Der Edelmann war sehr erfreut, seinen Paten, den er als armes Kind aus Gnaden zur Taufe gehoben, so stattlich wieder vor sich treten zu sehen, als dieser sich ihm zu erkennen gab. Aber darüber freute er sich nicht im mindesten, als auf Befragen, was er denn in der Welt geworden sei, der junge Pate zur Antwort gab, er wäre ein ausgelernter Spitzbube geworden. Sann also bald darüber nach, wie er mit guter Art einen so gefährlichen Menschen in Zeiten los werden möchte.
»Wohlan!« sprach der Edelmann zu seinem Paten, »wir wollen sehen, ob du das Deinige ordentlich gelernt hast, und ein so großer Dieb geworden bist, den man mit Ehren laufen lassen kann, oder nur so ein kleiner, den man an den ersten besten Galgen henkt. Letzteres werde ich in meinem Gerichtsbann mit dir unfehlbar tun, wenn du nicht die drei Proben bestehst, die ich dir auferlegen werde!« – »Nur her damit, gestrenger Herr Pate! Ich fürchte mich vor keiner Arbeit.«
Der Edelmann sann eine kleine Weile nach, dann sprach er: »Hör an! Dieses sind die drei Proben. Zum ersten: stiehl mir mein Leibpferd aus dem Stalle, den ich wohl bewachen lasse von Soldaten und Stalleuten, die jeden totschlagen, der Miene macht, in den Stall zu dringen. Zum andern stiehl mir, wenn ich mit meiner Frau im Bette liege, das Bettuch unterm Leibe weg, und meiner Frau den Trauring vom Finger, doch wisse, daß ich geladene Pistolen zur Hand habe. Zum dritten und letzten – und merke, das ist das schwerste Stück: stiehl mir Pfarrer und Schulmeister aus der Kirche und hänge sie beide lebend in einem Sack in meinen Schornstein. Tor und Türen im Schlosse sollen dir dazu offen stehen.«
Der Meisterdieb bedankte sich freundlich bei seinem Herrn Paten, daß er ihm so leichte Stücklein aufgegeben, und ging seiner Wege, um in nächster Nacht gleich das erste Stück auszuführen. Der Edelmann traf alle Anstalten, sein Leibroß gut bewachen zu lassen. Sein erster Reitknecht mußte sich darauf setzen, ein anderer Diener mußte den Zaum fassen, ein dritter den Schwanz, und vor die Türe ordnete der Herr eine Soldatenwache. Die wachten und wachten, froren und fluchten, denn es war kalt, und alle waren durstig; da zeigte sich ein altes müdes Mütterlein, das trug ein Fäßlein auf einem Korbe, hüstelte schwer und keuchte zum Schloßhof hinein. Das Fäßlein weckte in der Seele der Soldaten ganz besonders anziehende Gedanken, nämlich die, daß möglicherweise Branntwein darin sein könne, und daß Branntwein ein Spezifikum gegen den Nachtfrost sei und gegen die bösen Nebel. Riefen daher das alte Mütterlein zum Feuer, daß sich's wärme, und forschten nach dem Inhalt des Fäßleins. Richtig geahnet! Branntwein war darin, und noch dazu veredelter, Doppelpomeranzen, Spanischbitter oder so eine Sorte. Auch war das Fäßlein nicht tückischer Weise verpicht und verspundet, sondern es war ein Hähnlein daran, und die Frau hatte, das war das Beste, den Branntwein zu verkaufen. Da kauften die Soldaten ein Becherlein ums andere, riefen's auch den Wächtern im Stalle zu, daß draußen im Hofe der Weizen blühe, und das alte Frauchen hatte alle Hände voll zu tun mit Einschenken, so daß ihr Fäßlein schier leer war. Die alte Frau war aber kein anderer Mensch als der Erzdieb, der sich gut verkleidet und in den Schnaps einen barbarischen Schlaftrunk gemischt hatte. Es währte gar nicht lange, so fiel ein Soldat nach dem andern in Schlaf und den Wächtern im Stalle fielen auch die Augen zu, und es war gut, daß der Dieb schon im Stalle bei dem Pferde stand, so konnte er den Reitknecht in seinen Armen auffangen, als dieser gerade vom Pferde fiel, und ihn sanft rittlings auf die Schranke setzen und was weniges anbinden, damit der gute Mensch nicht etwa auch da herunter falle und Schaden leide. Dem Leibkutscher, der den Zaum hielt, und in der Ecke schnarchte, lieh der Dieb einen Strick in die Hand, und dem Stallknecht statt des Roßschweifes ein Strohseil. Dann nahm er eine Pferdedecke, schnitt sie in Stücken, wickelte sie um des Rosses Füße, schwang sich in den Sattel, und heidi, hast du nicht gesehen – zum Stall und zum offen gebliebenen Schloßtor hinaus.
