Kein Großkredit?
Zur Genehmigung von Omega55 hätten auch nur vier Vorstandsunterschriften geleistet werden müssen, argumentierte Nonnenmacher. Nicht sechs, wie das bei einem so genannten Großkredit der Fall gewesen wäre. Nonnenmacher betonte explizit, dass nach bankinternen Regeln er als Finanzvorstand gar nicht hätte zustimmen müssen. Er selbst war sich sicher, dass Omega55 kein Großkredit und seine Unterschrift nicht erforderlich war. Für ihn war Omega55 nichts weiter als eine „Kenntnisnahme“.
(Für Omega55 gab es zwei Vorstandsvorlagen, eine für interne Belange in der Beziehung zur BNP Paribas - eine so genannte Linienerhöhrung -, die andere für das eigentliche Geschäft Omega55. Auf der ersten Vorlage, die die Vorstände kurz vorher gegenzeichneten, war der Deal als „Großkredit“ angekreuzt. Auf der für die Genehmigung von Omega55 entscheidenden Vorlage, die Gegenstand des Strafprozesses ist, fehlt aber das Kreuz bei Großkredit.)
Von der Nebenabrede zu Omega55, dem „side letter“ - in der die HSH der BNPP zusicherte, der BaFin bis April 2008 das Geschäft zu melden - habe Nonnenmacher erst aus den Akten erfahren. Und: Er sei mit vielen anderen „Sachkundigen“ der Überzeugung gewesen, „die Subprime-Krise sei vorübergehender Natur und würde nicht auf die Realwirtschaft übergreifen“.
Nonnenmachers Rede können Sie auf den Webseiten zum Buch nachlesen, unter: http://drnounddieunschuldigen.de/
Blog-Kommentar
6. September 2013 @ 20:01 von: bescheidwisser
Ich finde es auffällig, dass Herr Nonnenmacher immer dann, wenn es eng wird, auf einmal kein Experte für das jeweilige Thema sein möchte. Bereits in der Vergangenheit wurde ja festgestellt, dass er zum damaligen Zeitpunkt angeblich kein Kapitalmarktexperte war. Nun also auch „kein Sachverständiger bei der aufsichtsrechtlichen Risikoerfassung und Kapitalunterlegung“. Grundkenntnisse in den genannten Themen werden aber sicher zur der erforderlichen Qualifikation als Geschäftsleiter gehören – zumal bei einem Institut der Größenordnung der damaligen HSH Nordbank.
KWG 13a Abs 1 Satz 3 „Für ein Handelsbuchinstitut besteht ein Gesamtbuch-Großkredit, wenn die Gesamtheit der Kredite an einen Kreditnehmer [...] 10 vom Hundert der Eigenmittel erreicht oder überschreitet; ...“
Nach dem Geschäftsbericht der HSH 2007 betrugen die Eigenmittel 12,9 Mrd. Euro zum 31.12.2007 - 10% davon wären also 1,29 Mrd. Euro. Selbst wenn man vom Vorstand vielleicht nicht erwarten kann, dass er die Einzelheiten der Vorschriften über Großkredite im Detail kennt, so ist doch eine Art „Überschlagsrechnung“ zumutbar und bei Geschäften in dieser Größenordnung geboten ?
Anmerkungen:
[24] siehe Urteil LG Hamburg vom 9.7.2014, S. 222f
[25] § 13a Abs. 2 KWG und § 13 Abs. 2 KWG
[26] Bei Omega55 gewährte die HSH der Omega Ltd. zwei Liquiditätsfazilitäten: einmal für 2 Mrd. und einmal für 400 Mio. (für die STCDO)
Tag 13: Ohne interne Prüfung: Der ominöse Teil-B
Mittwoch, 4. September 2013
Packend versprach dieser Verhandlungstag zu werden. Das Gericht hatte eine Mitarbeiterin der Abteilung NPNM zu sich gebeten: Betriebswirtin Sirka H. NPNM steht für Neue-Produkte-Neue-Märkte. Die schlanke, attraktive Frau in den 40ern, halblanges Haar, selbstbewusst im Auftreten, kam allein, ohne einen Anwalt an ihrer Seite. 2007 war sie bereits sieben Jahre in der HSH beschäftigt gewesen und seit einem Jahr bei NPNM tätig. Heute arbeitet sie für ein Industrieunternehmen.
Als Koordinatorin der NPNM-Abteilung in Kiel war Sirka H. seinerzeit beauftragt worden, Omega55 zu durchleuchten und einzuschätzen, ob das Finanzgeschäft für die HSH handhabbar und wirtschaftlich empfehlenswert ist. Sirka H. gehört damit zu den Hauptzeugen im Prozess.
