Christian Schacherreiter - Das Liebesleben der Stachelschweine

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Sie waren Studenten und politisch engagiert: Hans-Werner Hänsel auf linkssozialistischer Seite, Dietrich Pernauer auf rechtsnationaler. Ihre Begegnungen in der Studentenvertretung verliefen entsprechend unfreundlich, und beide waren froh, als sich ihre Wege trennten. Zwei Jahrzehnte später treffen sie einander wieder, und es geht ihnen gar nicht gut. Dietrich hat gewaltigen Ärger mit seiner Herkunftsfamilie, sein älterer Bruder nutzt ihn aus, mit seinem dandy-haften jüngeren Bruder kann er nichts anfangen, mit der esoterisch veranlagten Schwester sowieso nicht. Beruflich sieht er sich unter Wert behandelt und in der Burschenschaft macht er sich gerade zur Witzfigur. Frustriert muss er regelmäßig den strahlenden Hans-Werner Hänsel in Talkshows bewundern, der kurz davor steht, Landesparteiobmann zu werden. Da wird Dietrichs Erzrivale von der ehemaligen Kommilitonin Gretel Kantor beschuldigt, sie vor zwanzig Jahren vergewaltigt zu haben. Die Skandalgeschichte von «Hänsel und Gretel» gerät flugs in die Schlagzeilen, Hans-Werner scheint privat und politisch ruiniert. Plötzlich hält Dietrich die Fäden in der Hand und findet sich in einer ganz neuen Rolle wieder. Es ist nun an ihm, Entscheidungen mit weitreichenden Folgen zu treffen.

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Christian Schacherreiter

Das Liebesleben der Stachelschweine

Roman

OTTO MÜLLER VERLAG

Die Drucklegung dieses Buches wurde gefördert von den Kulturabteilungen des Landes Oberösterreich sowie Stadt und Land Salzburg.

wwwomvsat ISBN 9783701312948 eISBN 9783701362943 2022 OTTO MÜLLER - фото 1

www.omvs.at

ISBN 978-3-7013-1294-8

eISBN 978-3-7013-6294-3

© 2022 OTTO MÜLLER VERLAG SALZBURG-WIEN

Alle Rechte vorbehalten

Satz: MEDIA DESIGN: RIZNER.AT

Druck und Bindung: Finidr s.r.o., Český Těšín

Covergestaltung: Leopold Fellinger

Inhalt

Das Personal DAS PERSONAL Dietrich Pernauer, seine Familie, sein Umfeld Generation Krieg und Hakenkreuz Opa Josef (1918–2004) Oma Agnes (1918–1991) Onkel Heinz, Josefs Bruder (1920–1995) Tante Berta (1922–2000), Heinz’ Ehefrau Generation Nachkriegszeit und Wiederaufbau Mutti Hildegard (*1944) Vati Otto (1941–1999) Onkel Harald, Hildegards Cousin (1946–1996) Waldemar (*1949), Reingards Lebensgefährte, verheiratet mit Annegret Generation Friedenszeit und Postmoderne Joachim (*1968) Birgit, seine Ehefrau (*1973) Jens (*2009) und Nils (*2013), ihre Söhne Hannelore (*1971), verheiratete Lichtenstein (New York) Dietrich (*1975) Reinhard und Reingard, Zwillinge (*1981) Rebekka, Reinhards Lebensgefährtin (*1980) Sarah, Rebekkas Tochter aus erster Ehe (*2014) Dr. Gernot Brunmayr, Rechtsanwalt Die Neugermanen Hans-Werner Hänsel, seine Familie, sein Umfeld Hans-Werner Hänsel (*1974) Hänsels Eltern (*1948) Mag. Romana Jovanovic, Hänsels Lebensgefährtin (*1981) Mira, Romanas Tochter aus erster Ehe (*2006) Alma, Romanas und Hänsels Tochter (*2013) Astrid, Hänsels erste Ehefrau (*1973) Viktor, Hänsels Sohn aus erster Ehe (*1998) Margarete „Gretel“ Maurer, spätere Kantor (*1975) Dr. Severin Voglgruber, Rechtsanwalt Dr. Martha Voglgruber, seine Tochter, Rechtsanwältin Dr. Markus Urban, ihr Lebensgefährte Die Parteifreund*innen

