Sarah Schenkenstein - Geliebter Knecht

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Die blutjunge Grafentochter Jonatha führt auf der mittelalterlichen Wolfsburg ein bislang beschauliches Leben. Das ändert sich, als der junge Pferdeknecht Jeronimus seinen Dienst auf der Burg antritt. Die Adlige und der Knecht kommen sich rasch näher. Doch ausgerechnet jetzt will der Graf seine Tochter verheiraten und begibt sich auf die Suche nach einem standesgemäßen Mann…

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Sarah Schenkenstein

Geliebter Knecht

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Inhaltsverzeichnis Titel Sarah Schenkenstein Geliebter Knecht Dieses ebook - фото 1

Inhaltsverzeichnis

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Die Prophezeiung

Unheilvolle Rückkehr

Ein Angebot

Ausflug

Der Gast

Verzweiflung

Das Geständnis

Auszug

Impressum neobooks

Die Prophezeiung

Der Pfad schlängelte sich durch den Wald, gerade breit genug, dass ein Pferd ihn beschreiten konnte. Zweige schlugen Jonatha ins Gesicht, während ihre Stute Martha sich mühsam einen Weg durch Bäume und Gestrüpp bahnte. Zwischen den nackten Baumkronen konnte Jonatha dunkelgrauen Himmel erkennen, der vom bald beginnenden Frühling nichts ahnen ließ.

„Bist du sicher, Nes, dass wir auf dem richtigen Weg sind?“, fragte Jonatha.

„Aber natürlich“, antwortete ihre Freundin Agnes, die vor ihr ritt. „Auch wenn es nicht so aussieht, wir sind gleich da. Ich kenne mich hier recht gut aus, schließlich war ich schon mit meiner Schwester hier. Und wo ich einmal gewesen bin, da finde ich immer wieder hin.“

Jonatha staunte über Agnes’ guten Orientierungssinn und auch über ihr Selbstbewusstsein. Wie gerne hätte sie mehr davon gehabt. Woher ihre Freundin dieses allerdings nahm, war ihr ein Rätsel. Klein und kurzbeinig stampfte Agnes energisch durchs Leben - wie ein junger General mit dickem Gesicht, in dem die winzigen Äuglein beinahe zu verschwinden drohten. Während Jonatha stets die Augen niederschlug, wenn jemand sie ansprach, lag steter Trotz in Agnes’ Blick, und ihre Stimme war laut und fordernd.

Trotz der Gegensätzlichkeit der beiden verband die Mädchen eine tiefe Freundschaft. Ihre gesamte Kindheit hatten sie bereits miteinander verbracht. Jonatha, die einzige, wohlbehütete Tochter des Grafen und Agnes, ältestes von acht Kindern. Agnes Mutter Irmtraut war Kindfrau auf dem Anwesen des Grafen und zog neben ihren eigenen Söhnen und Töchtern auch Jonatha groß. Irmtraut, die früher als Magd diente, hatte seit jeher gute Dienste für den Grafen geleistet. Als Jonathas Mutter im Kindbett starb, hatte ihr Vater sie gebeten, sich um Jonatha zu kümmern. Irmtraut wurde fast wie eine richtige Mutter für Jonatha, die sich heimlich wünschte, ihr Vater würde Irmtraut ehelichen. Doch es geziemte sich nicht für einen Grafen, eine ehemalige Magd zu heiraten. Obwohl Jonatha den leisen Verdacht hegte, dass sich die beiden gern hatten.

Jonatha hätte gerne öfter mit Irmtauts anderen Kindern gespielt. Doch diese mussten schon im frühen Alter auf dem Gut arbeiten. Während sie Ställe ausmisteten oder auf den Feldern bei der Ernte halfen, bekam Jonatha Musikunterricht.

Die kleineren Kinder jedoch tollten oft auf dem Hof herum. Wenn Jonatha Tonfolgen auf der Harfe zupfte, hörte sie oft ihr Kreischen und Lachen zum offenen Fenster herauf. Wie gerne hätte sie mit ihnen herumgetobt, doch ihr Vater wachte akribisch darüber, dass sie ihre Zeit nicht mit derart unnützen Beschäftigungen verbrachte. Stattdessen bekam sie regelmäßig Unterricht in verschiedensten Fächern. Nur die besten Lehrer, die teilweise von weit her kamen, hatte der Graf dazu angestellt.

Seit kurzem verlangte er von Jonatha sogar, dass sie einen speziellen Unterricht besuchte, der sie auf das Leben als spätere Ehefrau eines Adligen vorbereitete. Etikette, das richtige Benehmen bei Tisch und die Regeln guter Konversation interessierten Jonatha doch nur wenig. Wohl aber der künftige Ehemann. Wer es wohl sein würde? Jonatha hoffte inständig, dass er nicht allzu hässlich und alt sein würde. Und, dass er sie gut behandelte.

