„Da unsere Soldaten ganz erschöpft sind, und da wir uns seit acht Tagen ohne Aufhören mit den Russen geschlagen haben, hat man uns endlich aus Mähren hierher geschickt, damit wir uns etwas ausruhen sollen. In der Affaire von Haslach [Während dieser ruhmvollen Affaire hatten sich die Oestreicher in Albeck auf die Bagagewagen der Division Dupont geworfen, hatten sich derselben bemächtigt und hatten so, wie Thiers sagt, einige gewöhnliche Trophäen gewonnen; ein elender Trost für die Niederlage von 25,000 Mann gegen 6000.] habe ich Alles verloren, aber ich habe mich dafür auf Kosten eines Dragoner-Offiziers von Latour entschädigt, den ich aus dem Sattel hob.
„Man verspricht uns lauter schöne Dinge, aber Gott mag wissen, wann es dazu kommt! Meine Mutter schreibt mir, daß es Dir an Nichts fehlen soll und daß ich darüber ruhig sein kann. Aber sage nur, mit welcher neuen Thorheit Du mich wieder regalirt hast? Debaix hat bis zu Thränen darüber gelacht. Demoiselle Roumier ist meine alte Bonne und meine Mutter giebt ihr eine Pension, weil sie mich großgewartet hat. Sie war vierzig Jahre alt, als ich zur Welt kam. Wahrlich ein schöner Gegenstand zur Eifersucht. Ich erzähle diese Thorheit allen meinen Freunden.
„Heute Morgen habe ich Bilette gesehen. Sein Anblick, der mich an die Rue Meslée erinnerte, hat mir eine unendliche Freude gemacht. Ich habe ihn umarmt, wie meinen besten Freund, denn ich konnte von Dir mit ihm reden und er konnte mir darauf antworten; obwohl er mir von Deinem Befinden keine directen Nachrichten brachte, habe ich ihn so viel gefragt, daß ich ihm gewiß langweilig geworden bin.
„Man spricht davon, uns bald nach Frankreich zurück zu schicken, denn der Krieg muß hier aufhören, da es an feindlichen Kämpfern fehlt. Die Oestreicher wagen nicht mehr, sich mit uns zu messen; die Russen sind im vollen Rückzuge.
Man betrachtet uns hier mit Verwunderung, die Einwohner Wiens können an unsere Gegenwart kaum glauben.
„Uebrigens ist diese Stadt ziemlich nüchtern. Seit vier und zwanzig Stunden bin ich hier und langweile mich wie in einem Gefängnisse. Die reichen Leute sind entflohen, die Bürger zittern und verstecken sich, das Volk ist starr vor Entsetzen. Man sagt, daß wir in drei bis vier Tagen aufbrechen werden, um nach Ungarn zu marschiren, um die Ueberreste der östreichischen Armee zu zwingen, die Waffen zu strecken und auf diese Weise den Abschluß des Friedens zu beschleunigen.
„Sei immer verstimmt in meiner Abwesenheit, mein theures Weib, denn so liebe ich Dich in der Ferne zu wissen. Laß Dich nicht sehen, denke nur daran, unser Töchterchen zu pflegen, und ich werde so glücklich sein, wie ich das fern von Dir zu sein vermag.
„Lebe wohl! Geliebte; ich hoffe Dich bald in meine Arme drücken zu können. Tausend Küsse für Dich und für meine Aurora!“
Dies Gerücht von einem neuen Marsch nach Ungarn war der Vorläufer der Schlacht von Austerlitz, welche am 4. December 1805 geschlagen wurde. Ich weiß nicht, ob mein Vater dabei war, aber ich glaube es nicht, obwohl es von mehreren Personen behauptet und durch seinen Nekrolog bestätigt wird, denn die Division Dupont war durch die Wunder, welche sie bei Haslach und Diestern verrichtet hatte, so erschöpft, daß sie in Wien bleiben mußte, um sich zu erholen. Auch befinden sich Dupont's Name in keinem der Berichte, welche ich über die Schlacht von Austerlitz gelesen habe.
