Wieder traf der Hammer der Waffe auf eine leere Kammer, wieder wechselte der Revolver zurück, gefolgt von neuen Fieberwetten und Hysterie. Der Geräuschpegel stieg an und schwebte über den Köpfen, nur kurz unterbrochen von dem Ton der Zimbel und einem weiteren trockenen Klick.
Die Majorin trat einen Schritt zurück und angelte eine dünne Zigarette mit langem Papierfilter, den sie sorgsam knickte, aus ihrem Silberetui. Ein flüchtiges Schattenspiel ließ sie den Kopf drehen. Es kam ihr vor, als wäre jemand aus dem kalten Feuer hinter ihr herausgetreten. Ein goldenes Feuerzeug flammte neben ihr auf und ein bleicher Aristokrat in perfekt sitzendem Abendanzug deutete, leicht amüsiert, eine Verbeugung an.
Den bleichen Aristokraten mit scharf geschnittenem Profil umwehte eine Aura hartgesottener Herablassung, wie sie nur von jenen erlangte wurde, denen sich der Sinn des Lebens als großer Hokuspokus offenbart hatte. Gewöhnlich führte das zu Zynismus und permanent schlechter Laune, wie die Majorin wusste. Sie war auf der Hut, inhalierte tief und wartete auf den ersten Zug des Aristokraten. Der hatte Farbe angenommen, glühte jetzt rötlich und dampfte leicht wie ein kaputter Wasserkessel. Ein verdammter Dämon, schoss es der Majorin durch den Kopf, einer aus der Oberliga.
In dem roten Salon war wieder ein Moment absoluter Stille eingetreten.
Klick!
Dann brach ein Tumult aus. Einer der beiden Spieler war aufgesprungen und versuchte die Tür zu erreichen. Einigen der Wetter gelang es, den sich wild umherwerfenden Mann festzuhalten. Die Eisprinzessin trat eilig dazu, legte sanft und beruhigend ihre Hand auf den Kopf des Mannes und drehte ihn zärtlich zur Wand. Dort hingen einige Hologramme mit Jagdszenen. Der Mann starrte in ein Bild, auf dem einige Engel, Dämonen und eine Meute Höllenhunde einen Drachen in die Enge getrieben hatten. Das Tier stand mit dem Rücken zu einer Felswand, während die Jäger einen Halbkreis darum bildeten. Seine Rückenstacheln standen hoch und er spuckte Feuer und Asche. ‚Der Drache stellt sich‘ war unter dem Hologramm zu lesen.
Der Mann stand jetzt ganz ruhig.
Da riss die Eisprinzessin mit einem brutalen Ruck den Kopf des Mannes nach hinten und schnitt ihm die Kehle durch. Ein Blutstrahl schoss zur Wand und verschwand in der gleichfarbigen Tapete.
„Rien ne va plus“, rief der Chefbuchmacher.
„Warum?“, fragte die Majorin und drehte sich dabei dem bleichen Aristokraten zu.
„Einen bestrafen, um hundert zu warnen.“
„Bestrafen wofür?“
„Für Diebstahl an meinem geistigen Eigentum.“
„Und wen wollten Sie mit der Sauerei warnen, mich?“
„Vielleicht, meine Teure, wollen Sie denn mein Eigentum stehlen?“
„Kommt auf das Eigentum an.“
„Drei Neuroimplantate, Steuer-Chips für Androiden und Cyborgs, geistern momentan unter der Bezeichnung Gottesmodule durch die Galaxis.“
„Na, dann sind sie ja schon gestohlen, wenn ich nicht irre.“
Darauf ging der bleiche Aristokrat nicht ein, vielmehr deutete er abermals, diesmal militärisch knapp, eine Verbeugung an und sagte: „Ich vergaß mich vorzustellen, Frau Majorin Zack, mein Name ist Saa-Tan, geschäftsführender Vorsitzender der Bub&Belzee-Kooperation und einiger weiterer Unternehmen.“
„Woow“, entfuhr es der Majorin. Das war nicht nur die dämonische Oberliga der Galaxis, das war gleich die Führungsspitze in Person des Vorsitzenden selbst. „Exzellenz, Sie sehen mich einigermaßen erstaunt.“
„Weil ich Sie kenne?“
„Nein, Exzellenz, Sie mögen meinen Namen gehört haben, kennen tun Sie mich gewiss nicht. Nein, ich bin erstaunt, Sie im Hoheitsgebiet des Imperiums anzutreffen. Sind Sie nicht eine der am meisten verdammten und gesuchten Entitäten der Milchstraße?“
„Was niemanden daran hindert, mit mir Geschäfte zu machen, Majorin, am wenigsten die sieben Erzengel, die dem Imperium und der Milchstraße vorstehen.“
„Sie machen Geschäfte mit dem galaktischen Wohlfahrtsausschuss der Sieben?“
„Nicht mit dem Ausschuss, nicht offiziell, aber mit jedem einzelnen der sieben mächtigen Engel, wenn es sich ergibt oder sein muss. Wissen Sie, ein fundamentales Feindbild ist oft nützlicher im Poker um die Macht als jede andere Ressource. Ich liefere das Feindbild. Das macht mich zu einem wertvollen Geschäftspartner. Aber kommen Sie, setzen wir uns doch.“
Herr Saa-Tan gab sich zuvorkommend und rückte der Majorin den Sessel vor dem Panoramafenster zurecht. Auf dem Beistelltisch fanden sich ein Schälchen mit Feuerbohnen, ein Glöckchen und zwei Gläser Champagner. Sie setzten sich und starrten eine Weile schweigend auf das Gewusel des Lebens unter ihnen.
