Ein breites Grinsen erschien auf den Gesichtern unserer vier Kellner. Sie hatten gewonnen. Nochmal die Frage in Richtung Chandus:
„OK? OK?“
„Klar.“
Sie standen wieder an der Küchentür als Gruppe, flüsterten und das Glück strahlte aus jedem heraus. Die Welt war für sie jetzt wieder in Ordnung.
Chandus, mit Blick auf seine Uhr, lehnte sich rüber zu mir:
„Ich gebe ihm fünf Minuten.“
Ich beobachte jetzt beide Türen und unsere Kellner. Die Küchentür öffnete sich, ein Kellner brachte ein Getränk und ein großes weißes Gespenst huschte an ihm vorbei, hielt einen Meter innerhalb des Gastraums an und bewegte sich dann mit aller Grazie langsam zu seinem Platz auf der Matratze. Da legte er sich dann hin, mit seinen Augen cool die Kellner erwägend.
Chandus:
„Zwei Minuten und fünf Sekunden.“
Ich streichelte Panda. Was dachte er jetzt wohl?
„Ist das alles was Ihr könnt? Da müsst ihr euch wohl was Besseres einfallen lassen.“
Ein Schock ging durch die Gesichter der Kellner, das Lächeln verschwand, jetzt wurde wieder wild geflüstert, und das zog sich für eine Weile hin.
Der nächste Joint wurde rumgereicht, die Kellner hatten einen erneuten Beschluss gefasst.
Derselbe Kellner, wohl der Mutigste von denen, erschien wieder. Diesmal mit einem größeren Hühnerknochen. Dieselbe Prozedur. Erlaubnis einholen von Chandus. Der Knochen näherte sich langsam der Nase von Panda. Für eine Weile passierte nichts. Panda erwog die Größe des Knochens. Als er ihn wohl für groß genug befunden hatte, stand er auf und folgte Kellner und Knochen langsam zur Tür. Draußen bekam er den Knochen. Die Tür wurde blitzschnell geschlossen. Ein breites Grinsen auf allen Gesichtern unserer Kellner. Es wurde euphorisches geflüstert.
Chandus beobachtete seine Uhr und ich hielt beide Türen im Auge.
Der nächste Kellner hatte was von der Küche reinzubringen, das Riesen-Gespenst huschte an ihm vorbei und blieb in der Mitte des Raumes stehen - dann ganz langsam, wie ein König zu seiner Krönung schreitend, ging‘s zurück auf seine Matratze.
„Zwei Minuten siebzehn Sekunden.“
Jeder im Raum hatte mittlerweile das Spiel mitbekommen, den Wettstreit der Intelligenz zwischen Panda und unseren vier Kellnern. Einige applaudierten Panda, kamen dann rüber um ihn zu streicheln. Fünfzehn Minuten später der nächste Akt in dieser Tragödie / Komödie. Jetzt beobachteten alle Panda und die Kellner. Wir alle wussten den Ausgang dieses Aktes, es ging nur darum wie lange er brauchen würde, um sie zu besiegen. Ein Akt nach dem anderen, die Knochen wurden größer und größer. Panda blieb in seiner Zeit immer unter fünf Minuten, die Kellner gaben nie auf, wir alle bepissten uns mittlerweile vor Lachen. Ich hatte Bauchschmerzen von diesen Lachkrämpfen.
Irgendwann reichten die Hühnerknochen nicht mehr und es wurden erst halbe und dann ganze Steaks an Panda ausgeliefert. Was für eine erste Nacht. Aber so sollte es dann in jeder Nacht gehen.
Neue Varianten der Tragischen Komödie, die selbst Shakespeare vor Lachen von seinem Hocker gerissen hätte.
Ganz tief drinnen liebten unsere Kellner diesen Hund. Sie hätten so gerne den Mut gehabt sich neben ihn zu setzen und ihn zu streicheln. Chandus bestellte nach der ersten Nacht nichts mehr für Panda. Jede Nacht wurde Panda besser gefüttert als wir alle.
Dann kam die letzte Nacht für mich, Marianna und unsere Franzosen. Wir hatten beschlossen jetzt endlich weiterzufahren, Richtung Kandahar und Kabul, die anderen in ihrem seligen Haschisch Rausch zurückzulassen.
Wir setzten uns und bestellten unser Essen. Es würde bald losgehen mit einer weiteren Variante unserer Komödie. Nein, diesmal nicht.
Erst wurde unser aller Essen rein getragen. Dann öffnete sich die Küchentür und alle vier Kellner präsentierten ein Mehr-Gänge Menü für Panda. Keinen dieser großen Teller, sondern eine noch größere Präsentierschale, daneben zwei Schalen mit Wasser und Milch, wurden vor ihm abgesetzt.
