„Ein Trauma der Führung dieser Galaxis.“
„Ein gefährliches Trauma, was jede Entwicklung ausbremst.“
„Das mag bedauerlich sein, aber was hat das mit den Gottesmodulen zu tun?“
Saa-Tan nahm eine Feuerbohne, warf sie in die Luft und fing sie mit dem Mund auf. Wieder diese lächerliche, kindische Selbstgefälligkeit der Macht, dachte Majorin Zack und schüttete angewidert ihren Champagner hinunter.
„Man nennt mich unter anderem auch Luzifer, den Herrn der Materie. Und da das Imperium sich der technologischen Entwicklung von so vielem Nützlichem, was auf der Entwicklung von künstlicher Intelligenz, auf Mathematik und Algorithmen beruht, bis vor Kurzem weitgehend verweigert hat, habe ich in der Wüsten Zone Unternehmen aufgezogen, die das Imperium seit den Anfängen seiner Expansion mit den notwendigen Technologien versorgt haben. Man hat mir das Monopol auf die Herstellung künstlicher Intelligenz im Imperium überlassen. Und alle haben bei meinen Unternehmen gekauft. Die Flotte, die Postunion, die Ministerien, die Wirtschaft. Es gibt keinen Cyborg in der Galaxis und keinen Androiden oder Roboter, in dem nicht Komponenten aus einer meiner Produktionsstätten verbaut sind.“
„In dem mechanischen Ungeziefer, das sich in der ganzen Galaxie breitmacht, auch?“
„Bedauerlicherweise, ein technologischer Kollateralschaden.“
„Ja, zu dumm, aber inzwischen gibt es auch andere Firmen, die Androiden und dergleichen bauen.“
„Ja, bedauerlicherweise bröckelt das Monopol. Andererseits ist das ein natürlicher ökonomischer Prozess.“
„Konkurrenz belebt das Geschäft“, erwiderte die Majorin, die wusste, dass die zunehmende Abhängigkeit vieler Wirtschaftsbereiche vom Einsatz künstlicher Intelligenz das imperiale Herstellungsverbot immer mehr aufgeweicht hatte. Die Nutzung von Androiden und Cybertechnologie konnte sowieso nie unterbunden werden. Doch hatten die Jahre künstlicher Verknappung mechanischer Intelligenz für einen schwunghaften Handel mit allem, was sich zu etwas Nützlichem zusammenbasteln ließ, geführt. Die Galaxie war überschwemmt von künstlichen, mäßig intelligenten Schrottkonstrukten, verhaltensauffälligen Billigprodukten, Wegwerfrobotern mit kurzer Haltbarkeitsdauer, kurz, von gestörten Intelligenzen mit eingeschränkten Einsatzmöglichkeiten und instabilen Schaltungen.
„Die bauen nach“, bemerkte Saa-Tan .
„Schön, Nachbauten, meinetwegen.“
„Hier kommen die Module ins Spiel. Meine Unternehmen sind noch immer führend in der Cybertronik und das sollte auch so bleiben. In einem meiner Laboratorien in der Wüsten Zone haben sie deshalb an diesen Chips geforscht mit dem Ziel, Androiden und Roboter zu optimieren.“
„Um Roboter mit Spiritualität zu versehen?“
„Um sie selbständiger zu machen, in gewissen Grenzen.“
„Hat es funktioniert?“
„Das ist unklar.“
„Sie kennen die Ergebnisse Ihrer eigenen Forschungsabteilungen nicht?“
Saa-Tan fuhr ungehalten herum. Er sprühte ein paar Funken. Die Majorin musste an eine schlecht isolierte Schaltung denken. Er fuhr wütend fort: „Die drei einzigen vorhandenen Prototypen sind mir gestohlen worden.“
„Von wem?“
„Von den zwei Idioten, von denen sich gerade einer mit meiner gütigen Erlaubnis das Hirn weggeblasen hat.“
„Ihm wurde die Kehle durchgeschnitten, wenn ich Sie korrigieren darf.“
„Hören Sie mit der Sophisterei auf. Tot ist tot.“
Da wollte die Majorin nicht widersprechen, in der Beziehung war ihr Gegenüber absoluter Profi. Saa-Tan nahm das kleine putzige Glöckchen von dem Beistelltisch und klingelte sanft. Der zarte Ton hallte in dem leeren Raum nach wie ein Fluch. Der dünne Mann im schlotternden Smoking eilte lautlos herbei, zusammen mit einem mehrfach geflickten Cyborg, der den überlebenden Spieler in eisernem Griff vor sich herschob.