Bestimmt würden bald viele Männer um sie werben, sobald sie ins heiratsfähige Altern kam. Und das lag nicht mehr weit entfernt. Nächstes Jahr feierte sie ihren 15. Geburtstag.

Am liebsten hätte sie sich aus mehreren in Frage kommenden Adligen den Richtigen ausgewählt. Aber es konnte durchaus sein, dass ihr Vater ihr bereits den endgültigen Ehemann präsentierte. Mit Schaudern dachte sie an die Berichte von Mädchen, deren Väter ihnen keine Wahl gelassen und sie mit widerlichen Kerlen verheiratet hatten.

Doch Jonatha kannte ihren Vater. Er war zwar streng, aber er liebte seine Tochter sehr, sodass er bestimmt nur einen Mann akzeptieren würde, den Jonatha guthieß. Das hoffte sie zumindest. Bald würde der Graf die ersten Werber einladen, dessen war sie sich sicher. Womöglich hatte er bereits eine Vorauswahl getroffen, doch bislang hielt er sich bedeckt. Sobald die Sprache auf dieses Thema kam, schwieg sich ihr Vater aus. Sie bekam nichts aus ihm heraus, und auch Irmtraut wusste angeblich nicht darüber Bescheid.

„Sieh’ nur, da vorne ist es!“, rief Agnes.

Durch die Äste schimmerten die Mauern eines kleinen Lehmhauses. Agnes trieb ihr Pferd zu einer schnelleren Gangart an. Während es die letzten Meter bis zu dem Haus trabte, wippte Agnes langer dicker Zopf wie ein Kuhschwanz hin und her.

„Warte doch auf mich, nicht so schnell“, rief ihr Jonatha hinterher, die Angst hatte, dass ihr Pferd auf dem unwegsamen Pfad über eine Wurzel stolperte.

Doch Agnes war zu aufgeregt, um auf ihre Freundin zu warten.

Das winzige Häuschen besaß ein einziges Fenster, dessen Scheibe jedoch blind und stark verschmutzt war, sodass man nicht ins Innere blicken konnte.

Als Jonatha ihre Freundin einholte, hatte Agnes bereits ihr Pferd an einem Baumstamm festgebunden.

„Vielleicht ist gar niemand da“, mutmaßte Jonatha.

Sie bereute für einen kurzen Moment, dass sie diesem Ausflug zugestimmt hatte. Natürlich war es Agnes Idee gewesen, hierher zu kommen. Ihre Freundin hatte so lange auf sie eingeredet, bis sie schließlich eingewilligte. Es koste auch nur wenige Groschen, hatte ihr Agnes danach noch kurz zugeraunt. Das hatte Jonatha bis dahin nicht bedacht, jedoch schob ihr Vater ihr oft ein paar Münzen zu, sodass sie stets über etwas Geld verfügte.

Agnes wusste dies natürlich und hatte auf ihre Bereitschaft spekuliert, ihr Vorhaben zu finanzieren.

Auch Jonatha hatte nun ihr Pferd angebunden. Bevor sie sich dem Häuschen zuwandte, tätschelte sie die Stute noch einmal.

„Brave Martha“, lobte sie. Es war wirklich ein gutes Pferd. Daheim würde sie Zacharias bitten, dem Tier eine extra Portion Futter zu geben.

„Nun komm’ doch endlich“, drängte Agnes, die bereits vor der Tür des kleinen Häuschens stand und schon die Hand erhoben hatte, um anzuklopfen.

Kurz zögerte Jonatha, bevor sie hinzutrat. Die beiden Mädchen sahen sich an. Agnes blickte verschwörerisch, Jonatha eher ängstlich. Ob es wirklich richtig war, was sie hier taten?

Agatha klopfte energisch an die Tür.

Alles blieb still. Kein Ton drang aus der ärmlichen Hütte. Doch plötzlich öffnete sich die Tür weit, sodass Jonatha vor Schreck beinahe geschrien hätte.

Vor ihnen stand eine schlanke Frau mit langem braunen Haar, in das sich erste graue Strähnen mischten. Auf bloßen zierlichen Füßen stand sie vor ihnen. Ein Kälberstrick, dessen Enden bis fast zum Boden herabhingen, hielt ihr einfaches braunes Gewand in der Taille zusammen.

Jonatha staunte, denn sie hatte sich die Frau älter vorgestellt und irgendwie auffälliger. Sie strahlte völlige Ruhe aus und ihr Blick wirkte, als wisse sie bereits über die beiden Freundinnen Bescheid. Zumindest kam Jonatha das so vor.

Eine Weile sprach niemand ein Wort. Selbst Agnes schien zu ehrfürchtig, um sofort loszuplappern, wie es sonst ihre Art war. Schließlich überwand sie sich doch und ergriff das Wort: „Gott zum Gruße, werte Dame Eva“, sagte sie und versuchte ein Lächeln.

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