1435Nur daß die Kunst gefällig sey!
Mephistopheles.
Du wirst, mein Freund, für deine Sinnen,
In dieser Stunde mehr gewinnen,
Als in des Jahres Einerley.
Was dir die zarten Geister singen,
1440Die schönen Bilder die sie bringen,
Sind nicht ein leeres Zauberspiel.
Auch dein Geruch wird sich ergetzen,
Dann wirst du deinen Gaumen letzen,
Und dann entzückt sich dein Gefühl.
1445Bereitung braucht es nicht voran,
Beysammen sind wir, fanget an!
Geister.
Schwindet ihr dunkeln
Wölbungen droben!
Reizender schaue,
1450Freundlich, der blaue
Aether herein!
Wären die dunkeln
Wolken zerronnen!
Sternelein funkeln,
1455Mildere Sonnen
Scheinen darein.
Himmlischer Söhne
Geistige Schöne,
Schwankende Beugung
1460Schwebet vorüber.
Sehnende Neigung
Folget hinüber;
Und der Gewänder
Flatternde Bänder
1465Decken die Länder,
Decken die Laube,
Wo sich für’s Leben,
Tief in Gedanken,
Liebende geben.
1470Laube bey Laube!
Sprossende Ranken!
Lastende Traube
Stürzt in’s Behälter
Drängender Kelter,
1475Stürzen in Bächen
Schäumende Weine,
Rieseln durch reine,
Edle Gesteine,
Lassen die Höhen
1480Hinter sich liegen,
Breiten zu Seen
Sich ums Genüge
Grünender Hügel.
Und das Geflügel
1485Schlürfet sich Wonne,
Flieget der Sonne,
Flieget den hellen
Inseln entgegen,
Die sich auf Wellen
1490Gauklend bewegen;
Wo wir in Chören
Jauchzende hören,
Ueber den Auen
Tanzende schauen,
1495Die sich im Freyen
Alle zerstreuen.
Einige glimmen
Ueber die Höhen,
Andere schwimmen
1500Ueber die Seen,
Andere schweben;
Alle zum Leben,
Alle zur Ferne
Liebender Sterne
1505Seliger Huld.
Mephistopheles.
Er schläft! So recht, ihr luft’gen zarten Jungen!
Ihr habt ihn treulich eingesungen!
Für dies Conzert bin ich in eurer Schuld.
Du bist noch nicht der Mann den Teufel fest zu halten!
1510Umgaukelt ihn mit süßen Traumgestalten,
Versenkt ihn in ein Meer des Wahns;
Doch dieser Schwelle Zauber zu zerspalten
Bedarf ich eines Rattenzahns.
Nicht lange brauch’ ich zu beschwören,
1515Schon raschelt eine hier und wird sogleich mich hören.
Der Herr der Ratten und der Mäuse,
Der Fliegen, Frösche, Wanzen, Läuse,
Befiehlt dir dich hervor zu wagen
Und diese Schwelle zu benagen,
1520So wie er sie mit Oel betupft –
Da kommst du schon hervorgehupft!
Nur frisch ans Werk! Die Spitze, die mich bannte,
Sie sitzt ganz vornen an der Kante.
Noch einen Biß, so ist’s geschehn. –
1525Nun Fauste träume fort, bis wir uns wiedersehn.
Faust erwachend.
Bin ich denn abermals betrogen?
Verschwindet so der geisterreiche Drang?
Daß mir ein Traum den Teufel vorgelogen,
Und daß ein Pudel mir entsprang?
Faust. Mephistopheles.
Faust.
1530Es klopft? Herein! Wer will mich wieder plagen?
Mephistopheles.
Ich bin’s.
Faust.
Herein!
Mephistopheles.
Du mußt es dreymal sagen.
Faust.
Herein denn!
Mephistopheles.
So gefällst du mir.
