»Judith kümmert sich nicht um Hurry, wenn schon Hurry Wohl um sie,« versetzte Hetty, unschuldig, aber mit großer Bestimmtheit.
»Ich habe Euch das schon früher sagen hören; ja, ich habe das sonst schon von Euch gehört, Mädchen; und doch ist es nicht wahr. Man lebt nicht unter einem Stamm, ohne auch Etwas zu sehen von der Art und Weise, wie die Neigung im Herzen eines Weibes arbeitet. Obgleich selbst keineswegs gesonnen, zu heiraten, bin ich doch unter den Delawaren ein Beobachter gewesen, und das ist eine Sache, worin Bleichgesicht-und Rothaut-Gaben ganz gleich sind. Wenn das Gefühl anfängt, ist das junge Weib nachdenklich, und hat Augen und Ohren nur für den Krieger, der ihr Gemüt eingenommen hat; dann folgt Schwermuth und Seufzen und derlei Geberdungen; darnach, besonders wenn die Sachen nicht zu deutlicher Erörterung kommen, legt sie sich oft auf´s Tadeln und Fehlerfinden, und schilt den Jüngling eben wegen der Dinge, die ihr am besten an ihm gefallen. Manche junge Kreatur ist gar geneigt, in dieser Weise ihre Liebe zu zeigen, und ich bin der Meinung, zu diesen gehört auch Judith. Nun habe ich sie so gut als leugnen hören, dass Hurry ein gutes Aussehen habe; und mit dem jungen Weib, das das tut, muss es in der Tat weit gekommen sein.«
»Das junge Weib, das Hurry liebte, würde gestehen, dass er schön sei. Ich halte Hurry für sehr schön, Wildtödter, und gewiss muss Jedermann, wer Augen hat, so denken. Judith mag den Harry March nicht, und das ist der Grund, warum sie so viel an ihm aussetzt.«
»Gut– gut – meine gute kleine Hetty, sei es, wie Ihr wollt. Wenn wir auch von jetzt bis zum Winter fortschwatzten, würde doch Jedes bei seiner Meinung bleiben, und so nützen Worte nichts. Ich muss glauben, dass Judith sehr in Hurry verschossen ist und dass sie ihn früher oder später nehmen wird; und dies nur umso mehr, nach der Art zu schließen, wie sie ihn schilt und mißhandelt; Ihr aber, glaube ich fast, denkt gerade das Gegentheil. Aber merkt, was ich Euch sage, Mädchen, und gebt Euch die Miene, es nicht zu wissen,« fuhr dieser Mann fort, der so blind war, in einem Punkt, wo Männer gewöhnlich scharfsichtig und rasch genug sind, Entdeckungen zu machen, und so scharfblickend in Dingen, welche der Beobachtung bei weitem des größten Teils der Menschen spotten würden; »ich sehe, wie es ist mit diesen Vagabunden. Rivenoak hat uns verlassen, wie Ihr seht, und spricht mit den jungen Männern Dort, und obgleich es zu weit entfernt ist, um zu hören, kann ich doch sehen, was er ihnen sagt. Er gibt ihnen Befehl, Eure Bewegungen zu beobachten und ausfindig zu machen, wo das Canoe Euch treffen soll, um Euch zur Arche zurück zu führen, und dann fest zu nehmen Wen und Was sie können. Es tut mir leid, dass Judith Euch geschickt hat, denn ich denke mir, sie wünscht Eure Rückkehr.«
»Alles das ist schon in’s Reine gebracht, Wildtödter,« versetzte das Mädchen in leisem, vertraulichem und bedeutsamem Tone; »und Ihr könnt mir zutrauen, dass ich die besten Indianer Dort alle überlisten werde. Ich weiß, ich bin schwachsinnig, aber doch habe ich einigen Sinn und Verstand, und ihr sollt sehen, wie ich damit zurückzukommen weiß, wenn mein Vorhaben beendigt ist!«
»Ach, armes Märchen, ich fürchte, das Alles ist leichter gesagt als getan. Es ist das ein giftiges Gezücht von Gewürmen, und ihr Gift ist nicht vermindert und milder worden durch den Verlust Hist’s. Sehr froh bin ich, dass es Schlange gerade gelang, mit dem Mädchen sich zu retten, denn jetzt werden Zwei wenigstens glücklich sein, während, wenn er in die Hände der Mingo’s gefallen wäre. Zwei unglücklich und einem Dritten keineswegs so zu Muthe gewesen wäre, wie es einem Zufriedenen ist.«
»Jetzt erinnert Ihr mich an einen Teil meines Vorhabens, den ich beinahe vergessen hätte, Wildtödter. Judith trug mir auf, Euch zu fragen, was Ihr glaubt, dass die Huronen mit Euch tun würden, wenn Ihr nicht könntet losgekauft werden, und womit sie Euch am wirksamsten dienen könne? Ja, das war der wichtigste Teil des Auftrags – was sie tun könne, um Euch am wirksamsten zu dienen.«
»So denkt Ihr, Hetty; aber daran liegt nichts. Junge Weiber sind geneigt, am meisten Wert auf das zu legen, was ihre Gefühle berührt – aber das ist einerlei, sei es, wie Ihr wollt, nur nehmt Euch in Acht, dass Ihr nicht die Vagabunden sich eines Canoe’s bemächtigen lasst. Wenn Ihr auf die Arche zurückkommt, sagt ihnen, sie sollen immer scharfe Wache, aber immer sich in Bewegung halten, ganz besonders bei Nacht. Es können nicht mehr viele Stunden vergehen, ohne dass die Truppen am Fluss von dieser Bande hören, und dann können Eure Freunde nach Unterstützung und Entsatz sich umsehen. Es ist nur ein Tagmarsch von der nächsten Garnison hieher, und rechte Soldaten werden nie müßig hinliegen, wenn der Feind in ihrer Nachbarschaft ist. Das ist mein Rath, und Ihr möget Eurem Vater und Hurry sagen: auf Skalpe Jagd machen, werde jetzt ein ärmliches Gewerbe sein, da die Mingo’s auf den Beinen und wach sind, und Nichts sie retten könne, bis die Truppen anlangen, als wenn sie einen tüchtigen Wassergürtel zwischen sich und den Wilden ziehen.«
