»Setzen!«, befiehlt sie, was jeder Schüler nach dieser Aktion ohne Wiederrede sofort macht.
»Wahnsinn, ist die fies«, stöhnt Laura, schüttelt mit offenem Mund den Kopf und reibt sich die Ohren.
»Das gefällt mir«, grinst Sam und setzt sich auf ihren Platz.
»Also, mein Name ist Neve Stewart. Ich bin für die nächsten zwei Wochen, in denen eure Mathematiklehrerin Ms. Jackson krank ist, ihre Vertretung.« Neve lässt ihren Blick über die etwas gelangweilten Gesichter der Schüler (die im Alter zwischen neunzehn und einundzwanzig sind), wandern. Sie muss feststellen, dass es scheinbar niemanden interessiert, ob sie nun anwesend ist oder nicht.
»Neve, ein wunderschöner Name für eine ebenso wunderschöne Frau«, lacht Sam frech. Mit einem Bleistift tippt sie währenddessen in einem monotonen Rhythmus auf ihrem Tisch herum. Die Haltung eines Sacks Kartoffeln eingenommen, gammelt sie gleichgültig auf ihrem Stuhl. Als Neve die Schülerin erkennt, rollt sie kaum sichtbar, aber genervt die Augen.
»Würden sie sich bitte aufrecht hinsetzen, den Bleistift hinlegen und mir sagen wie sie heißen?« Teilnahmslos geht Sam dieser Aufforderung nach, beugt sich nach vorne und schaut der Lehrerin direkt in die Augen.
»Sie wissen ganz genau wer ich bin«, lacht sie ruhig undgeheimnisvoll. Irgendwas stimmt hier nicht, das spürt Neve. Nur was es ist, weiß sie nicht. Denn das wird sie erst in der nächsten Sekunde auf eine Art und Weise erfahren, die ihr die Galle hochkommen lässt.
Sam greift sich an den Hinterkopf, zieht das Haargummi heraus, wuschelt sich durch die langen Haare und legt ihren Kopf schief. Sie lächelt die Lehrerin so verführerisch an, dass jeder Wachs in ihren Händen werden würde.
»Ich bin ihr wunderschönster wahr gewordener Traum, der sie irgendwann verführen wird«, grinst sie. Ein lautes Raunen ertönt von den Mitschülern, was einem Hundegebell ähnelt. Ein Klopfkonzert mit den Fäusten auf den Tischen folgt.
»Ach wirklich?«, fragt Neve kühl und unbeeindruckt.
»Interessant zu erfahren, dass sie wissen was ich träume. Ich hingegen…«. Sie setzt sich mit einer Gesäßhälfte auf den vorderen Rand des Lehrerpults und muss dabei zwei Knöpfe ihres weißen Kostüms öffnen. Sofort kommt deswegen ein johlendes »Ausziehen!« von Sam. Sie blickt ihre Lehrerin provokant an und zwinkert ihr zu. Neve schiebt diese Geste allerdings sofort in die dunkelste Ecke, welches ihr Gehirn aufweisen kann.
»ich hingegen, sehe nur eine pubertierende Göre die sich wie in einem Kindergarten aufführt.« Ein lautes Lachen stürzt durch die Klasse, das abrupt stirbt, als Sam einen wütenden Blick durch den Raum schmeißt. Neve registriert das, konzentriert sich aber weiterhin auf ihre Schülerin.
»Und wie ist jetzt bitteschön ihr Name? Oder soll ich sie die nächsten zwei Wochen mit pubertierende Göre ansprechen?« Wieder ertönt dieses Raunen von allen Schülern, das erneut Sam gilt.
»Sam«, antwortet sie um die Klasse zum Schweigen zu bringen.
»Sam und weiter?«, fragt Neve gelangweilt von diesem Spiel, das absolut unter ihrem Niveau ist.
»Schauen sie doch ins Klassenbuch. Sie als Lehrerin müssten doch eigentlich lesen können.« Sofort bricht die Klasse wieder in lautes Gelächter aus. Laura streckt ihre Hand nach hinten aus, in die Sam auch gleich triumphierend lachend einschlägt. Diese Runde ging definitiv an sie.
Die Lehrerin geht um den Pult, öffnet die oberste Schublade und holt ein großes Buch heraus, das in einen roten Umschlag gefasst ist.
Seite um Seite blättert sie sich durch den Schmöker, geht langsam und scheinbar vollkommen in das Buch vertieft zum Platz ihrer Schülerin und bleibt direkt davor stehen. Allerdings schlägt sie dann das Buch im Bruchteil einer Sekunde zu undknallt es ohrenbetäubend laut auf Sams Tisch. Diese zuckt erschrocken zusammen. Mit beiden Händen stützt sich die Lehrerin am Tisch ab. Mit diesem typischen Ich-bin-die-Lehrerin,-Sie-sind-die-Schülerin-Blick, schaut sie Sam an.