Ich traute meinen Augen nicht. Das Beste was sie hatten. Gebratenes Hühnchen, Steaks in Rahmsoße, Knochen mit viel Fleisch - eine Ansammlung von Delikatessen mit denen Panda von ihnen bedient wurde.
Chandus:
„Derjenige der smarter ist als Panda, ist bis jetzt noch nicht geboren worden.“
Ich hoffe das Chandus, der bestimmt immer noch irgendwo in Deutschland lebt, mal dieses Buch liest. Eine wahre Geschichte, um unsere Kellner zu ehren, die uns einen kleinen Teil ihrer Seelen gezeigt haben und um eine wunderschöne Seele zu ehren: Panda, einen weißen Schäferhund.
„Panda, mit all meiner Liebe, vielen Dank.“
Ich sollte ihn viel später wiedertreffen.
Ca. acht Tage in Herat, drei Wochen in Afghanistan, herzlichste Gastfreundlichkeit jede Sekunde meines Aufenthalts. Freundliche Menschen überall. Marianna konnte ihr dickes langes Haar offen tragen. Täglich ging‘s raus die Stadt zu erkunden, ihre Menschen zu erleben. Viele Frauen in ganz normalen kürzeren Röcken und schönen Blusen und ohne Kopftuch, aber auch viele in der voller Burka. ein langes Kleid, das sogar fast die Schuhe verdeckt aber mit feinstem Geflecht, das die Sicht von Innen ermöglicht. Und das auch sehr oft in wunderschönen geschmackvollen modischen Farben.
Mit Frauen in Burka konnte man nicht sprechen, aber wir begegneten ihnen oft auf ihren Einkäufen - alleine oder in Gruppen. Es war unmöglich das Alter dieser Frauen zu schätzen, sie konnten jung oder uralt sein. Aber kurze Begegnungen mit ihnen auf dem Bürgersteig liefen oft so ab:
Sie kamen uns entgegen. Ein Zögern in ihrem Schritt, sie verlangsamten ihren Spaziergang. Wir konnten sie nicht ansprechen und wollten sie nicht anstarren, aber wir wurden auch langsamer, um die ganz kurze Begegnung um zwei Sekunden zu verlängern. Auf gleicher Höhe drehten sie leicht den Kopf zu uns, wir lächelten und ich sah glitzernde, leuchtende, lächelnde Sterne durch die kleinen Löcher des Gesichtstuchs auf funkeln. Sie studierten uns mit Neugier und wir studierten die geheimnisvolle Person hinter dem Schleier. Dann waren sie vorüber. Sie drehten sich nicht um und wir auch nicht, was zudem unhöflich gewesen wäre.
Am vierten Tag wurden wir von unserem Afghanen, der uns das Haschisch verkauft hatte, zum Abendessen eingeladen. Er wartete um acht Uhr am Laden auf uns. Dann ging‘s zu Fuß zu seinem Haus. Wir hatten ein kleines Essen erwartet, etwas plaudern, dann zurück ins Hotel. Aber es lief ganz anders.
Beim Betreten des Hauses wurde Marianna sofort von einer Frau an die Hand genommen und verschwand in den hinteren Teil des Hauses. Ich sollte sie bis in die späte Nacht nicht mehr sehen. Ich wurde in einen großen Raum geführt, dessen Boden mit wunderschönen Teppichen ausgelegt war, mit einem runden sehr flachen Tisch in der Mitte. Der Tisch war schon voll beladen mit unzähligen Kostbarkeiten der afghanischen Küche. Da wurden wohl noch viele andere Gäste für dieses private Essen erwartet.
Sie erschienen dann auch alle innerhalb von Minuten nachdem ich mich auf den Boden gesetzt hatte. Mindestens zwanzig Männer, manche in Jeans und westlicher Kleidung aber auch zu meiner Überraschung, sechs schwarzgekleidete Beduinen. Natürlich stellte mir mein Gastgeber jeden vor, die Beduinen waren wohl auch Teil seiner Familie.
Was nun folgte, kann man nur als eine fünfstündige Schlemmerei beschreiben, begleitet von einem nie aufhörenden Frage- und Antwortspiel. Nur drei sprachen Englisch und die übersetzten dann für mich. Nach einer Weile erschien die erste Frau am Tisch, verschleiert, und stellt eine große Wasserpfeife bereit. Jeder am Tisch rauchte Haschisch damit. Sie wurde von Person zu Person gereicht. Natürlich konnte ich weder ablehnen mitzurauchen noch ablehnen alles zu probieren was uns auf dem Tisch präsentiert worden war.
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