Keiner sagte etwas. Noch hatten sie Ruhe, aber dass die Russen bald antreten würden war sicher.
„He, kuckt mal“ rief Friedrich „die Stuka kommen zurück!“
In geordneter Formation zogen zwei Staffeln Ju 87 am Himmel entlang. Sie hatten die Bereitstellungsräume der russischen Truppen bombardiert. 6 Me 109 umkreisten die plump wirkenden und langsamen Flugzeuge und drehten wegen ihrer höheren Geschwindigkeit Schleifen. Die Maschinen waren ungefähr zwei Kilometer von Beyer und seinen Leuten entfernt, als aus einer höher hängenden Wolkendecke 8 russische Jäger auf die deutschen Flugzeuge herabstürzten. Es waren Jakowlew Jak 9. Diese Maschinen waren erstmalig in Stalingrad eingesetzt worden und hatten sich den Me 109 als ebenbürtig gezeigt. Aus einer Entfernung von 300 Metern und allen Rohren feuernd nahmen die Russen die Jäger und die Stuka unter Beschuss. Eine Me 109 explodierte in der Luft, einer anderen wurde das Leitwerk zerschossen, und die Maschine trudelte nach unten. 3 Ju 87 waren getroffen worden, bei einer brannte der Motor, der zweiten wurde die linke Tragfläche abgeschossen und die dritte zerbarst in einer Explosion. Die Bordschützen der Junkers feuerten zurück und konnten zwei der russischen Jäger abschießen. Die deutschen und russischen Jagdflieger kämpften jetzt gegeneinander. Zwei Russen nahmen eine Me 109 in die Zange und schossen sie ab. Eine russische Maschine kollidierte mit ihrem Rottenkameraden, beide stürzten ab. Zwei russische Jäger flogen den Pulk der Stuka von vorn unten an, setzten sich unter die Maschinen und jagten die Geschosse ihrer Waffen von schräg unten in die Rümpfe von 2 Ju 87. Beide scherten qualmend aus der Formation aus. Hinter den russischen Jägern waren aber zwei Me 109 her, die die Russen, die im Rausch eines leichten Sieges unvorsichtig waren, aus geringer Entfernung abschießen konnten. Ein weiterer russischer Jäger zog hoch und geriet in die Schussbahnen der Heckschützen-MG der deutschen Sturzkampfbomber. Die Maschine wurde zersiebt und explodierte. Der letzte russische Jäger drehte ab, er wurde von zwei Me 109 verfolgt. Ein einziger Jäger deckte jetzt noch die Bomber. Beyer sah genau, wie eine getroffene Ju 87 immer mehr aus einer stabilen Flugbahn geriet und dann über die linke Tragfläche abkippte. Im gleichen Moment konnte er erkennen, dass Pilot und Bordschütze aus der Maschine herausgekommen waren und absprangen. Einer der Männer stürzte wie ein Stein zu Boden, bei dem anderen öffnete sich der Fallschirm in ungefähr 200 Metern Höhe. Der Mann hing bewegungslos in den Gurten und trieb auf Beyers Panzer zu. In Sichtweite ging er zu Boden. Ohne ein Wort miteinander zu wechseln stürmten die 5 Männer los. Als sie bei dem Mann angekommen waren sahen sie, dass der Fallschirm ihn bedeckt hatte. Bergner zog ihn weg, dann sahen sie den Flieger.
Der Mann lag auf dem Rücken und schaute mit offenen Augen in den Himmel. Seine Brust hob und senkte sich schnell, er atmete röchelnd und Blut trat ihm aus Mund, Nase und Ohren. Auf dem schneebedeckten Boden hatte sich schon eine große Blutlache um seinen Unterkörper gebildet, er musste von Geschossen der russischen Jagdflieger getroffen worden sein, die die Maschinen von unten beschossen hatten. Wie es schien, schaute der Flieger die um ihn hilflos herumstehenden Männer noch einmal an, dann sank sein Kopf zur Seite und er streckte sich.
