»O du echter Sohn meines Herrn«, rief die Sultanin, »ach! daß ich dich umarmen, dich Sohn nennen dürfte! Verzeihet, mein Gemahl und Gebieter«, sprach sie dann, indem sie sich zum Sultan wandte, »daß ich diese List gegen Euch gebraucht habe; sehet Ihr jetzt noch nicht ein, wer Prinz, und wer Schneider ist; fürwahr, der Kaftan ist köstlich, den Euer Herr Sohn gemacht hat, und ich möchte ihn gerne fragen, bei welchem Meister er gelernt habe?«
Der Sultan saß in tiefen Gedanken, mißtrauisch, bald seine Frau, bald Labakan anschauend, der umsonst sein Erröten und seine Bestürzung, daß er sich so dumm verraten habe, zu bekämpfen suchte. »Auch dieser Beweis genügt nicht«, sprach er, »aber ich weiß, Allah sei es gedankt, ein Mittel zu erfahren, ob ich betrogen bin, oder nicht.«
Er befahl, sein schnellstes Pferd vorzuführen, schwang sich auf, und ritt in einen Wald, der nicht weit von der Stadt begann. Dort wohnte, nach einer alten Sage, eine gütige Fee, Adolzaide geheißen, welche oft schon den Königen seines Stammes, in der Stunde der Not, mit ihrem Rat beigestanden war; dorthin eilte der Sultan.
In der Mitte des Waldes war ein freier Platz, von hohen Zedern umgeben. Dort wohnte, nach der Sage, die Fee, und selten betrat ein Sterblicher diesen Platz, denn eine gewisse Scheue davor, hatte sich aus alten Zeiten vom Vater auf den Sohn vererbt.
Als der Sultan dort angekommen war, stieg er ab, band sein Pferd an einen Baum, stellte sich in die Mitte des Platzes, und sprach mit lauter Stimme: »Wenn es wahr ist, daß du meinen Vätern gütigen Rat erteiltest, in der Stunde der Not, so verschmähe nicht die Bitte ihres Enkels und rate mir, wo menschlicher Verstand zu kurzsichtig ist.«
Er hatte kaum die letzten Worte gesprochen, als sich eine der Zedern öffnete, und eine verschleierte Frau in langen weißen Gewändern hervortrat. »Ich weiß, warum du zu mir kommst, Sultan Saaud, dein Wille ist redlich, darum soll dir auch meine Hülfe werden. Nimm diese zwei Kistchen. Laß jene beiden, welche deine Söhne sein wollen, wählen, ich weiß, daß der, welcher der echte ist, das rechte nicht verfehlen wird.« So sprach die Verschleierte und reichte ihm zwei kleine Kistchen von Elfenbein, reich mit Gold und Perlen verziert; auf dem Deckel, welchen der Sultan vergebens zu öffnen versuchte, standen Inschriften von eingesetzten Diamanten. –
Der Sultan besann sich, als er nach Hause ritt, hin und her, was wohl in den Kistchen sein könnte, welche er mit aller Mühe nicht zu eröffnen vermochte, auch die Aufschrift gab ihm kein Licht in der Sache, denn auf dem einen stand: »Ehre und Ruhm.« Auf dem andern: »Glück und Reichtum.« Der Sultan dachte bei sich, da würde auch ihm die Wahl schwer werden, unter diesen beiden Dingen, die gleich anziehend, gleich lockend seien.
Als er in seinen Palast zurückgekommen war, ließ er die Sultanin rufen, und sagte ihr den Ausspruch der Fee, und eine wunderbare Hoffnung erfüllte sie, daß jener, zu dem ihr Herz sie hinzog, das Kistchen wählen würde, welches seine königliche Abkunft beweisen sollte.
Vor dem Throne des Sultans wurden zwei Tische aufgestellt; auf sie setzte der Sultan, mit eigener Hand, die beiden Kistchen, bestieg dann den Thron, und winkte einem seiner Sklaven, die Pforte des Saales zu öffnen. Eine glänzende Versammlung von Bassas und Emiren des Reiches, die der Sultan berufen hatte, strömte durch die geöffnete Pforte. Sie ließen sich auf prachtvollen Polstern nieder, welche die Wände entlang aufgestellt waren.
