Ethan unterbrach seine Rosinensuche im Müsli, schaute hoch und sagte nur:
»Ok.«
»Gut, dann haben wir das geklärt, ich muss in die Klinik.«
Mathis und Ethan hatten die Mädchen vom Internat am Lincoln abgeholt und waren auf dem Weg zu Linda. Chloé wollte etwas über die Gastgeberin des Abends wissen. Sie fragte ihn, wie gut er sie kennt.
»Äh, naja, eigentlich nicht. Ich meine ich kenne sie aus der Schule. Und ich habe sie vor Kurzen aus Versehen geküsst.«
Alle schauten sich an und lachten nach einer kleinen Pause laut los. Chloé lehnte sich zu Ethan.
»Komm her, mein Klavierjunge. Ich will dich auch aus Versehen küssen. Aber die ganze Nacht.«
Linda wohnte am Riverside Drive. Das Taxi hielt genau vor dem Haus. Die vier fuhren mit dem Lift in die siebente Etage und stiegen aus dem Fahrstuhl. Alle Wände in dem Haus waren aus weißem Marmor. Ein fremder Junge öffnete die Tür. Die Party war schon im Gange. Linda begrüßte die vier und machte das sehr professionell. Ethan fragte Chloé, ob sie etwas trinken wolle.
»Ja, gerne. Einen Cocktail.«
»Ich hole dir einen.« Ethan machte sich auf die Suche nach der Bar oder der Stelle, wo es etwas zu trinken gab. Als erste lief ihm Linda über den Weg.
»He, Sweety. Schön, dass du da bist. Wo ist deine Freundin?«
»Ja, also sie, sie ist in dem großen Raum.«
»Ist sie wirklich eine richtige Französin?«
»Ja, schon. Sie kommt aus Nizza und lebt in Paris.«
»Na dann Olala.«
Linda kniff ihn leicht in seine Wange, lächelte ihn an und verschwand in der Menge. Er suchte weiter die Bar.
»Ethan.«
Er drehte sich zur Seite und sah Emy.
»Ah, hallo, Emy.«
»Bist du alleine hier?«, fragte sie, um eine Unterhaltung mit ihm zu beginnen.
»Ja, also, nein, hier jetzt aber schon.«
Er wirkte unsicher.
»Mit wem bist du hier?«
»Also, mit Mathis und Mathilda und Chloé.«
»Chloé? Heißt deine Freundin so«
»Ja.«
Emy lehnte sich an die Wand und fragte mit ruhiger Stimme und immer in Ethans Gesicht schauend.
»Wo habt ihr euch kennengelernt? Du gehst ja nicht so oft aus.«
Ethan hatte mit allem gerechnet, aber nicht, dass Emy seit einer Ewigkeit wieder mit ihm mehr als einen Satz reden würde. Er hatte Glück. Lucas kam dazu und sagte, dass er Emy schon eine ganze Weile sucht. Ethan besorgte einen Cocktail und kämpfte sich wieder zu Chloé zurück.
»Gut, dass du zurück bist. Ich stehe hier nur ‘rum und kenne keinen.«
»Ich hier auch keinen.« Flüsterte Ethan seiner Freundin ins Ohr.
Chloé lachte.
»Du bist süß.«
Mathis kam mit Mathilda zurück.
»Das ist ja wie Silvester bei meinen Eltern. Ich finde das ganz schön langweilig hier. Können wir nicht wo anders hingehen?«
Er überlegte kurz.
»Naja, eigentlich könnten wir ja zu mir, also bei mir ist niemand zu Hause. Die sind alle in Denver.«
»Alter. Das sagst du erst jetzt? Da hätten wir uns doch die Nummer hier sparen können«.
Mathis erklärte die neue Situation den beiden Mädchen und schon waren alle in Aufbruchsstimmung. Sie gingen, ohne sich bei irgendjemandem zu verabschieden.
Emy hatte den ganzen Abend immer wieder nach Ethan oder ihrem Bruder Ausschau gehalten, ohne sie entdecken zu können. Emy hatte keine Freude an der Party und wollte langsam nach Hause gehen. Sie fragte Linda, ob sie ihren Bruder gesehen hätte.
»Meinst du deinen Bruder oder Ethan? Aber egal, die sind gleich, nachdem sie gekommen sind, wieder verschwunden. Das ist schon ein paar Stunden her.«
Emy wunderte sich etwas, suchte Lucas und bat ihn, sie nach Hause zu bringen. Sie ging in der Wohnung gleich in das Zimmer ihres Bruders, um ihn zu fragen, warum sie so schnell von der Party verschwunden waren. Als sie das dunkle Zimmer und das leere Bett sah, wunderte sie sich noch mehr und hatte eine böse Vorahnung.
