1 ...7 8 9 11 12 13 ...26 Mit der zweiten Nacht wurde unser Preis eingelöst. Ich hatte kein Verlangen, in unsere spärliche Unterkunft zurückzugehen und blieb bei Torvac. Meine Begleiterin wollte auch nicht gehen. Torvac grinste nur bei unserer Entscheidung.
Am folgenden Tag berichteten die Wächter, ein Reiter sei vom Norden in die Stadt gekommen. Ob Zufall oder nicht, er befand sich im Gasthaus zur blutigen Axt. Ich reckte meine von den vergangenen Nächten angespannten Muskeln, griff zur Hose und kroch unter den Felldecken hervor.
»Dann wollen wir uns diesen Boten mal ansehen.« Moi’ra nickte zustimmend und legte sich den Brusthalter aus Ketten an. Ich prüfte meinen Dolch und steckte ihn in eine kleine Gürtelscheide. Die Hose lag auf meinen Hüften an und ermöglichte mir so, meine Waffe schnell zu ziehen. Mit einem prüfenden Blick auf meine langen Fingernägel vergewisserte ich mich, dass sie perfekt geformt waren. Wir konnten gehen.
»Soll ich mitkommen?«, brummte Torvac.
»Ich wäre sehr beruhigt, wenn ich weiß, dass du in der Nähe bist.« Mein unschuldiger, hilfsbedürftiger Blick verstärkte seine Beschützerinstinkte.
Eine leichte Aufregung sammelte sich in meinem Bauch, je näher wir der Taverne kamen. Außen neben dem Eingang war eine hohe Apfelschimmelstute festgemacht. Sie trug noch den Sattel, an ihren Flanken glänzte deutlich das verschwitzte Fell. Ein anstrengender Ritt lag hinter ihr.
Nur wenige Gäste hatten am frühen Nachmittag den Weg ins Gasthaus gefunden. Allein an einem der Tische saß der schmächtige Mann. Er trug einen weiten Umhang, seine Arme und Hände waren von dunklen Tuchbandagen eingewickelt. Ein Kopftuch verbarg seine Haare. Er widmete sich einem Glas Wasser, eine Karaffe stand bereit, seinen Durst zu stillen.
Ohne Umschweife traten wir ein und schritten zielstrebig auf ihn zu. Er hob seinen Kopf. Ich sah seine Schultern sich lockern, bereit, Schwung zu holen und den Tisch zwischen uns und seinem Körper zu bringen.
»Ihr kommt aus Talorn und habt etwas für uns.« In solchen Momenten schätzte ich meine Begleiterin für ihre direkte Art. Viele Worte waren hier nur Verschwendung.
»Für euch?« Er zog seine Nase hoch und wischte mit seinem Ärmel darüber. Seine abfällige Geste missfiel mir. Ich beugte mich vor, trommelte mit den Fingernägeln auf das Holz und ignorierte die Blicke der anderen Gäste.
»Ja, wir wollen es haben. Gebt es uns, dann passiert Euch nichts.« Ich wusste, er würde meine Drohung ignorieren, aber ich liebte dieses Spiel.
»Mir wird nichts passieren, wenn ich meine Lieferung zum richtigen Bestimmungsort bringe.« Er redete zu viel.
»Aha«, knüpfte ich mit hochgezogener Augenbraue an, »dann habt Ihr tatsächlich etwas dabei. Wem sollt Ihr es geben?«
»Das möchtest du jetzt wirklich gerne wissen, was?« Er lachte dreckig. Mein zorniger Blick belustigte ihn. »Verschwindet wieder!« Seine Hände unterstützten die Forderung. »Kümmert euch wieder um den Abwasch, macht die Wäsche oder wofür ihr sonst zu gebrauchen seid. Ich will nicht länger gestört werden.« Ein Blick zur Seite bestätigte das Ende der Unterhaltung.
»Pack ihn, dann können wir ihn durchsuchen«, erklärte ich an Moi’ra gewandt.
Aus den verschlungenen Falten seines Umhanges blitzten zwei Dolche auf. Kampflos wollte sich der Bote nicht ergeben. Noch während ich einen Schritt zurück ging, griff Moi’ra mit ihren Ketten an.
Ein Stuhl kippte zur Seite, die Klingen wirbelten herum und leiteten Kettenglieder ab. Metall traf auf Metall, Funken sprühten und schnell wurde mir klar, dass meine Begleiterin trotz ihrer Vertrautheit mit den Ketten nicht lange den surrenden Dolchen standhielt. Schon bohrte sich ein Dolch in die Schulter meiner Gefährtin, Blut spritzte in einem weiten Bogen und benetzte meine Hose. Wütend sah ich auf den Fleck.
Moi’ra ignorierte die offensichtlich schmerzende Wunde und kontrollierte die Kettenenden, als wären sie nichts anderes als ihre verlängerten Fäuste.
