»Das mache ich, liebe Emy, das mache ich.«
Mathis war als erster fertig mit dem Essen und entschuldigte sich bei den anderen, dass er den Tisch verlassen muss, da er noch wichtige Dinge zu erledigen hat. Emy blieb sitzen und stocherte weiter auf ihrem Teller herum. Mrs. Laurent schaute immer wieder zu ihr und sah, dass sie nachdachte.
»Na Kind, beschäftigt dich Ethan immer noch?«
»Mum, ich weiß es nicht. Ich hatte mir fest vorgenommen, das Thema abzuschließen. Aber irgendwie kriege ich das nicht so ganz geregelt. Wenn ich ihn in der Schule sehe, ist das anders. Wenn er aber hier in der Wohnung ist, naja, das ist schon komisch.«
Mrs. Laurent stocherte auch auf ihrem Teller rum. Ohne hoch zu sehen, begann Mrs. Laurent zu reden.
»Irgendwann musst du dich entscheiden. Es kann auch nicht mit Lucas gutgehen, wenn du im Kopf mehr bei Ethan bist als bei ihm. Er wird irgendwann merken, dass etwas nicht stimmt. Gut, es wird vielleicht etwas länger bei ihm dauern. Er ist ja Texaner.«
Emy empörte sich nicht wie sonst, wenn ihre Mutter Späße über Lucas machte.
»Ja, Mum, ich weiß. Aber du siehst ja selber, Ethan hat sich wahrscheinlich damit abgefunden, dass ich einen Freund habe und wir nicht zusammen sein können. Was hat mein Bruder mit ‚in französischen Händen gemeint?«
Mrs. Laurent schob ihren Teller in die Mitte des Tischs.
»Das weiß ich nicht. Er wird es uns auch nicht sagen. Und weißt du was? Es geht uns auch nichts an. Ich muss noch etwas arbeiten. Ich habe morgen eine schräge Verhandlung. Da muss ich gut vorbereitet sein.«
Mrs. Laurent stand auf, ging um den Tisch und streichelte beim Vorbeigehen Emys Schulter.
Ethan hatte tatsächlich ein Doppeldate mit Chloé und Mathilda arrangiert. Mathis und Mathilda verstanden sich gut. Er fragte sich, warum das ganze Theater mit dem Klavierspiel im Ballettunterricht nötig war. Er und Chloé trafen sich fast jeden Tag. Sie fand ihn bezaubernd und lachte viel mit ihm. Er hatte sie mit zu sich nach Hause genommen. Ethan wollte seinen Ausflug in die Welt des Balletts schon beenden. Mathis hatte aber ernsthaft vor, die Fotos zu machen. Chloé hatte ihn gefragt, warum er eigentlich keine Freundin hatte. Er erzählte ihr von Laura in Deutschland und dass es für ihn nicht einfach sei, eine Freundin in New York zu haben.
»Na gut, dann hast du ja jetzt mich. Und wenn ich wieder in Paris bin, hast du auch eine an der Seine.«
An einem Mittwoch, als sie wieder in dem Bistro hinter dem Lincoln Center waren, fing es so stark zu regnen an, dass sie nicht loskonnten. Die Zeit wurde immer knapper und so entschloss er sich, seine Jacke als Regenschutz für Chloé zu opfern. Danach war er eine Woche krank. Chloé besuchte ihn zu Hause. Marcia wollte von ihm wissen, wer das Mädchen sei. Er erklärte ihr, sie ist eine Mittschülerin aus seiner Klasse und bringt ihm die Schularbeiten. Zwei Stunden hingen die beiden jeden Tag bei Ethan im Zimmer rum. Als sie sich dann das erste Mal küssten, wäre Ethan beinahe erstickt, weil er nicht durch die Nase atmen konnte, aber auch das Küssen nicht verpassen wollte. Mathis und Mathilda waren nach eigenen Angaben schwer verliebt, was immer das bei Mathis zu bedeuten hatte. Nachdem er wieder fit war, planten die vier, etwas zusammen zu unternehmen. Mathis hatte an dem Tag seine Fotos im Juilliard gemacht und wollte seine Ausrüstung noch nach Hause bringen. Also gingen alle vier zu ihm. Im Zimmer von Mathis drängelten die Mädchen, dass er ihnen die Fotos zeigen sollte. So dauerte der Aufenthalt länger als geplant. Als sie endlich loswollten, standen sie Mrs. Laurent und Emy im Flur gegenüber, die gerade nach Hause kamen.
»Hallo, Mum. Wir sind auch schon weg. Darf ich vorstellen? Das ist meine Freundin Mathilda und das ist die Freundin von Ethan, Chloé.«
Die Mädchen gaben Mrs. Laurent und Emy die Hand. Ethan hob nur seinen Arm.