Ethan hatte etwas zu trinken und zu essen kommen lassen und einen spaßigen Abend mit seinen Gästen gehabt. Mathis folgte ihm in die Küche, als Ethan Eis holte.
»Alter, ich muss heute Nacht hier schlafen. Mathilda hat mir gesagt, sie wäre soweit, wenn du weißt, was ich meine.«
»Ehrlich? Ich meine, warum nicht? Das Gästezimmer, wenn du willst.«
»Genau, so geht das. Das Gästezimmer.«
Mathis ging zu den Mädchen ins Wohnzimmer zurück. Als Ethan mit dem Eis kam, waren Mathis und Mathilda schon verschwunden. Chloé hatte es sich auf der Couch gemütlich gemacht. Sie klopfte mit einer Hand auf den Platz neben sich.
»Komm zu mir, Klavierjunge.«
Er gehorchte und setzte sich neben Chloé. Sie fing sofort an, ihn wild zu küssen und sein Hemd aufzuknöpfen. Sie setzte sich auf und schaute ihn an
»Ethan, ich möchte mit dir schlafen.«
»Ja, aber ich, also.«
Sie stand auf, nahm ihn an die Hand und zog ihn leicht zu sich. Auf dem Weg zu seinem Zimmer blieb sie immer wieder stehen und küsste ihn. Er überlegte, ob er ihr sagen sollte, dass er noch nie mit einem Mädchen Sex hatte. Aber wie sagt man so etwas in so einer Situation? Er entschied sich, nichts zu tun. Chloé hatte das Kommando eh übernommen. Sie fragte ihn, wo die Kondome sind. Ethan hatte welche im Schreibtisch. Die hatte er aus der Schule mitgebracht. Er lag im Bett und Chloé hatte sich über ihn gelegt. Sie stoppte nur noch einmal, um zu sagen.
»Du brauchst keine Angst zu haben. Lass mich einfach machen und merke dir jede Sekunde, damit du dich immer daran erinnern kannst.«
Als Ethan wach wurde, standen Chloé und Mathilda bereits angezogen vor seinem Bett. Draußen war es noch dunkel. Chloé beugte sich zu ihm herunter und flüsterte in sein Ohr:
»Es war wunderschön mit dir. Wir müssen aber jetzt gehen. Wir dürfen nicht so lange wegbleiben. Schlaf weiter und träume von mir. Wir sehen uns am Dienstag.«
Sie gab ihm noch einen Kuss und ging leise aus der Wohnung. Er dachte über den Abend nach.
Emy saß in ihrem Zimmer. Der Montag war in der Schule immer ein langer Tag. Sie wollte noch etwas lesen und dann schlafen. Im Flur der Wohnung wurde es laut. Verschiedene Stimmen, die durcheinander sprachen. Manchmal brachten ihre Eltern noch Kollegen oder Klienten mit nach Hause. Aber so laut ging es dabei nie zu. Sie wollte wissen, was los war. Sie ging in den Fluor, sah aber nur, dass die Leute schon im Wohnzimmer waren. Ihre Mutter kam aus der Küche.
»Mum, was ist los?«
Mrs. Laurent sah angespannt aus.
»Die Franzosen werden uns den Krieg erklären und wieder in Amerika einfallen.«
»Häää?«
»Komm mit ins Wohnzimmer. Da kannst du heute etwas für dein Leben lernen.«
Emy verstand überhaupt nichts, folgte aber wortlos ihrer Mutter. Als sie das Wohnzimmer betrat, traute sie ihren Augen nicht. Ethan, Dr. Bishop, Mathis und ihr Vater waren da. Emy ging zu Dr. Bishop und begrüßte ihn.
»Was ist passiert?«
»Warte, Emy, die Vorstellung beginnt gleich.«
Mrs. Laurent schob sich einen der schweren Stühle in die Mitte, so dass sie alle gut sehen konnte.
»Dr. Bishop, es tut mir leid, dass wir sie quasi vom Flughafen weg hier hergerufen haben. Und es tut mir leid, dass wir uns so kennenlernen.«
Emy hatte sich an den Türrahmen gelehnt und ihre Arme verschränkt. Mrs. Laurent eröffnete die Aufführung.
»Die halbe New Yorker Polizei hat Samstagnacht nach zwei minderjährigen Mädchen gesucht, die als Austauschstudenten in New York sind. Die beiden hatten sich im Internat des Juilliard nicht abgemeldet und waren um neun nicht da, wo sie sein sollten. Um eins hat der Internatsleiter, den man mittlerweile von zu Hause geholt hatte, die Polizei alarmiert. Die haben dann die anderen Mitbewohner gefragt, ob sie etwas wüssten. Gegen fünf hat man sich entschlossen, die französische Botschaft zu informieren, da die zwei Mademoisellen aus Frankreich sind.«
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