Stefan Raile - Rückkehr nach Strapen

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Hier traten wir damals an. Ein schlanker Zivilist mit dunkler Hornbrille, der uns vom Sammelpunkt in Dresden begleitet hatte, erteilte die Befehle. Wir war-teten auf Fahrzeuge. Da sie lange nicht eintrafen, durften wir wegtreten. Ich stellte meinen Koffer auf die Bank und blickte mich um. Einige von uns hatten Anzüge an, andere Kordhosen und Lumberjacks, manche schienen in Arbeitssachen gekommen zu sein. Am auffälligsten war Peter Müller gekleidet. Er trug Knickerbocker, ein braunes, graugestreiftes Sakko und auf dem rothaarigen Kopf einen breitkrempigen Filzhut.

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Stefan Raile

Rückkehr nach Strapen

Die Abenteuer des Soldaten Ronny B.

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Inhaltsverzeichnis Titel Stefan Raile Rückkehr nach Strapen Die Abenteuer des - фото 1

Inhaltsverzeichnis

Titel Stefan Raile Rückkehr nach Strapen Die Abenteuer des Soldaten Ronny B. Dieses ebook wurde erstellt bei

ERSTER TEIL, AM HANG Stefan Raile Rückkehr nach Strapen Die Abenteuer des Soldaten Ronny B. Dieses ebook wurde erstellt bei

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ZWEITER TEIL. KRAFTPROBE

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DRITTER TEIL. VERSUCHUNG

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Impressum neobooks

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Eigentlich wollte ich schon früher nach Strapen fahren. Ich hatte es mir mehrmals vorgenommen, aber meist fehlte der letzte Antrieb, oder es kam etwas Unvorhergesehenes dazwischen, und so verschob ich die Reise immer wieder. Doch nun stehe ich auf dem Bahnsteig von Wehlen, blicke dem Schlusswagen nach und bin nicht sicher, ob ich finden werde, was ich erhoffe. Wo soll ich suchen: auf den Sandsteinfelsen überm Fluss, in den nahen Wäldern oder in jenem Gebäude auf der Anhöhe?

Es wird schwierig, denke ich; denn es liegt so lange zurück. Und ich müsste alles über uns schreiben: Wie und warum wir so waren, was wir erreicht und wovon wir geträumt haben, dass wir gezweifelt und manchmal versagt haben.

Der Zug verschwindet im Dunst. Ich drehe mich um und blicke den Bahnsteig entlang. Nirgends entdecke im Mergelt. Weshalb ist er nicht gekommen?

Ein Rotbemützter geht an mir vorbei. „Sie wissen wohl nicht, wohin?“, fragt er.

„Doch“, sage ich. „Es hat sich nur viel verändert.“

„Seit wann?“

„Seit achtundfünfzig.“

„Das ist normal“, meint er. „Oder nicht?“

Ich nicke nur, will kein Gespräch, nicht jetzt. Rasch quere ich die kleine Bahnhofshalle. Es gibt keine Sperre mehr. Lediglich die helleren Stellen auf dem Betonboden verraten, wo sich einst die Kontrollhäuschen befanden.

Auf dem Vorplatz bleibe ich stehen. Die beiden Robinien sind deutlich größer geworden. Sie schatten die Bank, auf der ich mal mit Dagmar saß. Das Basaltpflaster schimmert matt unter dem Staub, und aus den Fugen sprießt das Gras wie ehedem. Selbst einige Tauben sind wieder da, trippeln emsig umher und suchen nach Futter.

Hier traten wir damals an. Ein schlanker Zivilist mit dunkler Hornbrille, der uns vom Sammelpunkt in Dresden begleitet hatte, erteilte die Befehle. Wir warteten auf Fahrzeuge. Da sie lange nicht eintrafen, durften wir wegtreten. Ich stellte meinen Koffer auf die Bank und blickte mich um. Einige von uns hatten Anzüge an, andere Kordhosen und Lumberjacks, manche schienen in Arbeitssachen gekommen zu sein. Am auffälligsten war Peter Müller gekleidet. Er trug Knickerbocker, ein braunes, graugestreiftes Sakko und auf dem rothaarigen Kopf einen breitkrempigen Filzhut.

„Schlamperei“, nörgelte er. „Da heißt es immer: Bei der Fahne herrscht Ordnung!“

Nach und nach bildeten sich Gruppen, in denen man diskutierte, weshalb wir nicht abgeholt wurden. Einige ereiferten sich noch mehr als Müller. Nur Sigi Faber wirkte gleichmütig. Er lehnte am Stamm einer Robinie und hatte das linke Bein etwas angewinkelt. Ich schlenderte zu ihm. Er war etwas größer als ich und auch breiter in den Schultern.

„Die lassen uns zappeln“, sagte ich.

„Sie werden ihre Gründe haben“, erwiderte er. „Es wird schon jemand aufkreuzen.“ Er lächelte flüchtig mit den Augen, ohne merklich die Mundwinkel zu verziehen.

