1 ...6 7 8 10 11 12 ...32 Sie hatte die Rechnung ohne Delia gemacht, die ihr höflich darlegte, dass man auf D’Aryun keine persönlichen Sklaven habe und dies in Anbetracht der vielen Vampire auf der Festung nicht in Frage käme. Sie müsse sich allein um ihre Kleidung kümmern und könne nach einem Blutsklaven rufen, wenn sie Blut benötige.
Delia berichtete Zelinkan von Inams Ansinnen, woraufhin es zu einem Streit zwischen Vater und Tochter kam, den alle, die sich in der Nähe der Gemächer der Besucher aufhielten, mitanhören konnten, unter anderem die Zimmersklavinnen, die in der Küche brühwarm darüber berichteten. Auch wie Inam tränenblind aus den Räumen stürmte und den Rest der Nacht damit verbrachte, durch die Festung zu irren.
»Das hat ihr den Kopf zurechtgerückt!«, erzählte Emese Rodica am Morgen nach jenem Streit, als sie sich für das Bett fertigmachten. »Die ist doch nur angereist, weil sie ein Auge auf den jungen Herrn geworfen hat! Als er bei den Arrajk’ag war, da hat sie mit ihm gespielt. Da war er gerade gut genug, um ihn sich ins Bett zu zerren. Aber jetzt, wo er der Erbe des Herrschers ist, ja, da will sie ihn!«
Rodica starrte sie sprachlos an. Was sagte Emese da? »Woher weißt du das alles?«, fragte sie vorsichtig, ängstlich bemüht, ihre Stimme nicht zittern zu lassen. Maksim und Inam? Das konnte, das durfte einfach nicht wahr sein!
»Zelinkans Krieger haben es Vazha berichtet.« Emese schüttelte energisch ein Kissen auf. »Die feine Dame ist ein ganz durchtriebenes Luder! Ihr armer Vater! Der versucht seit geraumer Zeit, einen Gefährten für sie zu finden. Am Anfang hat sie alle Verehrer abgelehnt. Nun hat niemand mehr Interesse an ihr. Wie auch, wo jeder weiß, dass sie sich praktisch den ganzen Stamm der Arrajk’ag ins Bett genommen hat! Ich sage dir, die setzt alles daran, sich den jungen Herrn als Gefährten zu angeln. Und wenn sie sich von ihm schwängern lässt!«
An diesem Tag konnte Rodica nicht einschlafen. Dass Maksim vor ihr Erfahrungen gesammelt hatte, war ihr bewusst, schließlich war er zehn Winter älter als sie. Sie hatten nie darüber gesprochen. Es war einfach nicht wichtig gewesen. Doch plötzlich erschien es ihr in einem anderen Licht. Es schmerzte, ihn sich in den Armen der schönen und eleganten Inam vorzustellen. Verglichen mit ihr war sie doch klein und hässlich in ihren einfachen Arbeitskitteln, die Hände häufig schmutzig von der Arbeit in den Stallungen!
Wütend hieb sie in ihr Kissen und konnte nicht verhindern, dass ihr die Tränen hinunterliefen. Wieso wusste sie nichts davon? Wieso hatte er es verschwiegen? Spätestens mit Inams Ankunft hätte er es ihr sagen müssen!
Ach, sagte ihre innere Stimme spöttisch, du hast ihm nicht von Andrei erzählt, oder? Warum sollte Maksim dir dann von seinen Liebschaften berichten?
Ja, es stimmte, er wusste nichts von Andrei. Trotzdem konnte sie nicht verhindern, dass sie enttäuscht war. Was hatte Maksim an dieser Inam gefunden? Ihre Schönheit? Dass sie eine Fürstentochter war, eine Vampirin von Stand?
Sie zwang sich, den Tatsachen ins Gesicht sehen. Maksim würde sich eines Tages eine Gefährtin nehmen, schon aus dem einfachen Grund, um die Erbfolge des Hauses D’Aryun sicherzustellen. Eine Gefährtin von fürstlichem Geblüt wie Inam. Auch wenn er diese Gefährtin nicht lieben sollte – und Liebe spielte bei der Wahl der Gefährtin eines zukünftigen Fürsten kaum eine Rolle – so wäre da eine andere, mit der sie konkurrieren würde. Die Maksim Erben gebären konnte. Und die eine so machtvolle Position hätte, dass sie die Geliebte ihres Gefährten von der Festung verbannen konnte. Oder Schlimmeres. Auch wenn sie bisher nicht viel von Inam gesehen hatte, konnte sie sich nicht vorstellen, dass diese Frau eine Geliebte neben sich dulden würde.
Ihr war, als ob ein kalter Windstoß durchs Zimmer fegte. Sie wickelte sich fester in ihre Decke. In der nächsten Nacht musste sie mit Maksim sprechen.