Tastend wagte sich mein Geist vor, verband sich unsichtbar mit dem Willen des Boten. Wie ein Stromschlag sandte ich eine kleine Energiewelle durch sein Gehirn und verwirrte ihn für eine kurze Zeit. Es war nur eine kleine Hilfe, denn schon stach er wieder zu und ritzte entlang der trainierten Hüfte des weiblichen Mönchs die Haut auf. Sie schwankte kurz, drosch dann weiter mit den Ketten auf den hin und her tänzelnden Boten ein.
Aus den Augenwinkeln beobachtete ich, wie sich ihre Wunde langsam wieder regenerierte. Mein Geist arbeitete weiter, knüpfte an der nächsten Handlung unseres Gegners an und zerstreute sie in die Ewigkeit der Gedankengänge. Wütend musste ich dennoch zusehen, wie die Schneiden sich erneut in Moi’ras Körper bohrten. Sie heilte nicht schnell genug, war zu sehr angeschlagen und taumelte.
Es war noch nicht an der Zeit, meine wahre Gestalt zu zeigen. Und wir hatten Zuschauer. Mit einer Handdrehung verbarg ich, wie mein Geist eine kleine Flamme formte, sie über meinen Zeigefinger züngelte und durch ein Schnippen auf den Boten schleuderte.
Hinter mir donnerten die Hufe des Minotauren heran. Bis er zu Hilfe eilte, nahm ich zwei Stiche des Boten in meine Beine hin und schrie schmerzhaft auf. Zu meinem Glück waren die Klingen nicht stark genug verzaubert, um meine außerweltlichen Heilungskräfte zu umgehen. Von dem Treffer blieb nur das Loch in meiner Hose, umrahmt von getrocknetem Blut. Jetzt war ich wirklich wütend.
Von einem Axthieb getroffen stolperte mein Peiniger einige Schritte zurück. Blut tropfte aus einer langen, klaffenden Wunde an seiner Seite auf den Holzboden. Die geschundene Zeit reichte, damit sich Moi’ra erholte, geschickt in den Stand sprang und einen wahren Sturm von Schlägen mit den Ketten ausführte. Benommen ging der Mann zu Boden. Seine beiden Klingen klapperten auf den steinigen Grund. Ich nahm sie an mich und stach, aus Zorn und um sicherzugehen, damit in seinen Hals, durchtrennte die Schlagader. Freudig beobachtete ich die Blutfontäne und das letzte Zucken der Nerven.
Beide Dolche lagen gut in der Hand und glitten in die Haut wie Butter. Es waren eindeutig Meisterarbeiten, leicht verzaubert, um ihre Wirkung zu erhöhen und gegen Witterungseinflüsse zu schützen. Grund genug für mich, sie zu behalten.
Gemeinsam durchsuchten wir seine Ausrüstung. Er hatte eine Ledermappe bei sich, dort fanden sich aber keine nützlichen Dinge und es gab keinen Hinweis, wem er seine Aufwartung machen wollte, noch etwas Wertvolles. Einige Silbermünzen und vier Goldmünzen fanden ihren Weg in unsere Beutel.
Wütend angesichts der geringen Ausbeute schlitze ich dem drahtigen Mann den Bauch mitsamt Kehle auf. Eine große Blutlache bedeckte jetzt den Boden.
»Hey, jetzt ist mal gut, wer soll das alles wieder saubermachen?«, schrie der kleinwüchsige Wirt erbost. Mit meiner erhobenen Hand gebot ich ihm zu schweigen.
Im Magen erkannte ich etwas kleines, metallisches, das wie ein kleines Ei geformt war. Verwundert beförderte ich es mit den Dolchspitzen heraus und wischte die Schneiden am Umhang der Leiche ab. Eine feine Naht trennte den Gegenstand in zwei Teile. Vorsichtig zog ich die Hälften auseinander und fand ein zusammengefaltetes Stück Papier. Darauf befand sich eine Skizze. Ich reichte meinen Fund den beiden anderen. Torvac rümpfte seine Nase und stampfte aus dem Gasthaus, um die Zeichnung bei Tageslicht zu begutachten. Wir folgten ihm neugierig.
»Könnte eine Wegbeschreibung in den Süden sein, wenn das hier«, er deutete auf eine Stelle der Skizze, »die Labyrinthstadt ist und hier«, er zeigte zum Ende der Skizze, »die Gebirgsausläufer der Schattenzinnen angedeutet sind, dann führt dieser Weg in die Narbenlande.«
»Narbenlande?«, erwähnte ich. »Davon habe ich gehört. Es ist eine Wüste, nicht wahr?«
»Ja«, grummelte er, »schon seit vielen Jahrhunderten. Ein großer Krieg fand dort statt. Eine unwirtliche Gegend.« Verkniffen sah der Minotaurus zum angebundenen Pferd.
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