»Also, wir sind dann weg.«
Emy stand nur da und schaute ihre Mutter an.
»Na, wenigstens deine Großeltern werden sich freuen, dass er französisches Blut in die Familie bringt. Jetzt weißt du auch, was dein Bruder gemeint hatte, mit den festen Händen und so.« Emy stand immer noch an der gleichen Stelle wie vor fünf Minuten. »Was ist, Emy? Soll ich Lucía losschicken, um Kummereis zu holen? Wusstest du nicht, dass er eine Freundin hat?«
»Nein, wusste ich nicht. Aber da muss er sie doch schon gekannt haben, als...«
Sie ging in ihr Zimmer, ohne den Satz zu beenden. Emy war schckiert. Sie hatte Angst. Das Bild, welches sie gerade gesehen hatte, nie mehr aus ihrem Kopf zu bekommen. Sie setzte sich auf ihr Bett und starrte an die Decke. Emy hatte einen Kloß im Hals, der ihr die Luft nahm. Er hat eine andere. Ob es ihm genauso wehgetan hat, wenn er mich mit Lucas gesehen hat?
Die Tage wurden immer wärmer und Ethan hatte sein Vorhaben in die Tat umgesetzt. Er war mit dem Rad in die Schule gefahren. Die Jungs, die ihn mit dem Fahrrad sahen, schauten ihm verächtlich nach. Die Mädchen fanden das eher cool. In der Pause saßen Emy, Linda und Madison zusammen und planten die kleine Party, die Linda nachträglich zu ihrem Geburtstag geben wollte. Beim Thema Gäste wurde es brisant. Madison hatte Mathis gefragt, ob er kommen würde. Der wollte nur kommen, wenn Mathilda und Ethan mit Chloé eingeladen würden. Als Madison versuchen wollte, ihre Gästeliste zu stutzen, sagte er sofort:
»Ne, ne. So wie ich es dir gesagt habe oder gar nicht. Und gar nicht wäre auch nicht so schlimm, weil wir eigentlich schon etwas vorhhaben.«
Mathis war ein wichtiger Partygast. Zum einen für die alleinstehenden Mädchen und zum anderen, weil er immer für den besonderen Moment bei Partys gut war. Alle Mädchen sagten immer, mit dem möchte ich nicht zusammen sein, der betrügt doch alle. Aber heimlich träumten die Mädchen davon, mit ihm eine andere zu betrügen. Mathis war ein sehr gut aussehender sportlicher Typ, der durch seine äußere Erscheinung bei den Mädchen Aufsehen erregte. Emys Freundinnen hielten weitgehend Abstand von ihm, da Emy sie vor ihm warnte.
»Also, was machen wir mit dem, also, na ihr wisst schon wem?«, wollte Madison wissen.
Emy druckste rum. Linda getraute sich nicht zu sagen, wegen mir können die kommen. Linda musste immer noch etwas Zurückhaltung üben, wenn es um Ethan ging.
»Ach, lass sie doch einfach kommen.«
Madison machte dem Rätselraten ein Ende.
»Ich werde es nachher Mathis sagen.«
Und damit war die Wochenendplanung von Ethan und Chloé auch geregelt. Der war weniger begeistert und hätte lieber etwas anderes mit Chloé unternommen.
Er war zeitig zu Hause. Dr. Bishop war auch schon da.
»Ach gut, dass du da bist. Wir fliegen am Freitag nach Denver und sind Montag zurück. Ich werde morgen in der Schule Bescheid sagen. Grandpas Verletzung ist wieder aufgebrochen und ich will mir das selber ansehen.«
»Wow, das tut mir leid. Aber ich kann nicht mitkommen. Ich habe am Freitag und auch am Montag zwei wichtige Prüfungen für die Halbjahresbewertung. Also Dad, das geht nicht.«
Dr. Bishop dachte nach.
»Frau Korn kommt aber auch mit, damit Marcia nicht alleine im Haus sitzen muss, wenn ich zu Grandpa in die Klinik fahre. Da wäre keiner hier und du wärst alleine.«
»Das ist kein Problem, ich kann mir ja etwas zu essen kommen lassen.«
»Ich weiß nicht so recht. Ich überlege mir bis morgen, was wir machen«, rätselte Dr. Bishop.
Beim Frühstück teilte er Ethan seinen Entschluss mit.
»Ich habe mir für Folgendes gedacht. Da du ja kein Kind mehr bist, kannst du drei Tage alleine sein. Ich will dir damit auch zeigen, dass ich Vertrauen in dich habe. Ich will dich auch nicht immer kontrollieren. Und du sollst nicht immer das machen müssen, was ich vorgebe. Wenn du mir versprichst, dass hier keine außergewöhnlichen Dinge passieren, bleibst du alleine in der Stadt.«
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