„Mein Gott!“, stieß er zusammenhangslos aus. Dann legte er seine Gabel weg. Er hatte gerade von dem Ei probiert und musterte Diana jetzt kurz. Lächelnd nahm er den Teller mit dem Ei von dem Tablett. „Danke“, sagte er und brachte das Ei zurück in die Küche, wo er es wegwarf.
„Der Rest ist super lecker!“, rief sie ihm nach und nahm sich einen der kleinen Muffins, die John ihr gebracht hatte. „Hast du die selber gebacken?“, fragte sie, als er wiederkam.
„Nein, keine Sorge, die sind nur selbst gekauft.“
Amüsiert musste sie grinsen. „Normalerweise kannst du gut backen und kochen.“
„Sicher. Ich kann alles gut.“
„Das stimmt.“ Sie gab ihm einen Kuss, als er sich zu ihr hinunterbeugte, um sich auch einen Muffin zu nehmen. „Ich freue mich schon auf heute Abend.“
„Boah, was bilden die sich eigentlich ein?!“, wollte Diana eine Woche später von John wissen, als sie am Abend nach Hause kam. In den letzten Tagen hatte sie insgesamt sieben Bewerbungsgespräche geführt, die alle darauf hinausgelaufen waren, dass man sie als Einstellungskriterium darum gebeten hatte, ein Interview mit John zu arrangieren.
John sah sie an und schwieg. Er hatte sich schon die letzten Tage ihre Wutausbrüche anhören müssen. Auch ihren Jahrestag hatten sie aufgrund ihrer schlechten Laune nicht mehr richtig genießen können.
„Als ob ich nicht auch gut wäre, würde ich nicht deine Freundin sein“, sagte sie nicht zum ersten Mal diese Woche.
John nickte nur.
„Er liebt Sie doch. Für Sie würde er das sicher machen“, ahmte sie die Stimme der Frau nach, die sie soeben getroffen hatte. „Blöde Kuh!“
Er lachte leise.
„Ist doch wahr!“, beschwerte sie sich. „Als ob ich unter solchen Leuten arbeiten wollen würde.“
„Das musst du ja auch nicht“, antwortete er und gab ihr einen Kuss. „Du wirst schon noch eine Firma finden, die dein Talent zu würdigen weiß.“
„Pff, das sagst du schon die ganze Woche.“
„Weil es wahr ist. Ich weiß doch, dass du gut bist.“ Er wendete den Fisch, den er gerade in der Pfanne zubereitete. Sie sah auf das brutzelnde Fett, das den Fisch langsam braun färbte. Unvermittelt nahm sie ihm den Pfannenwender ab und stellte sich selbst an den Herd. Nur um etwas zu tun zu haben, schob sie den Fisch in der Pfanne hin und her. „Ach, ja? Woher willst du das eigentlich wissen? Du hast doch keine Ahnung davon“, gab sie übelgelaunt zurück.
„Wenn ich das richtig verstanden habe, hast du deine Doktorarbeit doch mit der bestmöglichen Note abgeschlossen, oder etwa nicht?“ Er öffnete eine Flasche Wein.
„Ja toll, die habe ich bestimmt auch nur geschenkt bekommen, weil meine Prüfer sich bei dir einschmeicheln wollten.“
Wieder lachte John. „Das glaubst du doch selbst nicht.“
„Ach, was weiß ich.“ Ihr war nicht nach Lachen zumute. Am liebsten hätte sie sich gar nicht mehr weiter beworben.
John ließ sich von ihrer Laune nicht aus der Ruhe bringen. „Du wolltest dir doch ohnehin jetzt erst einmal ein paar Wochen frei nehmen“, erinnerte er sie. „Warum entspannst du dich nicht erst einmal? Du hast noch genug Zeit, den richtigen Beruf für dich zu finden.“
„Ja, das wollte ich eigentlich schon, aber jetzt möchte ich einfach nur herausfinden, ob es auch noch vernünftige Unternehmen da draußen gibt.“
„Die gibt es sicher.“ Er nahm sie in den Arm. „Du schaffst das schon.“
Genervt befreite Diana sich aus seiner Umarmung und verließ den Küchenbereich, um sich auf die Wohnzimmercouch zu setzen. „Und wie?“, fragte sie und sah herausfordernd zu ihm herüber.
Er schaltete den Herd aus und stellte die Pfanne auf eine kalte Platte. Dann kam er zu ihr hinüber. „Das weißt du sicher besser als ich.“ Er setzte sich neben sie.