Im Vorübergehen wollen wir ein Wort über den General Dupont sagen, der in Spanien bei Baylen so schuldig oder so unglücklich war, und der von der Restauration so schamlos belohnt wurde, weil er als einer der Ersten den Ruhm der französischen Armee in der Person des Kaisers verrieth. Es ist unzweifelhaft, daß er sich in dem Feldzuge, den wir eben skizzirten, als großer Krieger bewiesen hat. Wir haben gesehen, daß ihn mein Vater in Friedenszeiten wenig schätzte, um so mehr aber im Kriege. Hatte der Kaiser etwa ein Vorurtheil, ein geheimes Mißtrauen gegen Dupont? Entweder mußte dies der Fall sein, oder Dupont gefiel sich darin den Unzufriedenen zu spielen. Gewiß ist, daß die Klagen meines Vaters in dem zuletzt mitgetheilten Briefe auf einem allgemeinen Gerechtigkeitsgefühle beruhen. Seine Persönlichkeit war an und für sich nicht so wichtig, daß er sich hätte für den Gegenstand einer besondern Feindseligkeit halten können. Ich weiß nicht, wer jene Höflinge, jenes Bedientenvolk sein mochte, denen mein Vater mit solchem Eifer widerstrebt, aber da er den wohlwollendsten, großmüthigsten Charakter besaß, den man finden konnte, so ist anzunehmen, daß seine Klagen begründet waren.
Es ist bekannt, wie manche Eifersucht und Feindschaft der Kaiser während dieses Feldzugs im Zaum halten mußte; welche Fehler Mürat aus Tollkühnheit und Dünkel beging, und welchen Unwillen dies in Ney's Seele erregte. Wenn wir in der Geschichte suchen, finden wir sicherlich eine Erklärung für den Schmerz, den mein Vater auf dem Schlachtfelde nährte, und der eine merkliche Aenderung in der Gemüthsstimmung der Männer beweist, welche dem ersten Consul mit so großer Begeisterung nach Marengo gefolgt waren. Ohne Zweifel sind auch die Kriege des Kaiserreichs herrlich, unsere Krieger sind auch darin Helden von übermenschlicher Größe und der Kaiser ist der erste Feldherr der Welt. Aber wie ist in der Hofluft der junge Enthusiasmus der Republik verdorrt! Bei Marengo schrieb mein Vater als Postscriptum an seine Mutter: „Ach mein Gott! ich hätte fast vergessen Dir zu sagen, daß ich auf dem Schlachtfeld zum Lieutenant ernannt bin.“ Ein Beweis. daß er sehr wenig an seinen persönlichen Vortheil dachte, während er für die Sache mit Begeisterung kämpfte. Dagegen spricht er in seinem Wiener Briefe gegen seine Frau einen spöttischen Zweifel aus über die Belohnung, die ihn erwartet. Unter dem Kaiserreiche denkt Jeder an sich selbst, unter der Republik wetteiferten Alle sich selbst zu vergessen.
Die scheinbare Ungnade, die meinen Vater seit dem Uebergang über den Mincio in seiner Carriere hemmte, hörte übrigens mit dem Feldzuge von 1805 vollständig auf. Es gelang ihm endlich seinen Rücktritt in die Linie zu erwirken, und am 30. Frimaire des Jahres XIV (20. Decbr. 1805) wurde er zum Rittmeister des ersten Husaren-Regiments ernannt. [Zu dieser Zeit erhielt er auch das Kreuz der Ehren-Legion.] Er kehrte nach Paris zurück und nahm dann meine Mutter, Karoline und mich mit nach seinem Regimente, dessen Garnison ich nicht zu nennen weiß. Als er in den Feldzug von 1806 ging, schrieb er seiner Frau nach Longres in das Hauptquartier und adressirte an den Quartiermeister des Regiments. Wahrscheinlich machte er in der Zwischenzeit eine Reise nach Nohant; aber ich finde einen Beitrag zu seiner Geschichte nur in den wenigen Briefen, die hier folgen.
Primlingen, den 2. Oct. 1806.
„Von Mainz an sind wir so umhergeirrt, daß ich keinen Augenblick finden konnte, um Dir Nachricht von mir zu geben. Vor Allem muß ich Dir sagen, daß ich Dich abgöttisch liebe. Das ist zwar nichts Neues für Dich, aber es ist das Wichtigste, was ich Dir zu sagen habe. Ach! wie bin ich's schon müde, fern von Dir zu sein; ich schwöre es Dir zu, daß ich Dich nach Beendigung dieses Feldzugs nicht mehr verlassen will, es geschehe was da wolle.
„Seit drei Tagen habe ich mit meiner Compagnie sechsunddreißig Meilen gemacht, um den Kaiser zu escortiren. Er ist gestern nach Würzburg gekommen und wir sind in der Umgegend einquartiert. Auch die ganze Garde zu Fuß ist angekommen. Unterwegs hat mir der Kaiser mehrere Fragen über das Regiment vorgelegt und bei der letzten, die ich wegen des Wagenlärms nicht hören konnte, obwohl sie der Kaiser dreimal wiederholte, habe ich auf gut Glück geantwortet: „Ja, Sire!“ — Ich sah ihn lächeln und schließe daraus, daß ich eine schöne Dummheit gesagt habe. Wenn er mich als blödsinnig oder taub verabschiedete, wollte ich mich, durch die Rückkehr zu Dir schon trösten.
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