»Was ist los mit dir?« Er küsste Rodica zärtlich auf die kleine Bisswunde am Handgelenk, genoss die samtene Weichheit ihrer Haut auf den Lippen.
Sie standen sich in seinem Gemach gegenüber. Wegen der Gespräche mit seinem Vater und Zelinkan hatte er nur kurz Zeit, um sich von ihr zu nähren, und so waren sie dem Turm ferngeblieben.
Sie senkte den Kopf, aber nicht schnell genug, als dass er nicht die aufsteigenden Tränen bemerkte. Ein Schreck durchfuhr ihn. »Rodica, Geliebte, was ist los?« Er hob ihr Kinn, sah sie forschend an. »Sprich mit mir, bitte.«
Sie schluckte. »Es ist … diese Inam.«
Verflucht. »Was hast du gehört?«
Es war die Antwort, die er befürchtete. »Dass du bei ihr gelegen bist, als du bei den Arrajk’ag warst. Dass sie deine Gefährtin werden will.« Sie wischte sich mit einer raschen Bewegung die Tränen weg. »Maksim, ich … weiß, dass du … Erfahrungen mit anderen Frauen hast, dass ‒.«
»Pst«, sagte er leise und legte ihr den Finger auf die Lippen. »Ja, das habe ich. Auch mit Inam, das gebe ich zu. Aber ‒.«
»Nein, das ist es nicht … also, nicht wirklich. Oder vielleicht doch. Eher der Gedanke, dass diese Frau … nun ja, deine Gefährtin werden will … und du irgendwann eine Gefährtin nehmen musst. Eine Vampirin. Und das zu wissen … es tut weh.«
Er seufzte tief. »Ach, Rodica. Ja, ich bin bei Inam gelegen, aber das war, bevor wir uns verliebt haben. Es bedeutete nichts. Zumindest mir nicht und ich dachte, Inam ginge es genauso. Jedenfalls wurde sie es nicht müde zu beteuern, dass sie sich nur ihrem Vergnügen hingebe und keinen Gefährten wolle. Jetzt wünschte ich mir aus vollem Herzen, dass es nie geschehen wäre. Weil es dir wehtut.« Er zog sie in seine Arme, hielt sie und wollte sie nie wieder loslassen.
»Aber wenn sie jetzt doch einen Gefährten will?«, fragte sie zaghaft.
Er spürte ihr Zittern und küsste sie sanft auf das Haar. »Dann muss sie sich den woanders suchen, denn mich bekommt sie nicht. Zwischen mir und Inam war nichts. Ich liebe sie nicht, habe sie nie geliebt. Ich kann und werde keine Gefährtin nehmen, die ich nicht liebe.«
»Aber irgendwann musst du doch ‒.«
»Nein! Vater ist der Fürst und der Herrscher der Stämme. Er ist unsterblich. Schon allein das ist ein Grund, weswegen ich niemals der Fürst der D’Aryun werde, und weswegen ich keine Gefährtin nehmen muss. Wer weiß, vielleicht nimmt Vater sich irgendwann eine Gefährtin und zeugt einen weiteren Nachfolger. Du siehst, ich muss gar nichts machen!«
Sie zitterte immer noch und er strich tröstend über ihren Rücken. »Fürchte dich nicht, Liebste«, murmelte er. »Ich werde nicht zulassen, dass man uns trennt. Ich liebe dich.«
»Aber können wir wirklich so weitermachen? Ich bin ein Mensch, du ein Vampir. Es ‒.«
»Deswegen will ich, dass sich unsere Gesellschaft ändert!«, unterbrach er sie hitzig. »Ich will dich lieben können, ganz offen, ohne diese Geheimnistuerei! Und ich werde keine andere Gefährtin nehmen als dich!«
»Oh, Maksim«, flüsterte sie.
Er konnte ihre Erschütterung spüren und dass seine Worte sie nicht beruhigt hatten. »Habe Geduld mit mir«, bat er. »Unser Weg wird nicht einfach sein. Aber wir werden ihn gehen. Zusammen! Ich werde immer bei dir sein!«
Er presste sich an sie, küsste sie innig. Sie antwortete hungrig, fast verzweifelt, als wolle sie ihm glauben und darauf vertrauen, dass alles gut wurde. Er löste seine Lippen von den ihren und vergrub sein Gesicht in ihren duftenden Haaren. Seine Pläne mussten wahr werden. Sie mussten einfach!
Rodica verbrachte den Rest dieser Nacht, nachdem sie die Stallarbeit erledigt hatte, auf der Wehrmauer. Die Graupel, die der scharfe Wind vor sich hertrieb, stachen ihr ins Gesicht. Warin hatte ihr zugenickt und war zum anderen Ende der Mauer gewandert, als habe er gespürt, dass sie allein sein wollte.
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