„Sind Sie vertraut mit der Macht, Majorin?“
„Ich bin vertraut mit den Eitelkeiten und Leidenschaften hinter den Kulissen der Macht. Aber deswegen bin ich nicht hier. Reden wir lieber über die Gottesmodule.“
Saa-Tan lächelte kalt, während das Feuer in der Wand neben ihnen hochschoss.
„Gut, reden wir über die Module. Ich werde Ihnen dazu eine Geschichte erzählen müssen.“
„Ich schätze gute Geschichten.“
„Sie kennen die Menschen und die Erde, Majorin?“
„Habe in der letzten Zeit viel über sie gehört, eine schwierige Spezies.“
„Eine närrische Spezies. Vor langer Zeit, bei der Verwaltung der Erde, gab es gewaltigen Krach unter uns Erzengeln, damals gehörte ich noch dazu. Na ja, jedenfalls eskalierten die Auseinandersetzungen und ich begann meinen eigenen Weg zu gehen.“
„Sie gründeten die Bub&Beelze-Kooperation.“
„Das kam erst später, anfangs habe ich mich noch bei den Streitigkeiten um die Zukunft der Erde und der Menschheit eingemischt.“
„Dabei haben Sie Ihr Image gründlich ruiniert.“
„Das waren die anderen. Eine Kampagne. Alles Mögliche hat man mir angehängt. Erst hab ich Rauch und Schwefel vor Wut gespuckt, dann habe ich erkannt, dass sich aus so einem Ruf hervorragend Kapital schlagen lässt und man vor allen Dingen eins besonders gut kann.“
„So, was denn?“
„Macht generieren.“
„Sie haben angefangen, Ihren Ruf zu verkaufen?“, staunte die Majorin.
„Ich habe angefangen, einen Markennamen zu implantieren und einem Unternehmen eine unverwechselbare Firmenphilosophie zu geben. Dazu habe ich mir einen gewissen Ruf zugelegt.“
„Ja, man sagt Ihnen nach, Sie würden Seelen in der Hölle schmoren.“
„Was hat man mir nicht alles angedichtet. Diese perfideste Unterstellung haben meine ehemaligen Kollegen, die Erzengel, auf der Erde verbreitet, indem sie das Gerücht in Umlauf brachten, ich würde Seelen sammeln.“
„Und, stimmt das nicht?“
„Zeigen Sie mir mal eine Seele, Majorin.“
„Metaphorisches ist schwer zu zeigen, aber gibt es die Hölle wirklich, ich meine, als real existierenden Ort, Exzellenz?“
„Soviel ich weiß, ja. Ein Planet im Herzen der Wüsten Zone , dort, wo die Sterne am dichtesten stehen. Heißt Hölle , nach seinem Entdecker Bartholomäus Hölle, einem Pionier des Eros, ist in Begleitung von sieben jungfräulichen Suffragetten auf den Planeten gestoßen. Soll bald nach der Entdeckung wahnsinnig geworden sein, schon zynisch manchmal, das Schicksal. Übrigens ein wunderschöner Himmelskörper, viel Wasser, viel Grün und ein erträglich mildes Klima. Ich selber war nie dort, ich friere zu leicht.“
„Interessant.“
„Zurück zu unserer Geschichte. Jedenfalls bemerkte ich, dass die sieben Erzengel panische Angst vor jeder Form von selbständiger Intelligenz entwickelten. Das hing mit ihren Erfahrungen mit den Menschen zusammen. Sie sind nie wirklich drüber hinweggekommen, dass sie gezwungen waren, um sich nicht gänzlich zu zerfleischen, die Aufsicht über die Erde den verachteten Putten zu überlassen.“
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