die Uhr und es war erst acht Uhr. Egal, dachte ich mir, dann mache ich mir
jetzt schnell Frühstück und packe dann meine Badesachen. Als ich an Susis
Zimmer vorbeiging war es noch still drin. Ich hatte mir vorgenommen, die
Vorfälle von gestern einfach zu vergessen. Ich machte mir eine heiße Milch
und schmierte mir ein paar Stullen. Dann ging ich ins Wohnzimmer und schaute
nebenbei etwas fern. Später ging ich zurück in mein Zimmer und packte meine
Badesachen zusammen. Es dauerte nicht lange und ich hatte mein Fahrrad aus
der Garage geholt. Ich verpackte meine Tasche auf dem Gepäckträger und stieg
auf. Als ich mich kurz danach umsah, ob ich die Garagentür richtig zugemacht
hatte, sah ich, wie mich Susi hinter der Gardine beobachtete. Oh Mann, nicht
schon wieder diese Gedanken! Ich trat kräftig in die Pedalen, um möglichst
bald am See zu sein. Dort waren auch schon einige meiner Kumpels da. Von dem
Zeitpunkt an hatte ich genügend Abwechslung, um nicht an Susi zu denken.
Dachte ich zumindest, denn es waren vielleicht zwei Stunden vergangen, als
ich aus dem Wasser heraus sehen konnte, wie Susi mit ihrer Freundin zum See
geradelt kam. Susi suchte solange, bis sie mein Fahrrad entdeckt hatte und
breitete ihre Decke ein Stück neben mir aus. Nun wollte ich nicht mehr aus
dem Wasser, aber nach einer viertel Stunde wurde es mir dann doch zu kalt und
ich ging raus. Als ich zu meiner Decke kam, sagte Susi nur zu mir: „Na du!“
Selbst die zwei Worte machten mich wieder total wirr im Kopf. Ich versuchte
von nun an mich nur mit meinen Kumpels zu beschäftigen, konnte es mir aber
auch nicht verkneifen, ab und zu mal zu Susi zu schauen. Als sie sich gerade
auf dem Bauch sonnte, schaute ich sie mir genauer an. Schön war sie ja und
auch so braungebrannt wie ich, aber sie war doch meine Schwester. Ich hatte
ja schon mal eine Freundin, die war da auch erst elf Jahre alt, aber es war
eben nicht meine Schwester. Plötzlich drehte sie sich um und ich schaute
schnell woanders hin. Ich ging dann noch eine Weile mit meinen Kumpels
Wasserball spielen. Plötzlich rief mir einer zu, daß es dort hinter dem Wald
aber ganz schön dunkel wird. Ich schaute mich um und sah, wie eine große
schwarze Wand auf uns zu kam. Aber man hörte noch kein donnern, also blieben
wir auch noch. Wir hatten übelsten Spaß beim Ballspielen und keiner nahm das
anziehende Gewitter mehr richtig wahr. Plötzlich hörte ich eine bekannte
Stimme vom Ufer aus rufen. Ich drehte mich um und sah, wie Susi auf den
Himmel zeigte. In dem Moment blitzte und krachte es auch schon. Blitzschnell
rannten wir aus dem Wasser und packten alle unsere Sachen. Susi hatte alles
so schnell in ihre Tasche gestopft, daß nun mehr die Decke hinein paßte. Ich
riß sie ihr aus der Hand und sagte, daß wir uns jetzt beeilen müßten, weil
die Fenster in der Wohnung noch offen seien. Wir zogen uns alle schnell an
und radelten in verschiedene Richtungen davon. Susi hatte es ziemlich schwer,
an mir dranzubleiben. Etwa einen Kilometer von zu Hause entfernt fing es
plötzlich ungemein an zu regnen.
Im nu waren wir beide klatschnaß und mußten sogar die letzten hundert Meter
die Fahrräder schieben, weil wir gegen Wind und Regen nicht mehr ankamen. Am
Haus angekommen warfen wir die Räder in die Ecke und verschwanden schnell im
Haus. Jeder rannte in irgendein Zimmer und machte die Fenster zu. Als alles
wetterfest war, trafen wir uns wieder in der Küche. Es war ziemlich dunkel
und ich machte das Licht an. Jetzt sah ich auch, wie durchnäßte wir beide
waren. Susi zitterte vor Kälte. Sie hatte in der Windeseile nur ein T-Shirt
drübergezogen.
