Hans Fallada - Jeder stirbt für sich allein

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"Jeder stirbt für sich allein" ist Hans Falladas «großer Roman» über den Nationalsozialismus. Fallada schildert das Schicksal eines Berliner Arbeiterehepaares, das sich nach anfänglichem Mitläufertum zum Widerstand gegen das Regime entscheidet. Der Bestseller-Roman gewährt einen tiefen Einblick in den Berliner Lebensalltag während des Dritten Reiches. Die repressive Atmosphäre des Überwachungsstaates wird anhand individueller Lebensläufe deutlich. Deren reale Vorbilder hat Hans Fallada kurz nach dem Krieg aus Gestapoakten rekonstruiert.

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Title Page Hans Fallada Jeder stirbt für sich allein Roman

Vorwort Vorwort Die Geschehnisse dieses Buches folgen in großen Zügen Akten der Gestapo über die illegale Tätigkeit eines Berliner Arbeiterehepaares während der Jahre 1940 bis 1942. Nur in großen Zügen – ein Roman hat eigene Gesetze und kann nicht in allem der Wirklichkeit folgen. Darum hat es der Verfasser auch vermieden, Authentisches über das Privatleben dieser beiden Menschen zu erfahren: er mußte sie so schildern, wie sie ihm vor Augen standen. Sie sind also zwei Gestalten der Phantasie, wie auch alle anderen Figuren dieses Romans frei erfunden sind. Trotzdem glaubt der Verfasser an die innere Wahrheit des Erzählten, wenn auch manche Einzelheit den tatsächlichen Verhältnissen nicht ganz entspricht. Mancher Leser wird finden, daß in diesem Buche reichlich viel gequält und gestorben wird. Der Verfasser gestattet sich, darauf aufmerksam zu machen, daß in diesem Buche fast ausschließlich von Menschen die Rede ist, die gegen das Hitlerregime ankämpften, von ihnen und ihren Verfolgern. In diesen Kreisen wurde in den Jahren 1940 bis 1942 und vorher und nachher ziemlich viel gestorben. Etwa ein gutes Drittel dieses Buches spielt in Gefängnissen und Irrenhäusern, und auch in ihnen war das Sterben sehr im Schwange. Es hat dem Verfasser oft nicht gefallen, ein so düsteres Gemälde zu entwerfen, aber mehr Helligkeit hätte Lüge bedeutet. Berlin, im Oktober 1946 H. F.

