Wütend wand ich mich unter ihm hervor. Ich war wütend auf mich selbst, weil ich keine Befriedigung finden konnte, und auf Bernd, weil er mir keine verschaffen konnte. Mein Körper war in Schweiß gebadet, und auf meinen Schenkeln waren die Spuren seiner Zähne zu sehen.
Ich setzte mich auf die Bettkante und stützte den Kopf in die Hände. Meine Gedanken kreisten unablässig um die eine Frage, auf welchem Weg und in welcher Stellung ich endlich die erträumte Befriedigung und Erfüllung finden könnte.
Ich wandte den Kopf, warf schaudernd einen Blick auf seinen geschrumpften Penis und schüttelte niedergeschlagen den Kopf.
„Wie bald, Bernd?“, fragte ich. „Wann ist er wieder hart? Ich würde gerne gefickt werden.“
Wieder trat jener ungläubige Ausdruck in seine Augen. Diesmal schüttelte er den Kopf.
„Das kann doch nicht dein Ernst sein“, meinte er. „Du machst Spaß!“
Mein Gesicht muss ihm wohl die Wahrheit gezeigt haben, denn er sprang mit einem hysterischen Auflachen vom Bett und eilte auf die Tür des Badezimmers zu. Dort drehte er sich noch einmal um, betrachtete mich kopfschüttelnd und murmelte traurig: „Such dir einen anderen Mann.“
„Warum? Was ist mit dir los? Hast du keine Lust mehr auf mich? Ich brauche noch viel Sex. Ich bin noch lange nicht befriedigt!“, antwortete ich.
Meine Worte prallten von ihm ab.
„Ich habe immer davon geträumt, mit einer Frau wie dir im Bett zu liegen. Ich glaube, davon träumt jeder Mann. Aber nach den Erfahrungen der vergangenen Stunde ... nein, danke sehr.“
„Wie ... wie meinst du das?“, fragte ich verständnislos.
„Hör zu“, erklärte er mit einem verächtlichen Unterton in der Stimme. „Kein Mann kann eine Nymphomanin befriedigen, und genau das bist du. Eine Nymphomanin!“
Ich saß wie betäubt auf der Bettkante und hörte das Rauschen der Dusche hinter der Tür.
Eine Nymphomanin!
Das war mein einziger Gedanke. Ich wusste, was er damit meinte. Eine Frau mit einer unstillbaren, sexuellen Gier, die niemals genug bekommt. Ich hatte schon darüber gelesen und mir vorzustellen versucht, wie es in einer solchen Frau aussehen mochte.
Damals hatte ich mir das wunderbar vorgestellt ... eine Frau, die immer einen Mann um sich haben musste. Aber natürlich hatte ich nicht daran geglaubt. Niemand konnte so beschaffen sein.
Doch nun begann ich es zu glauben. Ich wusste sogar, dass es stimmte. Ich wusste jetzt, was ich war. Eine Nymphomanin!
Elvira Bergström öffnete die Augen und blickte mich mit ihren faszinierenden Pupillen an. Ich konnte mir gut vorstellen, was in dem Mann vorgegangen war. Er hatte alles gegeben, aber es war nicht genug gewesen.
Elvira öffnete den Mund und flüsterte: „Oh Gott, was soll ich machen, Frau Doktor? Bin ich wirklich eine Nymphomanin?“
„Um das beurteilen zu können, müsste ich noch mehr aus Ihrem Leben hören.“
„Das Erzählte reicht noch nicht?“
„Nein, Frau Bergström. Sind Sie bereit, sich noch mehr zu öffnen?“
„Noch mehr?“
„Ja. Sie müssen mir alles offen und ehrlich erzählen, was sich seit diesem ersten Seitensprung in Ihrem Leben ereignet hat. Erst wenn ich alles weiß, kann ich mir eine Meinung bilden und über die weiteren Schritte nachdenken.“
„Ich bin dazu bereit, Doktor Gold.“
„Ehrlich, offen und wahrheitstreu?“
„Ja.“
„Gut. Dann vereinbaren Sie mit meiner Sprechstundenhilfe einen weiteren Termin“, sagte ich.
„Sind wir heute schon fertig?“
„Ja. Die Stunde ist bereits um. Wir sprechen uns bald wieder.“
Sie nickte, stand auf und verließ mein Zimmer. Ich war neugierig, was noch alles kommen sollte.
Bis zum nächsten Termin mit Elvira Bergström verging eine Woche. Diesmal hatte die Frau es nicht geschafft, sich früher in meinen Kalender zu mogeln.
Bei diesem dritten Termin trug sie ein exklusives Chanel Kostüm. Wollte sie mich mit dem materiellen Reichtum, indem sie lebte, etwa beeindrucken? Vielleicht war das auch ihre Art, mit der Unsicherheit, die in ihrem Leben herrschte, umzugehen.