Wir werden, hoff’ ich, uns vertragen;
Denn dir die Grillen zu verjagen
1535Bin ich, als edler Junker, hier,
In rothem goldverbrämtem Kleide,
Das Mäntelchen von starrer Seide,
Die Hahnenfeder auf dem Hut,
Mit einem langen, spitzen Degen,
1540Und rathe nun dir, kurz und gut,
Dergleichen gleichfalls anzulegen;
Damit du, losgebunden, frey,
Erfahrest was das Leben sey.
Faust.
In jedem Kleide werd’ ich wohl die Pein
1545Des engen Erdelebens fühlen.
Ich bin zu alt, um nur zu spielen,
Zu jung, um ohne Wunsch zu seyn.
Was kann die Welt mir wohl gewähren?
Entbehren sollst du! sollst entbehren!
1550Das ist der ewige Gesang,
Der jedem an die Ohren klingt,
Den, unser ganzes Leben lang,
Uns heiser jede Stunde singt.
Nur mit Entsetzen wach’ ich Morgens auf,
1555Ich möchte bittre Thränen weinen,
Den Tag zu sehn, der mir in seinem Lauf
Nicht Einen Wunsch erfüllen wird, nicht Einen,
Der selbst die Ahndung jeder Lust
Mit eigensinnigem Krittel mindert,
1560Die Schöpfung meiner regen Brust
Mit tausend Lebensfratzen hindert.
Auch muß ich, wenn die Nacht sich niedersenkt,
Mich ängstlich auf das Lager strecken,
Auch da wird keine Rast geschenkt,
1565Mich werden wilde Träume schrecken.
Der Gott, der mir im Busen wohnt,
Kann tief mein Innerstes erregen,
Der über allen meinen Kräften thront,
Er kann nach außen nichts bewegen;
1570Und so ist mir das Daseyn eine Last,
Der Tod erwünscht, das Leben mir verhaßt.
Mephistopheles.
Und doch ist nie der Tod ein ganz willkommner Gast.
Faust.
O seelig der! dem er im Siegesglanze
Die blut’gen Lorbeern um die Schläfe windet,
1575Den er, nach rasch durchras’tem Tanze,
In eines Mädchens Armen findet.
O wär’ ich vor des hohen Geistes Kraft
Entzückt, entseelt dahin gesunken!
Mephistopheles.
Und doch hat Jemand einen braunen Saft,
1580In jener Nacht, nicht ausgetrunken.
Faust.
Das Spioniren, scheint’s, ist deine Lust.
Mephistopheles.
Allwissend bin ich nicht; doch viel ist mir bewußt.
Faust.
Wenn aus dem schrecklichen Gewühle
Ein süß bekannter Ton mich zog,
1585Den Rest von kindlichem Gefühle
Mit Anklang froher Zeit betrog;
So fluch’ ich allem was die Seele
Mit Lock- und Gaukelwerk umspannt,
Und sie in diese Trauerhöle
1590Mit Blend- und Schmeichelkräften bannt!
Verflucht voraus die hohe Meinung,
Womit der Geist sich selbst umfängt!
Verflucht das Blenden der Erscheinung,
Die sich an unsre Sinne drängt!
1595Verflucht was uns in Träumen heuchelt,
Des Ruhms, der Namensdauer Trug!
Verflucht was als Besitz uns schmeichelt,
Als Weib und Kind, als Knecht und Pflug!
Verflucht sey Mammon, wenn mit Schätzen
1600Er uns zu kühnen Thaten regt,
Wenn er zu müßigem Ergetzen
Die Polster uns zurechte legt!
Fluch sey dem Balsamsaft der Trauben!
Fluch jener höchsten Liebeshuld!
1605Fluch sey der Hoffnung! Fluch dem Glauben,
Und Fluch vor allen der Geduld!
Geisterchor unsichtbar.
Weh! weh!
Du hast sie zerstört,
Die schöne Welt,
1610Mit mächtiger Faust,
Sie stürzt, sie zerfällt!
Ein Halbgott hat sie zerschlagen!
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