»Was soll ich Judith von Euch sagen, Wildtödter? Ich weiß, sie wird mich wieder zurück schicken, wenn ich ihr nicht die Wahrheit über Euch berichte.«
»Dann sagt Ihr die Wahrheit. Ich sehe keinen Grund, warum Judith Hutter von mir nicht so gut die Wahrheit hören sollte, als eine Lüge. Ich bin ein Gefangener in den Händen der Indianer, und die Vorsehung allein weiß, was der Ausgang sein wird! Hört, Hetty –« und er ließ die Stimme sinken und sprach noch heimlicher und noch mehr im Vertrauen, »Ihr seid ein wenig schwachsinnig, muss man gestehen, aber Ihr versteht Euch ein Wenig auf Indianer. Hier bin ich in ihren Händen, nachdem ich einen ihrer muthigsten Krieger getödtet, und sie haben versucht, mich durch Furcht vor den Folgen ihrer Rache zu bearbeiten, Euern Vater und Alle in der Arche zu verrathen. Ich verstehe die Spitzbuben so gut, als wenn sie Alles geradezu mit ihren Zungen herausgesagt hätten. Sie halten mir die Lockungen der Habgier auf der einen und Furcht auf der andern Seite vor, und glauben, die Ehrlichkeit werde zwischen beiden zu Fall kommen. Aber tut Eurem Vater und Hurry zu wissen, dass es vergeblich ist, Schlange weiß es schon.«
»Aber was soll ich Judith sagen? Sie wird mich gewiss wieder zurück schicken, wenn ich ihr Gemüt nicht beruhige.«
»Nun, sagt Judith dasselbe. Ohne Zweifel werden die Wilden ihre Martern versuchen, um mich zur Schwäche zu bringen und den Verlust ihres Kriegers zu rächen; aber ich muss mich gegen natürliche Schwäche zu behaupten suchen, so gut ich immer kann. Ihr könnt Judith sagen, sie solle sich um mich keinen Kummer machen – es wird hart kommen, das weiß ich, sintemalen eines weißen Mannes Gaben nicht dahin gehen, unter Martern zu prahlen und zu singen, denn er empfindet in der Regel am wenigsten, wenn er am ärgsten leidet – aber Ihr mögt ihr sagen, sie solle sich keinen Kummer machen. Ich denke, ich werde es schon zu ertragen wissen; und sie darf sich darauf verlassen, mag ich auch noch sehr den Gleichmuth verlieren, und ganz und gar bewähren, dass ich weiß bin durch Wimmern und Stöhnen und selbst durch Tränen, – doch werde ich nie so weit kommen, dass ich meine Freunde verrate. Wenn es daran geht, dass man mit glühenden Ladstöcken Löcher in’s Fleisch brennt, und den Körper zerhackt, und das Haar mit den Wurzeln ausrauft, mag wohl die Natur die Oberhand gewinnen, was Aechzen und Klagen anbetrifft, aber damit wird der Triumph der Vagabunden enden; nichts Geringeres, als wenn ihn Gott den Teufeln Preis gibt, kann einen ehrlichen Mann seiner Farbe und seiner Pflicht untreu machen.«
Hetty hörte mit großer Aufmerksamkeit zu, und ihr mildes, aber sprechendes Gesicht verrieth lebhafte Theilnahme an der so vorläufig geschilderten Todesqual des künftigen möglichen Dulders. Anfänglich schien sie verlegen, wie sie sich benehmen sollte; dann ergriff sie eine Hand Wildtödters und empfahl ihm dringend und liebevoll, ihre Bibel zu borgen und darin zu lesen, während ihn die Wilden mit ihren Martern peinigten. Als der Andre redlich gestand, dass das Lesen über sein Vermögen gehe, erbot sie sich sogar, bei ihm zu bleiben, und selbst diesen heiligen Dienst zu versehen. Das Anerbieten ward freundlich abgelehnt, und da Rivenoak im Begriff stand, wieder zu ihnen zu treten, bat Wildtödter das Mädchen, ihn zu verlassen, wobei er ihr jedoch nochmals einschärfte, denen in der Arche zu sagen, dass sie volles Vertrauen in seine Treue setzen sollten. Jetzt entfernte sich Hetty und näherte sich der Gruppe von Weibern mit solcher Zuversicht und Selbstbeherrschung, als wäre sie eine Eingeborne des Stammes. Andrerseits nahm der Hurone seinen Sitz neben dem Gefangenen wieder ein, und fuhr fort, ihm mit all der tückischen Schlauheit eines geübten indianischen Rathsmannes Fragen vorzulegen, während der Andere seine List zu Schanden machte mit den Mitteln, die, wie man weiß, auch die wirksamsten sind, die Feinheit der anspruchsvolleren Diplomatie der Zivilisation zu vereiteln – oder sich in seinen Antworten auf die Wahrheit und die Wahrheit allein, beschränkte.
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