Als sie sich alle niedergelassen hatten, winkte der König zum zweitenmal, und Labakan wurde hereingeführt; mit stolzem Schritte ging er durch den Saal, warf sich vor dem Throne nieder, und sprach: »Was befiehlt mein Herr und Vater?«
Der Sultan erhob sich auf seinem Throne und sprach: »Mein Sohn! es sind Zweifel an der Echtheit deiner Ansprüche auf diesen Namen erhoben worden; eines jener Kistchen enthält die Bestätigung deiner echten Geburt, wähle! ich zweifle nicht, du wirst das rechte wählen!«
Labakan erhob sich und trat vor die Kistchen, er erwog lange, was er wählen sollte, endlich sprach er: »Verehrter Vater! was kann es Höheres geben, als das Glück, dein Sohn zu sein, was Edleres, als den Reichtum deiner Gnade? Ich wähle das Kistchen, das die Aufschrift: ›Glück und Reichtum‹ zeigt.«
»Wir werden nachher erfahren, ob du recht gewählt hast, einstweilen setze dich dort auf das Polster, zum Bassa von Medina«, sagte der Sultan, und winkte seinen Sklaven.
Omar wurde hereingeführt; sein Blick war düster, seine Miene traurig, und sein Anblick erregte allgemeine Teilnahme unter den Anwesenden. Er warf sich vor dem Throne nieder, und fragte nach dem Willen des Sultans.
Der Sultan deutete ihm an, daß er eines der Kistchen zu wählen habe, er stand auf und trat vor den Tisch.
Er las aufmerksam beide Inschriften und sprach: »Die letzten Tage haben mich gelehrt, wie unsicher das Glück, wie vergänglich der Reichtum ist, sie haben mich aber auch gelehrt, daß ein unzerstörbares Gut in der Brust des Tapfern wohnt, die Ehre, und daß der leuchtende Stern des Ruhmes nicht mit dem Glück zugleich vergeht. Und sollte ich einer Krone entsagen, der Würfel liegt, Ehre und Ruhm ich wähle euch!« –
Er setzte seine Hand auf das Kistchen, das er erwählt hatte, aber der Sultan befahl ihm einzuhalten, er winkte Labakan gleichfalls vor seinen Tisch zu treten, und auch dieser legte seine Hand auf sein Kistchen.
Der Sultan aber ließ sich ein Becken mit Wasser von dem heiligen Brunnen Zemzem in Mekka bringen, wusch seine Hände zum Gebet, wandte sein Gesicht nach Osten, warf sich nieder und betete: »Gott meiner Väter! der du seit Jahrhunderten unsern Stamm rein und unverfälscht bewahrtest, gib nicht zu, daß ein Unwürdiger den Namen der Abassiden schände, sei mit deinem Schutze meinem echten Sohne nahe in dieser Stunde der Prüfung.«
Der Sultan erhob sich und bestieg seinen Thron wieder; allgemeine Erwartung fesselte die Anwesenden, man wagte kaum zu atmen, man hätte ein Mäuschen über den Saal gehen hören, so still und gespannt waren alle, die Hintersten machten lange Hälse, um über die Vordern nach den Kistchen sehen zu können. Jetzt sprach der Sultan: »Öffnet die Kistchen«, und diese, die vorher keine Gewalt zu öffnen vermochte, sprangen von selbst auf.
In dem Kistchen, das Omar gewählt hatte, lag auf einem samtenen Kissen eine kleine goldene Krone und ein Szepter; in Labakans Kistchen – eine große Nadel und ein wenig Zwirn! Der Sultan befahl den beiden, ihre Kästchen vor ihn zu bringen. Er nahm das Krönchen von dem Kissen in seine Hand, und wunderbar war es anzusehen: wie er es nahm, wurde es größer und größer, bis es die Größe einer rechten Krone erreicht hatte. Er setzte die Krone seinem Sohn Omar, der vor ihm kniete, auf das Haupt, küßte ihn auf die Stirne und hieß ihn zu seiner Rechten sich niedersetzen. Zu Labakan aber wandte er sich und sprach: »Es ist ein altes Sprüchwort: ›Der Schuster bleibe bei seinem Leist‹, es scheint als solltest du bei der Nadel bleiben.
Zwar hast du meine Gnade nicht verdient, aber es hat jemand für dich gebeten, dem ich heute nichts abschlagen kann; drum schenke ich dir dein armseliges Leben, aber wenn ich dir guten Rates bin, so beeile dich daß du aus meinem Land kommst.«
Beschämt, vernichtet wie er war, vermochte der arme Schneidergeselle nichts zu erwidern; er warf sich vor dem Prinzen nieder, und Tränen drangen ihm aus den Augen: »Könnt Ihr mir vergeben, Prinz?« sagte er. –
»Treue gegen den Freund, Großmut gegen den Feind ist des Abassiden Stolz«, antwortete der Prinz, indem er ihn aufhob, »gehe hin im Frieden.« »O du mein echter Sohn!« rief gerührt der alte Sultan, und sank an die Brust des Sohnes, die Emiren und Bassa und alle Großen des Reiches standen auf von ihren Sitzen und riefen »Heil dem neuen Königssohn«, und unter dem allgemeinen Jubel schlich sich Labakan, sein Kistchen unter dem Arm, aus dem Saal.
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