockige Hundetier auf den Nebenhof, denn dort tritt gerade eine blonde Frau vor die Tür und sogleich ist man best friends.
"Ohhh, du Süßer! Was machst du denn hier? Magst du ein Leckerli? Schau mal, was ich hier habe! Guck mal, wir haben auch so einen, nur viel viel größer", sprichts, öffnet ein Tor und heraus springt eine Mischung aus Schaf und Riesenwolf, der mit seinen langen Gliedmaßen und den noch längeren Zotteln am Körper sofort auf den leerstehenden Hof rennt, einen Riesenhaufen dort absetzt, noch ein bisschen herumtobt und endlich den eigenen sehr erschrockenen Hund schwanzwedelnd und naseleckend begrüßt.
"Naaa? Wollter den alten Kasten kaufen? Wart doch neulich schon mal hier, näch?
Hab euch doch gesehn da oben mit'm Nachbarn, diesem Unsympaten, der ist immer nur am Meckern, auf den muss man nich hörn.
Habter echt Intresse hier an dem Ding? Also, wir wohn'n jetzt ja so an die zehn Jahre hier, aber ich kenn das Haus nur leer und da hat nie jemand was dran gemacht und manchmal wunder ich mich, warum das überhaupt immer noch steht.
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