»Also, Ms. Samantha Rodriguez«, betont sie ihren Namen.
»Ich würde mit ihren weiteren Äußerungen mir gegenüber etwas vorsichtiger sein, ansonsten finden sie sich vor der Klassentür wieder. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?«
»Aber sicher doch Ms. Stewart«, trällert Sam frech und ironisch.
Genervt von diesem Kindertheater, das ihr schon einige Zeit vom Unterricht geklaut hat, dreht sich Neve von Sam weg und geht an Laura vorbei. Eigentlich will sie endlich mit dem Unterricht beginnen, als sie den Knall eines platzenden Kaugummis hört. Immer noch genervt, blickt sie zu Laura zurück und sieht, dass ihre Schülerin wie ein Wiederkäuer auf einem Kaugummi herumkaut. Sie dreht sich zu ihr um, bleibt neben ihr stehen und schaut sie von oben herab an.
»Was denn??«, keift Laura gereizt. Neve hält ihr lediglich ihre flache Hand vor den Mund.
»Kaugummi«, faucht sie eiskalt.
Als wenn sie so etwas nicht alleine entscheiden könnte, dreht sich Laura fragend zu Sam um. Etwas überfordert beobachtet Neve diese Handlung, bis Sam eine Kopfbewegung auf die offene Hand macht.
»Na los, mach schon.« Laura öffnet ihren Mund, schiebt den Kaugummi heraus und lässt ihn auf die Hand der Lehrerin fallen. Angeekelt schaut Neve das zermatschte Etwas an. Ehe Laura reagieren kann, holt sie mit der Hand aus und knallt den Kaugummi auf ihr offenes Mathematikbuch. Sofort schießt Laura wütend in ihrem Stuhl hoch.
»Ey!!«, brüllt sie wütend. Bevor Laura aber richtig warm werden kann, hört Neve einen zweiten Kaugummi platzen. Gereizt, weil sie weiß von wo der Knall kam, geht sie zu Sam zurück. Provokant grinsend schmatzt sie auf einem Kaugummi herum. Neve hält auch ihr die flache Hand vor den Mund. Anstatt den Kaugummi einfach aus dem Mund fallenzulassen, beugt sich Sam über die Hand, nimmt sie vorsichtig in ihre eigene und nähert sich mit den Lippen der Innenseite. Erst jetzt lässt sie den Kaugummi aus dem Mund fallen. Sie lehnt sich in den Stuhl zurück und lacht ihre Lehrerin neckisch an.
»Bitteschön Ms. Stewart.« In dem Moment in dem Neve den Kaugummi auf Sams offenes Buch schlagen will, zieht sie es weg.
»Sie sind zu langsam«, lacht die Schülerin. Neve geht mit dem Kaugummi in der Hand um Sams Platz herum und knallt ihn im vorbeigehen auf Lauras Buch. Die Schülerin konnte das Buch bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht einmal von ihrem eigenen Kaugummi befreien.
»Ey!!«, brüllt sie erneut.Als sie vom Platz aufspringen will, drückt Sam von hinten einen Fuß gegen den Stuhl und hindert sie somit am Aufstehen.
»Bleib sitzen Laura, ganz ruhig!« Blitzschnell dreht sich Laura zu ihr um.
»Die tickt doch nicht mehr ganz richtig. Die hat echt eine Schraube locker. Sam, sie hat mein Buch ruiniert«, schimpft sie lautstark.
»Na und? Lass sie doch, sie weiß eben nicht mit wem sie es zu tun hat.« Laura dreht sich wieder nach vorne und beobachtet ihre Lehrerin, wie die in ihrer Handtasche nach einem Taschentuch greift. Sichtlich angewidertvon den Kaugummiresten, wischt sie sich die Handfläche ab.
»Für meinen Geschmack hat sie etwas zu viel Mut.« Wie ein beleidigtes Kleinkind, rutscht sie wütend in ihren Stuhl und schleudert das mit Kaugummi verklebte Buch mit einer kurzen Handbewegung vom Tisch.
»Sollte jemand diese Klasse noch einmal mit einem Kaugummi im Mund betreten, solange ich hier unterrichte, der kann sich darauf einstellen, sich ein neues Mathematikbuch kaufen zu müssen«, warnt sie alle anderen Schüler. Laura schaut sie hingegen ernst an.
»Und von ihnen erwarte ich, dass sie morgen mit einem neuen Buch hier sitzen!«
»Sie können mich mal am A….!«. Sofort bricht Laura den Satz ab, als sich Sam nach vorne beugt und ihr gegen den Kopf schlägt. Sie dreht sich zu ihr um, schaut sie wütend und zugleich fragend an, wendet sich dann aber wieder nach vorne.
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