Saa-Tan sagte: „Ein Hilfswissenschaftler und ein Ingenieur haben die Steuer-Chips geklaut und hier auf Pandora verschachert“, er unterbrach sich kurz, musterte den Gefangenen und fuhr fort: „Welcher bist du? Der Ingenieur oder der Hilfsfuzzi?“
Der Mann hing vom Greifarm des Cyborgs und glich dabei einem komplett entlüfteten Schlauchboot.
„Der Ingenieur“, stammelte der luftleere Mann.
„Also, Ingenieur, dann erzähl der Dame mal, wem du die Chips verkauft hast.“
„Das weiß ich nicht.“
„Ihr habt die verdammten Module verkauft ohne zu wissen, an wen?“, staunte Saa-Tan und schnipste mit dem Finger. Der Cyborg begann den luftleeren Mann zu schütteln. Dabei klapperten dessen Zähne wie lose Klaviertasten.
„Aufhören!“, befahl die Majorin, „Ich übernehme die Befragung.“ Saa-Tan gab sich interessiert. Befragungen ohne Zwangsmittel versetzten ihn regelmäßig in Erstaunen.
Die Majorin hatte sich erhoben, war auf den Mann zugetreten, hatte einen Arm um seine Schultern gelegt und ihn etwas zur Seite geführt. Dabei flüsterte sie in sein Ohr: „Hör zu, Kleiner, wenn du mir alles sagst, was du weißt, versuche ich, dich hier heil rauszubringen.“ Der Ingenieur zitterte weiter. Wahrscheinlich war sein Vertrauen in Frauen, die freundlich einen Arm um einen legten, nach dem jüngsten Ableben seines Kumpans äußerst begrenzt.
„Das ist die einzige Option, die du hast, du kennst deinen Boss. Ganz mieser Ruf und nachtragend“, zischte die Majorin dem Mann ins Ohr. Der war zwar Experte, aber dennoch klug genug, dem Rat der Dame zu folgen. Es sprudelte aus ihm heraus: „Wir haben die Arbeiten an dem Chip für gescheitert erachtet. Es hat einfach nicht funktioniert.“
„Was hat nicht funktioniert?“
„Die Module für ein einheitliches spirituelles Erleben zu programmieren. Die Versuchsroboter haben immer wieder völlig Unterschiedliches wahrgenommen, sich verschaltet, zwei sind Amok gelaufen, einer hat sich für einen heiligen Berg gehalten, ein anderer hat sich selbst unter Strom gesetzt um seine Erleuchtung zu beschleunigen und ist dabei innerlich verschmort. Etliche sind schlicht verrückt geworden, haben ohne Unterlass gesungen und getanzt, bis sie auseinandergebrochen sind. Wir haben alles Erdenkliche probiert, um die Chips zum Laufen zu bringen.“
„Was?“
„Verschiedene Programme, selbstlernende Software, Bio-Chips, Drogendepot im Chip mit kontrollierter Abgabe, totale Informationsanalyse durch Algorithmen.“
„Die Vorsilbe al hat noch nie für etwas Vernünftiges gestanden, das hättet Ihr wissen müssen. Al Kaida, Algebra, Alkohol, Alimente“, warf Saa-Tan ein und wurde von der Majorin brüsk unterbrochen.
„Fahr fort, mein Junge.“ Der Ingenieur gehorchte.
„Zum Schluss waren wir so verzweifelt, dass wir noch einen letzten Versuch starten wollten. Wissen Sie, gnädige Frau, in unserem Unternehmen wird Scheitern nicht geduldet.“
„Mit Recht. Geschäfte im Informationskapitalismus sind wie Krieg. Wer scheitert, verschwindet.“, grummelte Saa-Tan dazwischen.
„Als auch dieser letzte Versuch mit den Chips zu keinem Ergebnis geführt hat, haben wir uns nach einem Käufer für die drei letzten nutzlosen Module auf dem Schwarzmarkt von Pandora umgehört. Mit dem Geld wollten wir untertauchen. Mein Kollege hat dann einen Käufer gefunden, wen, weiß ich nicht, bei dem Verkauf war ich nicht dabei. Kurz danach sind wir aufgeflogen.“
Majorin Zack wandte sich an Saa-Tan und sagte ungehalten: „Und Sie wollen mir jetzt bitte nicht erzählen, Sie hätten den anderen Mann nicht verhört.“
„Haben wir, er wusste definitiv nichts, außer dass der Verkauf mit einem Unbekannten in einem der Hotels abgewickelt wurde, das von dem Ministerium für Demut und Vergebung überwacht wird.“
„Und da haben Sie nicht nachgehakt?“
Читать дальше