Als es heller Tag geworden, sah der Edelmann zum Fenster hinaus, und sah einen stattlichen Reiter daher galoppiert kommen, auf einem nicht minder stattlichen Roß, das ihm so bekannt vorkam. Der Reiter hielt an, und bot guten Morgen hinauf zum Schloßfenster. »Guten Morgen, Herr Pate! Euer Pferd ist Goldes wert!« – »Ei daß dich alle Teufel!« rief der Edelmann, wie er sah, daß das Pferd seine Schecke war. »Du bist ein Gaudieb! Nu, nu – nur zu! Laß deine Kunst weiter sehen!« Der Edelmann nahm seine Reitpeitsche und ging nach dem Stalle voller Zorn; als er aber die wunderlichen Gruppen der noch immer schlafenden Wächter sah, mußte er laut auflachen; gedachte aber bald in seinem Herzen: wenn der Gauner diese Nacht kommt, mir das Bettuch zu stehlen, will ich ihm eine Kugel durch den Kopf schießen, denn solch einen gefährlichen Kerl möchte ich nicht in meiner Nähe wissen.
Da nun die Nacht herbeigekommen war, legte sich der Edelmann mit seiner Frau zu Bette, und neben sich legte er eine geladene Pistole und unterschiedliche andere Wehr und Waffen, schlief auch nicht ein, sondern blieb wachsam, horchte und lauschte, ob sich nichts regte. Lange blieb alles still, jetzt endlich, es war schon ziemlich dunkel, war es, als würde eine lange Leiter angelehnt, und bald darauf wurde draußen am Fenster die Gestalt eines Menschen sichtbar, der herein steigen wollte. »Erschrick nicht, Frau!« rief leise der Edelmann, nahm die Pistole, zielte gut, drückte los, und schoß den Räuber mitten durch den Kopf, dieser wankte und gleich darauf hörte man unten einen schweren Fall. »Der steht nicht wieder auf«, sprach der Edelmann, »doch möcht ich Aufsehen vermeiden, ich will deshalb geschwind die Leiter hinunter steigen, daß im Hause kein Lärm wird, und den Erschossenen bei Seite schaffen.« Das war der Edelfrau recht, und ihr Mann tat, wie er gesagt. Bald darauf kam er wieder herauf und sprach zur Frau: » Der ist mausetot, ich will dem armen Teufel aber doch, ehe ich ihn in die Grube werfe, in einen Leinlacken hüllen, und da er um deines Ringes willen sein Leben hat lassen müssen, so wollen wir ihm diesen anstecken; gib mir den Ring und auch das Bettuch.« Die Frau gab beides her, und jener stieg eilend wieder hinunter. Es war aber nicht der Edelmann, sondern der Meisterdieb, der, um sein Stücklein auszuführen, vom ersten besten Galgen (damals gab es in Deutschland noch alle Wege viele Galgen), einen frisch Gehenkten abgeschnitten und ihn dann auf seine Schultern geladen hatte, als er die Leiter emporstieg. Wie drinnen der Schuß fiel, ließ er den Leichnam hinunter stürzen, stieg eilend die Leiter herab und versteckte sich. Und wie nun der Edelmann herunter kam, und sich mit dem vermeintlich Erschossenen zu schaffen machte, wischte er rasch hinauf ins Zimmer der Frau, ahmte des Paten Stimme nach und forderte Ring und Bettuch.
Am andern Morgen sah der Edelmann wieder nach seiner Gewohnheit zum Fenster hinaus, da ging drunten ein Mann auf und ab, der hatte, wie es schien, Leinwand zu verkaufen, mindestens trug er ein zusammengeschlagenes Bündel über der Schulter, und ließ einen schönen Ring in der Morgensonne blitzen und funkeln. Mit einem Male rief der Mann hinauf: »Schönsten guten Morgen, Herr Pate! Ich wünsche Ihnen und der Frau Patin recht wohl geruht zu haben!« – Der Edelmann war wie vom Donner gerührt, als er seinen Paten, den er die vorige Nacht mit eigner Hand erschossen und mit derselben Hand in eine Grube geworfen, leibhaftig stehen sah, und fragte hastig seine Frau nach Ring und Tuch. »Nun, du hast mir's ja diese Nacht abverlangt!« erwiderte die Dame. »Der Satan! Aber ich nicht!« tobte der Edelmann – doch gab er sich bald wieder, in Erwägung, daß der kühne Dieb noch mehr hätte nehmen können. Er machte dem Paten eine Faust zum Fenster hinaus und rief: »Erzgauner! Das dritte! Das dritte bringt dich sicherlich an den Galgen!«
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