Sie alle waren sooo neugierig mit mir zu sprechen, ein Strom von Tausenden von Fragen über unsere Welt. Aber auch meine Fragen, speziell an die schwarzgekleideten Beduinen, wurden alle beantwortet. Für mich eine Reise in eine andere wundersame Welt, die sich hier für Stunden öffnete. War eine Füllung der Wasserpfeife aufgeraucht, wurde sofort eine neue Füllung bereit gemacht und wieder rumgereicht. Essen, Fragen, eine Wasserpfeife nach der anderen, ein Spiel das sich über fünf Stunden hinstreckte.
Ein Blick auf meine Uhr. Nach ein Uhr Nachts und ich war vollgefressen und schwer vollgekifft, wie wohl alle Männer am Tisch. Ich fragte meinen Gastgeber:
„Vielleicht ist es besser, wenn wir jetzt zum Hotel aufbrechen?“
Ich war mir nicht mehr sicher, ob ich die zwei Kilometer überhaupt noch laufen konnte. Ein Handzeichen zu einer Ecke des Essraums, alle erhoben sich, wir verabschiedeten uns und innerhalb von Sekunden wurde Marianna aus den hinteren Räumen geführt.
Hatte man uns von dort beobachtet? Wir wurden jetzt zurück ins Hotel gebracht. Unser Gastgeber und einer der Beduinen begleiteten uns. Marianna klammerte sich heftig an meinen Arm. Klar war sie auch so bekifft wie ich. Unmöglich noch über diese Nacht zu reden, wir fielen nur noch ins Bett.
Natürlich wollte ich am nächsten Tag wissen, wie es Marianna in der Frauen Sektion ergangen war. Das Folgende erzählte sie mir über ihre Nacht:
„Das Essen war bereits angerichtet und wir waren um die 25 Frauen. Alte Frauen, junge Frauen und etliche Kinder. Zwischendurch wurde auch die Wasserpfeife herumgereicht und fast alle Frauen haben mitgeraucht. Die Kinder natürlich nicht. Die ganze Nacht wurde nur gelacht. Einige sprachen gut Englisch und die übersetzten dann für mich. Sie wollten alles über mich wissen. Wie viele Freunde ich schon hatte und mit wie vielen ich Sex hatte. Welche Positionen ich am meisten mag und ob die Größe des Penis wichtig für mich ist.“
„Ich bin ein paar Mal so rot geworden wenn es um Sex ging, dann haben sie sich noch mehr amüsiert. Sie haben mir alles über sich erzählt. Einige Alte haben Geschichten erzählt über Sex mit ihren Männern. So lustig. Eine erzählte, dass immer wenn ihr Mann einen schlechten Tag hatte und übelgelaunt war, sie ihm dann einen Blowjob gab. Da hat sich dann alles kaputtgelacht.“
„Ich hab immer gedacht, die hassen das wenn sie mit ihren langen Burkas in der Hitze einkaufen müssen, so dass kein anderer Mann sie sehen kann. Aber die lieben das. In ihrem Frauenbereich sind sie frei und Männer haben da nichts zu bestimmen. Die Männer sind verantwortlich für das Draußen, das Geld zu verdienen, für Politik und das Geschäft. Die Frauen für das Kochen, die Sauberkeit im Haus, und kümmern sich um die Kinder. Außerdem für Schönheit und um ihrem Mann alles zu geben, was er braucht.“
„Spät in der Nacht haben sie dann eine Modenschau für mich gemacht, haben mir all die tollen Kleider vorgeführt, die sie in ihrem Bereich tragen. Sogar ihre sexy Unterwäsche, die sie nur für ihren Ehemann tragen. Solche Slips und BH‘s kann man in Deutschland nur im Beate Uhse Sexshop kaufen.“
„Das war mir manchmal richtig peinlich.“
Für uns vier ging es dann zwei Tage später weiter. Einige Tage Kandahar und dann mit dem Bus in die Hauptstadt Kabul. Hier wollten wir eine Woche bleiben. Alle anderen dieser Gruppe blieben zurück in Herat, um ihren täglichen Haschischrausch zu genießen.
Kabul – Ein überraschendes Wiedersehen:
In Herat konnten wir während des Tages im T-Shirt herumlaufen, abends wurde es nur etwas kälter. Je näher wir Kabul kamen, desto kälter wurde es. Die Einreise in Kabul war ein absoluter Schock für uns alle. Temperaturen um die Null Grad, mit eiskalten Winden. Kein Schnee, aber nur für den Weg zu unserem kleinen Hotel musste ich alle meine Kleidung tragen die ich in meinem Rucksack hatte. Drei T-Shirts, einen Pullover, die Bundeswehrjacke, die Socken zusammengebunden um sie als Schal zu benutzen.