„Scheiße“ fluchte Lahmann „wenn man so dasteht und nicht helfen kann.“
„Es war keine Hilfe mehr möglich“ erwiderte Friedrich „ihn hätte selbst ein Arzt nicht mehr retten können. Hat wahrscheinlich ein paar Schlagadern zerfetzt, dann bist du bald hinüber.“
„Wie kannst du so locker darüber reden“ fuhr ihn Bergner an „als würde dich das gar nichts angehen. Das war einer von uns!“
„Stimmt schon“ sagte Häber „war einer von uns. Aber jeden Tag sterbn Hunderte, vielleicht tausende. Er hat gekämpft, aber verlorn. So einfach is das. Da brauchste jetze nich so rumheuln. Haste dich schon ma gefragt, ob nich auch de Russn Väter sin oder Söhne? Es is Krieg, gewöhn dir deine Gefühlsduselei ab, sonst drehste durch. S geht darum, dass wir n Krieg gewinn und selber durchkommn. Oder siehste das anders?“
„Anton hat recht“ sagte Fred Beyer „wir können es uns nicht leisten großartig Mitleid aufzubringen oder Gefühle zu entwickeln. Unsere Aufgabe ist zu kämpfen, und den Feind zu vernichten, so einfach ist das. Und wenn wir den Iwan nicht töten, wird er es eben mit uns tun. Pardon wird schon lange nicht mehr gegeben, das solltest du dir sagen, falls wir mal aussteigen müssen und in den Nahkampf kommen. Dann kannst du ja mit deinem Gegner ne Diskussion führen, dass doch alle Menschen Brüder sind. Kennst du das? „Freude schöner Götterfunken, … alle Menschen werden Brüder….“. Kennst du das?“
„Nein.“
„Die 9. Sinfonie von Beethoven. Habe ich in der Schule gelernt. Ist ne schöne Utopie, dass alle Menschen Brüder sind. Das sehen wir doch jeden Tag. Sie oder wir! Denkst du, der Richtschütze im T 34 will uns nicht gut treffen? Wenn er es schafft, bleibt von uns nur noch verbranntes Fleisch übrig wenn die Kiste hochgeht. Wir haben keinen einzigen Grund, in dieser Situation irgendwelche philosophischen Gedanken zu entwickeln, verstanden?“
„Kann der doch sowie so nich“ knurrte Häber „der hat eben kein Abitur.“
„Das musst du gerade sagen“ wehrte sich Bergner „als Hufschmied brauchste wirklich nich viel im Kopf.“
„Schluss jetzt“ rief Beyer „was soll dieses Angepflaume. Habt ihr mich nicht verstanden? Wenn wir fünf nicht perfekt zusammenarbeiten und uns nicht verstehen, dann ist es bald zappenduster. Und zu dir Bergner: Häber ist keinen Deut schlechter als du. Vielleicht hat er eine geringere Bildung, aber er ist ein guter und ehrlicher Mann, wie du auch. Los, nehmt den Mann mit.“
Die vier anderen nahmen den toten Flieger hoch und trugen ihn bis zum Panzer. Fred Beyer sah ihn noch einmal an, dann deckte er den Fallschirm über den Toten. Irgendwann würde er von seinen Leuten abgeholt werden.
Günther Weber, 28. Februar 1943, bei Rostow am Don
Der Angriff der Russen hatte die Marschkolonne der Deutschen vollkommen überraschend getroffen. An der rechten Seite waren wie aus dem Nichts kommend sieben T 34 aufgetaucht und hatten aus 1.500 Metern Entfernung zu feuern begonnen. Die ersten Schüsse lagen noch zu kurz, aber mit der zweiten Salve wurden zwei Schützenpanzerwagen getroffen, beide blieben ruckartig stehen, einer brannte. Drei Zugkraftwagen 3 t mit PAK 40 im Schlepp hatten gestoppt und die Geschütze in Stellung gebracht. Das war nicht einfach gewesen, denn die 1.400 Kilogramm schwere Kanone war nicht einfach zu bewegen. Dennoch hatten die Geschützbedienungen relativ schnell Feuerbereitschaft herstellen können und das Gefecht eröffnet. Die deutschen Schützenpanzerwagen hatten sich panisch im Gelände verstreut und versuchten ihr Heil in der Flucht, gegen die Panzer konnten sie nichts ausrichten. Die T 34 waren noch näher herangekommen und die eingespielten PAK-Bedienungen feuerten jeweils 15 Schuss in der Minute ab. Auf 1.000 Meter durchschlugen die mit knapp 800 Metern in der Sekunde rasenden 6,8 Kilogramm schweren Granaten bei 60 Grad Auftreffwinkel noch 94 Millimeter Panzerstahl. Drei T 34 wurden gestoppt, zwei brannten, die Überlebenden stiegen aus und der dritte explodierte. Die russischen Besatzungen hatten sich jetzt auf die linke PAK konzentriert und die Sprenggranaten explodierten knapp neben dem Schutzschild, töteten drei Männer der Bedienung, verwundeten zwei schwer und warfen die Waffe um. Den beiden anderen PAK war es aber gelungen noch zwei weitere russische Panzer zu vernichten. Die zwei übrig gebliebenen Panzer schossen noch rachsüchtig eine Salve ab aber drehten dann ab. Es gelang noch einmal, einen der sich zurückziehenden Panzer in das Heck zu treffen und dessen Motor zu zerstören. Die Besatzung bootete aus. Als die Deutschen mitbekamen, dass die unmittelbare Gefahr vorbei war, steuerten einige der Schützenpanzerwagen auf die abgeschossenen Panzer zu, um die davongekommenen Besatzungsmitglieder zu töten. Die davonlaufenden Russen waren in dem deckungslosen Gelände gut zu erkennen und die Fahrzeuge hatten die Männer bald eingeholt. Einige blieben stehen und hoben die Arme, sie wurden von den MG-Schützen der SPW erschossen, die anderen wurden schnell eingeholt und ebenfalls getötet. Einer der Fahrer lenkte seinen Schützenpanzerwagen extra so, dass einer der russischen Panzersoldaten unter die rechte Raupenkette geriet und von dieser zermalmt wurde.
Читать дальше