Ohne Prüfung kein Neu-Geschäft
Die NPNM-Abteilung zählt nach Zeugenaussagen wie die Rechtsabteilung zu den wichtigsten Etappen beim Abschluss neuer Geschäfte. Die Abteilung prüft und beurteilt vorab, welche Risiken mit dem beabsichtigten Geschäft verbunden sein könnten, ob aufsichtsrechtliche Bedenken dagegen stehen, wie es in der Buchhaltung erfasst wird und welche Kosten und Erträge zu erwarten sind. Am Ende dieses Abwägungsprozesses, in den die Meinungen vieler anderer Abteilungen einfließen, gibt NPNM ein Votum ab, eine Empfehlung, ob es das gewünschte Geschäft befürwortet oder ablehnt. Solche so genannten NPNM-Abteilungen hat jedes Geldhaus.
Ohne das Votum dieser Abteilung darf kein neuartiges Bankgeschäft genehmigt werden. Das schreiben den Banken die Mindestanforderungen für das Risikomanagement vor, die MaRisk der deutschen Bankenaufsicht BaFin.
Nur die Hälfte von Omega55 angesehen
Bei der Befragung der Zeugin ging es dem Gericht vor allem um eines: Warum hat sie bei dem zweiteiligen Omega55 nur Teil-A prüfen lassen, also den einfachen Teil, den Risikotransfer von der HSH zur BNP Paribas? Und nicht gleichzeitig den viel komplexeren und riskanteren Teil-B, der zudem das in Teil-A übertragene Risiko wieder in die Bank zurückholte?
Dazu sagte die Zeugin in ihrer etwa sechsstündigen Befragung - die vor allem von den Richtern Wellhausen und Bruns penibel geführt wurde - zusammengefasst:
Sie wollte die Dokumentation eindeutig halten.
Sie hatte keine detaillierten Angaben zu Teil-B und nichts Schriftliches; das fehlte zwar auch für Teil-A, aber dafür lag aus London ein Prüfantrag vor, initiiert vom Londoner Analysten und Omega-Koordinator Marc S.
Die Zeugin war davon ausgegangen, dass nach Prüfung des A-Teils Marc S. einen weiteren Antrag für Teil-B stellen würde, wenn denn Teil-B ein „neuartiges Produkt“ gewesen wäre. In der Bank kursierten Gerüchte über Teil-B als „ominöses Geschäft“.
Nur Marc S. hätte einen Prüfantrag für Teil-B stellen können, tat es aber nicht. Zitat Zeugin: „Wenn Marc S. ernsthaft einen Prüfantrag gestellt hätte, hätten wir das gestartet.“ Erst Antrag, dann Prüfung.
Dazu kam: Sirka H. hatte parallel zu Omega55 eine Vielzahl weiterer Neugeschäfte zu prüfen, deshalb wurde bei Teil-A ein Standardverfahren angewandt. Richter Bruns fragte, was anders an Teil-B war, weil bei Teil-A ja auch viele Informationen gefehlt hätten? „Die Zeit war um“, sagte Zeugin H.
Üblich sei eigentlich, berichtete H. weiter, dass vor der NPNM-Prüfung die Stellungnahme der Rechtsabteilung zu aufsichtsrechtlichen Fragen vorliege. Das war bei Omega55 nicht der Fall. Mit der Rechtsabteilung habe die Zeugin ohnehin nie persönlich über Teil-A gesprochen, obwohl sie es mehrfach versucht hatte, telefonisch. Die zuständige Juristin Vera S. sei so beschäftigt gewesen, dass kein Gespräch über Omega55 zustande gekommen sei.
(Auch Omega-Koordinator Marc S. war zur Stellungnahme der Rechtsabteilung intensiv befragt worden. Ihm gegenüber soll die zuständige Juristin Vera S. „gesagt“ haben, die Entlastung (in Teil-A) kann vorgenommen werden. Allerdings konnte sich Marc S. nach eigener Aussage an keinen Schriftverkehr und an keine Unterlagen erinnern, dass und wie die Juristin okay „sagte“. Schriftliche Gutachten seien nicht üblich gewesen.[27])
NPNM-Votum als Gemeinschaftsmeinung
Richter Bruns interessierte auch, wie ein NPNM-Votum überhaupt zustande komme. Daraufhin erklärte Zeugin Sirka H., dass sich jeder Fachbereich - Risikoabteilung, Recht, Bilanzierung und Buchhaltung - aus seiner Sicht das jeweilige Geschäft ansehe und anschließend seine Einschätzung in Form von Textbausteinen an sie weiterleite. Als Koordinatorin führe sie dann alles zu dem so genannten NPNM-Votum zusammen. Freie Text-Formulierungen sehe dieser Abstimmungsprozess nicht vor. Am Ende lesen alle beteiligten Ressorts das Votum Korrektur und wenn alle einverstanden seien, schicke sie es an ihren Vorgesetzten. Die Vorstandsvorlage des jeweiligen Bankgeschäfts, an die später das Votum angehängt werde, kenne sie aber nicht. Dieser Umstand verwunderte Richter Bruns so sehr, dass er dreimal ungläubig nachfragte. Sirka H. erklärte aber wiederkehrend, dass sie das Votum koordiniere und dann weiterleite. Und wenn der Vorstand Fragen habe, dann rufe er schon an. Bei Omega55 rief kein Vorstand an, so Sirka H.
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