Winter in Kabul. Ich hatte immer gedacht:
„Ist ja Asien und da scheint immer die Sonne. Da muss es immer heiß sein. Denkste!“
Also erst mal ab ins billigste Hotel, hatte der Bayer mir gesagt. Das hatte nur drei Räume. Wir nahmen einen mit vier Betten. Arschkalt. In der Mitte ein kleiner Buller-Ofen, den man mit Holz füttern musste. Aber da lag kein Holz.
Man warnte uns auch an der Rezeption, dass für die nächste Nacht minus vier bis acht Grad zu erwarten waren. Hinten an der Wand hing ein Thermometer. Es zeigte vier Grad plus. Wir sind verantwortlich fürs Holz. Wollten wir ein warmes Zimmer, dann mussten zuerst alle zusammen auf den Markt um Holz zu kaufen. So viel wir schleppen konnten. Nettes Hotel, nur Kaffee und Tee konnte bestellt werden. Essen mussten wir uns draußen besorgen.
Dann im Raum zuerst das Feuer in dem gusseisernen Ofen in Gang bringen. Schon während wir auf das Feuer warteten, beschlossen wir, hier keine sieben Tage zu verbringen. Auf Minustemperaturen war niemand von uns vorbereitet. Also das Beste, wir fahren morgen weiter, Richtung Pakistan. Der Raum wurde warm und wir machten uns auf den Weg dieses berühmte Steakhaus zu finden.
In Istanbul hatte es jeder als den Platz in Kabul beschrieben, ähnlich dem Pudding-Shop. Der Platz um Informationen auszutauschen und andere Rucksäckler zu treffen.
Man beschrieb uns den Weg dahin in der Rezeption. Ein ca. zwei Kilometer langer Fußmarsch durch die Kälte aber mit der Aussicht auf gutes Essen und mehr über unsere nächste Etappe zu lernen. Mir war es saukalt und ich hatte bereits beschlossen auf dem Weg vielleicht einen etwas wärmeren Pullover zu kaufen, was aber nicht klappte.
Wir betraten das Steakhaus und was für eine Enttäuschung. Nicht ein einziger Gast. Keine weißen Tafeln an der Wand um Nachrichten auszutauschen. Ich hatte Steak und Pommes Frites und Salat und viel Tee um mich aufzuwärmen für den langen Weg zurück. Wir sprachen natürlich über den nächsten Tag. Wir mussten den Bus um zehn Uhr morgens erwischen. Eine lange Busfahrt über den Khyber Pass und dem nachfolgenden Grenzübergang nach Pakistan.
„Warum schwitzt du so?“ fragte mich Marianna.
Stimmt, warum lief mir eigentlich der Schweiß in Strömen durchs Gesicht und den Nacken runter? Ich hatte bereits alle Papierservietten auf unserem Tisch aufgebraucht.
„Bist du OK?“
„Ja ich bin OK. Weiß auch nicht warum der Schweiß so läuft? Es geht mir gut.“
Aber es war schon sehr merkwürdig. Das Restaurant war angenehm warm beheizt, aber der Schweiß lief in Strömen und ich musste mir neue Packungen von Servietten von der Theke holen. Marianna kam rüber und fühlte meine Stirn.
„Du bist ganz heiß.“
Ich schwitzte wie ein Schwein. Das war mir schon langsam peinlich. Aber irgendwie war alles klar mit mir. Ich fühlte mich nicht heiß. Warum sollte ich auch. Der Schweiß hatte erst in dem Moment angefangen als wir dieses Restaurant betreten hatten.
„Ich bin OK. Wirklich.“
Wir blieben da für viele Stunden, in der Hoffnung, dass dann doch vielleicht irgendein anderer Gast kommt und es war schön warm. Aber der Schweiß lief und lief - was immer ich auch versuchte ihn zu stoppen. Schon sehr merkwürdig.
Niemand kam und so beschlossen wir zurückzulaufen, einen anderen Weg diesmal, um doch noch einen Laden für Biskuits und viel Wasser zu finden. Vorräte für unsere kommende Nacht.
Ich stand vom Stuhl auf, mein erster Schritt, ich verlor das Gleichgewicht, wäre fast auf den Boden geknallt. Marianna fing mich auf. In Schweiß gebadet, schwer atmend. Es war etwas falsch mit mir.
„Komm, ich helfe dir. Nimm meinen Arm.“
Ich wusste, dass irgendwas nicht mit mir stimmte. Aber ich musste den langen Weg zurück schaffen. Ich versuchte es wieder alleine. Ich war der erste an der Tür, öffnete und ging raus in die kalte Luft. Ich rannte direkt in einen anderen Menschen, wäre fast gefallen, und der wohl auch. Rappelte mich auf, drehte mich um.
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