Der hat die Ruhe weg, dachte ich. Als Motorengeräusche erklangen, wandte er kurz den Kopf. „Gleich wissen wir mehr.“

Ein B-Krad näherte sich. Der Fahrer bremste, die Reifen schurrten übers Pflaster und verscheuchten die Tauben. Leutnant Mergelt sprang vom Sozius, rückte seine Schirmmütze zurecht und nestelte am Koppel. Unser Begleiter befahl uns, erneut anzutreten. Der Offizier erklärte, dass sich die für unseren Transport vorgesehenen LKWs im Grenzeinsatz befänden. Man wisse nicht, wann sie zur Verfügung stünden. Deshalb müssten wir marschieren. Es sei nicht allzu weit.

Ich dachte: Wenn die alle Wagen brauchen, scheint es eine gefährliche Sache zu sein.

Wir setzten uns in Marsch. Zunächst war der Weg noch eben, aber bald erreichten wir einen langen, steilen Anstieg. Er schien in den blassblauen Himmel zu münden, an dem die grelle Sonne flimmerte. Sie sengte ungehindert, die jungen Pappeln rechts und links warfen fast keinen Schatten. In den Fels waren Stufen gehauen. Trotzdem keuchten wir schon nach den ersten hundert Metern. Die Koffer zerrten schwer an den Gelenken. Sigi trug seinen auf der rechten Schulter. Anscheinend bereitete es ihm keine Mühe. Ich ging hinter ihm und passte mich seinen Schritten an. Mir wurde rasch warm. Manche knöpften ihre Hemden auf oder lockerten die Schlipse, andere nahmen die Jacken über den Arm. Peter Müller wischte sich wiederholt die Stirn ab. Er glühte regelrecht unterm Haarschopf. Als etwa die Hälfte des Anstiegs bewältigt war, riss er sich den Hut vom Kopf und schleuderte ihn fluchend weg. Einige begannen zu murren, andere blieben einfach erschöpft stehen, und einer barmte: „Verschnaufpause!“

Der Mann mit der Hornbrille gebot uns zu halten. Er schwitzte ebenfalls, atmete aber erstaunlich ruhig. „Wenn euch die Puste so schnell ausgeht, werden saure Wochen folgen“, prophezeite er.

„Mir reicht‘s bereits“, entgegnete Jörg Dudky und strich sich übers glänzende schwarze Haar.

„Schon?“, staunte Uwe Zindel und zeigte seine makellosen Zähne. „Das ist bloß ein Vorgeschmack. Bald wird man dir die Hammelbeine richtig langziehen.“

„Dir auch“, meinte Klaus Bahle, der einen bunten Schlips trug. „Dir sogar besonders. Du hast nämlich solch frechen Blick, und den mag man hier gar nicht.“

Peter Müller, der sich etwas abseits hielt, langte eine flache Plastikflasche aus der Innentasche seines Sakkos, öffnete sie und trank.

So ein Schlawiner, dachte ich. Der hat vorgesorgt. Auch Dudky sah zu ihm. „Der pichelt einem was vor, während uns die Kehle ausdörrt“, rief er und fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. „He, Kumpel, lass ‘nen Tropfen übrig!“

„Zu spät“, bedauerte Müller und hielt die Flasche mit der Öffnung nach unten. Sie war leer.

„Geizkragen“, knurrte Zindel. Doch Bahle fügte hinzu: „Nicht mosern, Männer. War sowieso bloß laue Plörre.“

Müller schraubte die Flasche zu und schob sie unter sein Jackett. Es bauschte kein bisschen. Auch später fiel uns nie etwas an seiner Uniform auf. Mir bemerkten nur, dass er sich während der Pausen auf dem Taktikgelände oft absonderte. Einmal schlich Dudky ihm nach und kehrte aufgeregt zurück. „Wisst ihr, was er treibt?“

„Er wird pinkeln“, vermutete Werner Kambert, den ich aus unsrer Gruppe am wenigsten mochte.

„Falsch getippt, Leute. Er schlabbert sich den Wanst voll!“

„So einer“, mokierte sich Bahle. „Wir darben, und der macht Fettlebe. Das vermasseln wir ihm!“

„Wozu?“, fragte ich.

Sie fanden heraus, dass sich Müller im Vorraum aus einem Getränkekübel Malzkaffee einfüllte. Eines Mittags streuten sie zwei Tüten Salz hinein. Als wir nach mehreren Sturmangriffen pausierten, schlenderte er wieder beiseite. Dudky und Zindel folgten ihm. Sie kamen übermütig zurück. Der Beobachtete setzte sich abseits, rupfte einen Grashalm aus und kaute daran.

„Einen Durst hab ich, Männer“, rief Bahle so laut, dass es die Rekruten, die in der Nähe rasteten, hören sollten. „Jetzt ‘nen Kaffee mit wenig Zucker …“

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