„Komm geh schnell unter die Dusche bevor du dich erkältest“, sagte ich zu
ihr. Sie nickte nur und verschwand im Bad. Ich flitzte in mein Zimmer und zog
mir schnell die nassen Klamotten aus. Ich holte mir neue Unterwäsche und eine
neue trockene Shorts. Ich wollte gerade die nassen Sachen auf die Heizung
hängen, als ich Susi rufen hörte. Ich ging zum Badezimmer und fragte vor der
Tür, was denn sei. Sie meinte, sie hätte kein Handtuch hier, weil Oma alle
heute wahrscheinlich zum Waschen abgeholt hätte. Ich ging in das Schlafzimmer
meiner Eltern und holte ein gleich ein paar Handtücher, weil ich ja auch noch
duschen wollte. Zurück am Badezimmer klopfte ich an.
„Komm rein“, rief mir Susi zu. Ich machte die Tür einen Spalt auf und fragte
sie, wo ich sie hinlegen sollte.
„Lege sie hinten auf die Ablage am Fenster“, antwortete sie mir. Ich trat
zögernd ins Badezimmer und ging zur Kommode. Ich bemerkte aber nicht, daß
Susi die Tür der Duschkabine nicht geschlossen hatte. Im vorbeigehen sah ich,
wie Susi nackt unter der Dusche stand. Vielleicht eine zehntel Sekunde
verharrte ich, legte dann aber schnell die Handtücher hin und verschwand
wieder. Oh nein, jetzt wußte ich nicht einmal, ob sie zufällig die Tür
offengelassen hatte, oder ob sie es einfach so wollte. Verdammt, dachte ich
mir, jetzt ist es schon so weit, daß mich meine eigene Schwester verlegen
macht. An Abendbrot essen dachte ich schon gar nicht mehr. Ich wartete bis
Susi aus dem Bad war und in ihr Zimmer ging. Ich ging mich dann auch noch
abduschen und verschwand in meinem Bett. Draußen hörte man immer noch ein
entferntes Grollen. Der Regen hatte aber auch schon nachgelassen und der
Sturm hatte sich auch gelegt. Durch das stundenlange Herumtoben im Wasser war
ich todmüde und auch gleich mit den Sachen auf dem Bett eingeschlafen, obwohl
es eigentlich noch gar nicht so spät war.
Ich weiß nicht wie lange ich geschlafen hatte, aber plötzlich wurde ich
munter.
„Rico, der Strom ist weggegangen“, schallte es durch meine Tür. Noch halb
verschlafen stieg ich aus dem Bett und erschrak fürchterlich, als es
plötzlich draußen krachte. Das verdammte Gewitter war nochmal zurückgekommen,
schoß es mir durch den Kopf. Ich zog das Rollo hoch und sah nach draußen. Der
Sturm war noch schlimmer, als nachmittags. Der Regen peitschte ans Fenster
und ein Blitz löste den nächsten ab.
„Rico, hörst du mich?“, drang es wieder durch meine Tür. Ich schloß auf und
sah im Schein ihrer Taschenlampe, wie sie zitterte. Ohne zu zögern nahm ich
sie in den Arm und versuchte sie zu beruhigen. Sie schluchzte leise und ich
merkte, daß sie ganz schön Angst vor diesem Unwetter hatte. Ehrlich gesagt,
war mir auch nicht ganz wohl dabei. Plötzlich erschraken wir beide, als das
Telefon klingelte. Ich ging hin und nahm den Hörer ab. Es war Oma und sie
klang richtig aufgeregt. Ich beruhigte sie und sagte ihr, daß bei uns alles
in Ordnung sei. Sie wollte uns dann morgen früh noch einmal anrufen und legte
dann auf. Susi ließ mich während der ganzen Zeit nicht mehr los. Wir holten
uns etwas zu trinken und setzten uns im Wohnzimmer an das Fenster. Das
Gewitter wollte einfach nicht abklingen.
„Komm wir gehen wieder schlafen“, sagte ich leise zu Susi. Sie klammerte sich
an mich und meinte immer noch schluchzend, daß sie alleine Angst hätte. Ich
versuchte sie noch zu beruhigen und ihr zu erklären, daß uns hier nichts
passieren könnte, aber sie wollte, daß ich bei ihr bleibe. Ich überlegte kurz
und meinte dann zu ihr, daß sie bei mir mit im Zimmer schlafen könnte. Hand
in Hand gingen wir dann in mein Zimmer. Susi legte sich in meinem Bett hinten
an die Wand und ich versuchte mit etwas Platz an der Vorderkante zu schaffen.
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