Sie nahm vor meinem Schreibtisch Platz, goss sich ein Glas Mineralwasser ein und lächelte.
„Es tut mir gut.“
„Das Mineralwasser?“, hakte ich nach und spielte diesmal mit einer Goldmünze, die ich zwischen meinen Fingern rollte.
„Nein! Unsere Gespräche.“
„Sie reden, und ich höre zu.“
„Das ist gut so. Es scheint mir zu helfen.“
„Wie kommen Sie darauf?“
„Ich habe schon lange nicht mehr so erholsam geschlafen, wie in den letzten Tagen. Das ist doch ein gutes Zeichen, oder?“
„Wir sollten weiter daran arbeiten. Ich vermute, wir sind auf dem richtigen Weg, Frau Bergström.“
„Wie geht es nun weiter?“
„Sie beginnen an dem Punkt Ihrer Geschichte, an dem Sie geendet haben.“
„Nach Bernd?“
„Ja.“
„Einverstanden.“
Und Elvira Bergström begann zu erzählen:
Seit jener Episode in Schwabing mit Bernd habe ich mit mir leben müssen, ohne die Wahrheit länger abstreiten zu können.
Zunächst hielt ich es für einfach. Ich brauchte ja nur heimzufahren und meinem Ehemann die Wahrheit zu sagen. Aber als ich die Wohnungstür öffnete und sein geliebtes Gesicht sah, konnte ich es einfach nicht.
Wie soll man seinem Mann anvertrauen, dass man gerade mit einem anderen Kerl gerade gefickt hat?
Wie soll man ihm einen sexuellen Zwang erklären, der einen nicht verlässt?
„Wo bist du gewesen? Es ist fast sieben Uhr!“
Er war wütend ... oh ja, er war ziemlich wütend!
„Ich bin aufgehalten worden.“
„Wie? Wo? Von wem?“
„Der Wagen ... ja, das blöde Auto. Ich hatte einen platten Reifen.“
Er wusste, dass ich log. Ich erkannte es an der Art, wie er die Augen zusammenkniff und wie seine Nasenflügel bebten. Ich konnte mir vorstellen, was in seinem Kopf vorging.
Anscheinend wollte er die Situation nicht dramatisieren. Vielleicht fürchtete er sich vor der Wahrheit. Seine Wut verrauchte, und er war nur noch enttäuscht.
Wir standen uns gegenüber und musterten uns mit forschenden Blicken. Jeder wartete auf ein gutes Wort des anderen, um eine Brücke zur Verständigung zu bauen.
Als das ausblieb, wandte ich mich um, ging ins Schlafzimmer und drückte die Tür hinter mir fest ins Schloss. Ich wollte allein sein, denn ich musste über so viele Dinge nachdenken.
Ich lag der Länge nach auf dem Bauch im Bett und stützte das Kinn in die Hände. Ich versuchte, mit der Realität fertig zu werden. Was, um alles in der Welt, konnte ich nur anfangen?
Ich hatte gerade meinen Ehemann betrogen. Aus freien Stücken. Niemand hatte mich verführt. Ich war auch nicht betrunken und demzufolge in meiner Widerstandskraft gelähmt gewesen. Ich hatte heute früh unsere Wohnung mit der Absicht verlassen, eine Männerbekanntschaft zu machen. Und ich hatte einen Kerl zum ficken gefunden.
Während des intimen Beisammenseins hatte ich dann die Wahrheit über mich selbst entdeckt. Diese Wahrheit sagte, dass ich auch weiterhin Ausschau nach Männern halten würde.
Ich spielte mit dem Gedanken, einfach zu Philipp zu gehen und ihm die Scheidung vorzuschlagen. Ich wusste, welche Qualen er erleiden musste, und ich konnte ihm das nicht länger zumuten.
Ich sonnte mich in dem Gedanken, wie tapfer das von mir wäre, doch im Grunde meines Herzens wusste ich nur zu gut, dass ich mir etwas vorgaukelte. Den Gedanken, allein zu sein, konnte ich einfach nicht ertragen. Ich konnte mich nicht in die Rolle einer geschiedenen Frau hineindenken.
Aber was sollte ich ihm sagen?
Wie sollte ich mich verhalten?
Was sollte ich machen?
Ich wandte den Kopf, als ich ihn leise die Tür öffnen und wieder schließen hörte. Er lehnte mit dem Rücken am Türpfosten, und sein Gesicht war ausdruckslos. Er wartete auf ein Wort von mir, und ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich zermarterte mir den Kopf nach ein paar passenden Worten, um zwischen uns wieder alles in Ordnung zu bringen.
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