Demonstrativ wandte sie sich von ihm ab. „Na, danke für deine Hilfe.“
Behutsam strich er ihr mit dem Daumen über den Nacken. „Du weißt aber, dass ich es für dich machen würde, nicht wahr?“, fragte er nach einem Moment der Stille.
„Das du was für mich machen würdest?“
„Ein Interview geben, für wen auch immer. Von mir aus auch eine Show.“
Abrupt stand sie auf. „Du denkst also auch, dass ich es nicht ohne dich schaffe?!“
„Nein, das wollte ich damit nicht sagen.“
„Nicht? Was denn dann bitte?“
„Nein, ich wollte doch nur, dass du weißt…“
„…dass du mein großer Beschützer und Versorger bist und immer alles für mich klären wirst und ich mich um nichts kümmern brauche, richtig?“
„In gewisser Weise ja, aber…“
„Mensch, du verstehst aber auch gar nichts“, beschwerte sie sich und nahm die Treppe, um die Wohnküche zu verlassen. Sie wusste, dass John es einfach nur gut meinte und doch ärgerte es sie, dass er offensichtlich nicht verstand, worum es ihr ging.
„Diana, warte doch!“, hörte sie John hinter sich sagen, doch sie wollte seine Erklärungen im Moment nicht hören. Sie schlug die Schlafzimmertür hinter sich zu. „Lass mich in Ruhe“, rief sie ihm zu und bereute es fast schon im selben Augenblick. Das Problem mit John war, dass er sich meistens sehr genau daran hielt, wenn sie ihm sagte, dass sie ihn nicht sehen wollte. Natürlich wäre es ihr aber lieber gewesen, er hätte sie doch irgendwie dazu gebracht, dass sie nicht mehr sauer auf ihn und auf sich selbst war.
Schmollend legte sie sich aufs Bett und schaltete das Radio ein. Sie sah zur Tür. „Wieso kommst du nicht einfach rein?“, dachte sie für sich, in dem Wissen, dass ihm das Gedankenlesen nicht möglich war. Dann nahm sie sich das Buch, das auf ihrem Nachttisch lag, und begann es zu lesen. Hunger verspürte sie ohnehin keinen.
Es vergingen zwei Stunden, bis er wieder an die Tür klopfte.
„Ja“, sagte sie und verwendete mit einer gewissen Absicht einen missgelaunten Ton.
Vorsichtig öffnete John die Tür und steckte seinen Kopf ins Zimmer. „Darf ich hereinkommen?“
Sie rollte mit den Augen. „Das ist genauso dein Zimmer wie meins, also kann ich wohl nichts dagegen sagen. Im Prinzip gehört es sogar mehr dir als mir, immerhin hast du von deinem Geld das Haus gekauft.“
John schloss die Tür hinter sich. „Dir ist bewusst, dass ich dieses Geld ohne dich nie verdient hätte, oder? Du weißt, dass ich ohne dich verloren in dieser Welt wäre.“
„Ach, das stimmt doch schon längst nicht mehr. Ich habe dir einmal geholfen und das war es auch.“ Jetzt zumindest brauchte er sie nicht mehr. Mit jedem Tag weniger.
John setzte sich neben sie ins Bett und streichelte sie. „Du hilfst mir jeden Tag. Wirklich. Du weißt selbst, wie es ist, in einer fremden Zeit zu sein. Glaubst du wirklich, ich könnte dieser Zeit ohne dich standhalten?“
„Boah, jetzt mach mir bitte keinen Vorwurf, dass du in dieser Zeit bleiben musst. Ich habe dir schon tausendmal gesagt, dass…“
„Diana“, sagte er beschwichtigend, „du weißt, dass ich dir damit keinen Vorwurf machen wollte.“
„Ja, ich weiß, dass du das nicht wolltest. Aber trotzdem stimmt es doch. Du würdest lieber nicht hierbleiben. Ich bin die Einzige, die dich hält. Du musst mich nicht immer wieder daran erinnern, ich habe auch so schon ein schlechtes Gewissen, danke. Aber ich könnte einfach noch weniger für immer in deiner Welt leben, verstehst du das nicht?“
Lachend erhob er sich vom Bett. Er tat dies manchmal, wenn er nicht weiter streiten wollte und wusste, dass es keinen Grund für einen Streit gab. Manchmal regte sie dieses Lachen noch mehr auf und sie bekam das Gefühl, dass er sie nicht ernst nahm. Viel öfter aber erkannte sie, dass es tatsächlich lächerlich war, dass sie sich über ihn aufregte und sie stimmte in sein Lachen mit ein. Heute kämpfte sie gegen ein solches Einstimmen an, doch sie konnte ihm nichts vormachen, er wusste, dass er sie gebrochen hatte.
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