1. Die Post bringt eine schlimme Nachricht

2. Was Baldur Persicke zu sagen hatte

3. Ein Mann namens Borkhausen

4. Trudel Baumann verrät ein Geheimnis

5. Enno Kluges Heimkehr

6. Otto Quangel gibt sein Amt auf

7. Nächtlicher Einbruch

8. Kleine Überraschungen

9. Nachtgespräch bei Quangels

10. Was am Mittwochmorgen geschah

11. Es ist immer noch Mittwoch

12. Enno und Emil nach dem Schock

13. Siegestanz im Elysium

14. Sonnabend: Unruhe bei Quangels

15. Enno Kluge arbeitet wieder

16. Das Ende der Frau Rosenthal

17. Die erste Karte wird geschrieben

18. Die erste Karte wird abgelegt

Zweiter Teil. Die Gestapo

19. Der Weg der Karten

20. Ein halbes Jahr danach: Quangels

21. Ein halbes Jahr danach: Kommissar Escherich

22. Ein halbes Jahr danach: Enno Kluge

23. Das Verhör

24. Kommissar Escherich bearbeitet die Sache Klabautermann

25. Frau Hete beschließt

26. Angst und Furcht

27. Emil Borkhausen macht sich nützlich

28. Hübsche kleine Erpressung

29. Ennos Austreibung

30. Emil Borkhausen und sein Sohn

31. Besuch bei Fräulein Anna Schönlein

32. Escherich und Kluge gehen spazieren

Dritter Teil. Das Spiel steht gegen die Quangels

33. Trudel Hergesell

34. Karl Hergesell und Grigoleit

35. Die erste Warnung

36. Der Sturz des Kommissars Escherich

37. Die zweite Warnung

38. Die dritte Warnung

39. Der Herr Kriminalrat Zott

40. Otto Quangel wird unsicher

41. Der alte Parteigenosse Persicke

42. Borkhausen zum drittenmal geprellt

43. Zwischenspiel: Ein Idyll auf dem Lande

44. Kriminalrat Zott gestürzt

45. Kommissar Escherich wieder frei

46. Der verhängnisvolle Montag

47. Montag, der Tag des Kommissars Escherich

48. Die Verhaftung von Anna Quangel

49. Das Gespräch mit Otto Quangel

50. Escherichs Tod

Vierter Teil. Das Ende

51. Anna Quangel im Verhör

52. Die betrübten Hergesells

53. Otto Quangels schwerste Last

54. Anna Quangel und Trudel Hergesell

55. Baldur Persicke macht Besuch

56. Otto Quangels anderer Zellengefährte

57. Das Leben in der Zelle

58. Der gute Pastor

59. Trudel Hergesell, geborene Baumann

60. Die Hauptverhandlung: ein Wiedersehen

61. Die Hauptverhandlung: Präsident Feisler

62. Die Hauptverhandlung: Ankläger Pintscher

63. Die Hauptverhandlung: Zeuge Ulrich Heffke

64. Die Hauptverhandlung: Die Verteidiger

65. Die Hauptverhandlung: Das Urteil

66. Das Totenhaus

67. Die Gnadengesuche

68. Anna Quangels schwerster Entschluß

69. Es ist soweit, Quangel

70. Der letzte Weg

71. Anna Quangels Wiedersehen

72. Der Junge

Impressum

Hans Fallada

Jeder stirbt für sich allein

Roman

Vorwort

Die Geschehnisse dieses Buches folgen in großen Zügen Akten der Gestapo über die illegale Tätigkeit eines Berliner Arbeiterehepaares während der Jahre 1940 bis 1942. Nur in großen Zügen – ein Roman hat eigene Gesetze und kann nicht in allem der Wirklichkeit folgen. Darum hat es der Verfasser auch vermieden, Authentisches über das Privatleben dieser beiden Menschen zu erfahren: er mußte sie so schildern, wie sie ihm vor Augen standen. Sie sind also zwei Gestalten der Phantasie, wie auch alle anderen Figuren dieses Romans frei erfunden sind. Trotzdem glaubt der Verfasser an die innere Wahrheit des Erzählten, wenn auch manche Einzelheit den tatsächlichen Verhältnissen nicht ganz entspricht.

Mancher Leser wird finden, daß in diesem Buche reichlich viel gequält und gestorben wird. Der Verfasser gestattet sich, darauf aufmerksam zu machen, daß in diesem Buche fast ausschließlich von Menschen die Rede ist, die gegen das Hitlerregime ankämpften, von ihnen und ihren Verfolgern. In diesen Kreisen wurde in den Jahren 1940 bis 1942 und vorher und nachher ziemlich viel gestorben. Etwa ein gutes Drittel dieses Buches spielt in Gefängnissen und Irrenhäusern, und auch in ihnen war das Sterben sehr im Schwange. Es hat dem Verfasser oft nicht gefallen, ein so düsteres Gemälde zu entwerfen, aber mehr Helligkeit hätte Lüge bedeutet.

Berlin, im Oktober 1946

H. F.

Erster Teil. Die Quangels

1. Die Post bringt eine schlimme Nachricht

Die Briefträgerin Eva Kluge steigt langsam die Stufen im Treppenhaus Jablonskistraße 55 hoch. Sie ist nicht nur deshalb so langsam, weil ihr Bestellgang sie ermüdet hat, auch weil einer jener Briefe in ihrer Tasche steckt, die abzugeben sie haßt, und jetzt gleich, zwei Treppen höher, muß sie ihn bei Quangels abgeben.

Vorher hat sie den Persickes in der Etage darunter den Schulungsbrief auszuhändigen. Persicke ist Amtswalter oder Politischer Leiter oder sonst was in der Partei – Eva Kluge bringt alle diese Ämter noch immer durcheinander. Jedenfalls muß man bei Persickes „Heil Hitler!“ grüßen und sich gut vorsehen mit dem, was man sagt. Das muß man freilich überall, selten mal ein Mensch, dem Eva Kluge sagen kann, was sie wirklich denkt. Sie ist politisch gar nicht interessiert, sie ist einfach eine Frau, und als Frau findet sie, daß man Kinder nicht darum in die Welt gesetzt hat, daß sie totgeschossen werden. Auch ein Haushalt ohne Mann ist nichts wert, vorläufig hat sie gar nichts mehr, weder die beiden Jungen noch den Mann, noch den Haushalt. Statt dessen hat sie den Mund zu halten, sehr vorsichtig zu sein und ekelhafte Feldpostbriefe auszutragen, die nicht mit der Hand, sondern mit der Maschine geschrieben sind und als Absender den Regimentsadjutanten nennen.

Sie klingelt bei Persickes, sagt „Heil Hitler!“ und gibt dem alten Saufkopp seinen Schulungsbrief. Er hat auf dem Rockaufschlag das Partei- und das Hoheitszeichen sitzen und fragt: „Wat jibt's denn Neues?“

Sie antwortet: „Haben Sie denn die Sondermeldung nicht gehört? Frankreich hat kapituliert.“

Persicke ist durchaus nicht mit ihr zufrieden. „Mensch, Frollein, det weeß ick natürlich; aber Se saren det so, als ob Sie Schrippen vakoofen täten! Det müssen Se zackig rausbringen! Det müssen Se jedem saren, der keenen Radio hat, det überzeugt noch die letzten Meckerköppe! Der zweite Blitzkrieg, hätten wa ooch geschafft, und nu ab Trumeau nach England! In 'nem Vierteljahr sind die Tommys erledigt, und denn sollste mal sehen, wie unser Führer uns leben läßt! Denn können die andern bluten, und wir sind die Herren der Welt! Komm rin, Mächen, trink 'nen Schnaps mit! Amalie, Erna, August, Adolf, Baldur – alle ran! Heute wird blaujemacht, heute wird keene Arbeet anjefaßt! Heute begießen wir uns mal die Neese, und am Nachmittag gehen wa bei de olle Jüdische in de vierte Etage, und det Aas muß uns Kaffee und Kuchen jeben! Ick sare euch, die Olle muß, jetzt kenne ick keen Abarmen mehr!“

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