»Komm zurück!«, sagte ich. »Bitte! Komm mit mir zurück! Und verzeih mir, was ich getan habe!«
»Steig aus und lass mich in Ruhe!«, fauchte er mich an.
Ich dachte gar nicht daran! Schlangengleich wand ich mich über die Lehne des Beifahrersitzes und ließ mich neben meinen »Grafen« auf den Rücksitz fallen. Ich umarmte ihn, küsste ihn, strich sanft über die schwarze Maske.
»Vielleicht klingt es blöd, so kurz, wie wir uns erst kennen«, murmelte ich. »Aber ich liebe dich!«
Er sagte nichts mehr. Er küsste mich auch. Ich merkte, dass der Taxifahrer uns verblüfft anstarrte. Es war mir egal.
»Mein Name ist Dorian«, sagte der »Graf«, als wir das Taxi stehen ließen und zu meinem Wohnhaus zurückgingen. Dann legte er mir wieder einmal sein Jackett über die nackten Schultern. Eng umschlungen stiegen wir die Treppe hinauf.
»Mach diese Maske ab«, sagte ich zu Dorian, als wir in meinem Wohnzimmer saßen. »Ich will dich so sehen, wie du bist.«
»Ich weiß nicht, ob du das aushältst«, widersprach er. »Bisher hat es keiner lange ertragen.«
»Aber ich tue es. Du kannst nicht dein Leben lang maskiert herumlaufen!«
Er lachte hart auf. »Ich war früher Schauspieler, meistens in der Rolle des >jungen Liebhabers<. Vor drei Jahren, als ich 25 war, hatte ich auf einem Grillabend den Unfall. Jemand hat im Suff Spiritus in den glühenden Holzkohlengrill geschüttet, und ich bekam die Stichflamme ab. Es war ein Glück, dass meine Augen heil geblieben sind. Seitdem arbeite ich im Theater als Inspizient. Da trage ich auch diese Maske, wenn ich keine Lust oder Zeit habe, mich umständlich mit meinem Camouflage-Make-up zu befassen. Oder weil ich das alles hasse.« Er lachte noch einmal sarkastisch. »Die Kollegen nennen mich >Das Phantom der Oper<. Also habe ich mich dieses Jahr mal als >Phantom< ins Karnevalstreiben gewagt.«
Ich griff noch einmal nach der Maske und zog ganz leicht daran. »Darf ich?«
»Wenn du willst …«
Ich nahm ihm die Maske weg und strich sanft über die verbrannte Haut. Was war schon ein bisschen fehlendes Gesicht gegen die Schönheit seines Körpers, gegen seinen perfekten Schwanz, gegen seine unfassbare Fick-Kunst – gegen ihn als Mensch.
Er lächelte mich an. »Tanz noch einmal für mich, Pol! Du hast mich verzaubert mit deinem Flamenco.«
Ich legte eine CD mit der passenden Musik auf. Immer noch trug ich nur die schwarze Hose, sonst nichts, fast wie ein jüngerer Joaquín Cortés. Nur die Schuhe zog ich noch an, um mit den Absätzen den richtigen Rhythmus hinzukriegen. Ich tanzte nur für ihn, für Dorian – stolz, biegsam, leidenschaftlich.
Er sprang auf, hielt mich mitten im Tanz fest, küsste mich. Nun gingen wir in mein Schlafzimmer. Er legte mich auf mein Bett und fickte mich zärtlich, von vorn, wieder so gut, dass ich zerschmolz vor Lust. Ich sah ihm dabei ins Gesicht. In sein echtes, wahres Gesicht.
»Dan?«
»Ja, Herr Platen?«
»Dan, prüf bitte hierzu die Fakten, okay?« Ich gab meinem Praktikanten den Ausdruck des Artikels aus dem Ressort Politik, den mein zuständiger Redakteur geschrieben hatte.
»Wieder auf Papier?«, spottete Dan.
Ich seufzte. »Meiner Meinung nach sieht man in einem Ausdruck einfach die Fehler besser als in einer Datei.«
»Sie sind hoffnungslos konservativ, Herr Platen«, meinte er frech.
»Deshalb arbeite ich auch immer noch für eine gedruckte Zeitung und nicht für eine Online-Redaktion«, erwiderte ich etwas genervt. »Außerdem bin ich in Würde 42 Jahre alt geworden, da darf ich wohl ein bisschen altmodisch sein. Du meinst doch sicher >altmodisch< mit dem Wort >konservativ