1 Jede Familie ist auf ihre Weise seltsam

2 Die Gralsburg der Pernauers

3 Dietrich genoss das festigende Gefühl des Anerkannten

4 Der lärmempfindliche Maulwurf war Dietrichs Lieblingstier

5 Das ist der Schoß, aus dem die Schlaganfälle kriechen

6 Die höchste Stufe männlicher Berufung

7 Sehr interessiert waren die Russen von Anfang an nicht

8 Der Konvent franste unschön aus

9 Ahmed, der böse Eunuch

10 Unerwünschtes Wiedersehen

11 Locker tänzelte der Stürmer ins Abseits

12 Wir sind eine Stachelschweinfamilie

13 Dietrich, erwache!

14 Ich schwöre beim Geist von Bruno Kreisky: Das ist nicht wahr!

15 Wir stehen erst am Anfang einer kleinen Abenteuerreise

16 Dietrich träumte süß vom Untergang seiner Feinde

17 Im Begleitschutz von zwei Markomannen bezog Hänsel sein Winterquartier

18 Der Spion kam über die Nordwestroute

19 Kein Happy End für Hänsel und Gretel

20 Aufgeputzt wie ein Herr stand Dietrich in der Bauernstube

21 Waffenhilfe für Gretel kam von unerwarteter Instanz

22 Jeder, der eine Familie hat, könnte einen Roman schreiben

23 Das war ein Volltreffer aus Rebekkas pazifistischem Geschoß

24 Diederich, wir schlagen die politische Mensur!

25 Hannelore, sehr transatlantisch, urban und weltweiblich

26 Meine Erinnerung ist lückenhaft und unzuverlässig

27 Die Menschheit hatte ein funkelnagelneues Großthema: Corona

28 Pünktlich zur Sommersonnenwende kam der Bagger

Eine Gesellschaft Stachelschweine drängte sich an einem kalten Wintertage recht nahe zusammen, um durch die gegenseitige Wärme sich vor dem Erfrieren zu schützen. Jedoch bald empfanden sie die gegenseitigen Stacheln, welches sie dann wieder von einander entfernte. Wann nun das Bedürfnis der Erwärmung sie wieder näher zusammenbrachte, wiederholte sich jenes zweite Übel, so daß sie zwischen beiden Leiden hin- und hergeworfen wurden, bis sie eine mäßige Entfernung von einander herausgefunden hatten, in der sie es am besten aushalten konnten. So treibt das Bedürfnis der Gesellschaft, aus der Leere und Monotonie des eigenen Innern entsprungen, die Menschen zueinander; aber ihre vielen widerwärtigen Eigenschaften und unerträglichen Fehler stoßen sie wieder von einander ab. […] Wer jedoch viel eigene innere Wärme hat, bleibt lieber aus der Gesellschaft weg, um keine Beschwerde zu geben, noch zu empfangen .

Arthur Schopenhauer,

„Parerga und Paralipomena“ (1851)

DAS PERSONAL

Dietrich Pernauer, seine Familie, sein Umfeld

Generation Krieg und Hakenkreuz

Opa Josef (1918–2004)

Oma Agnes (1918–1991)

Onkel Heinz, Josefs Bruder (1920–1995)

Tante Berta (1922–2000), Heinz’ Ehefrau

Generation Nachkriegszeit und Wiederaufbau

Mutti Hildegard (*1944)

Vati Otto (1941–1999)

Onkel Harald, Hildegards Cousin (1946–1996)

Waldemar (*1949), Reingards Lebensgefährte, verheiratet mit Annegret

Generation Friedenszeit und Postmoderne

Joachim (*1968)

Birgit, seine Ehefrau (*1973)

Jens (*2009) und Nils (*2013), ihre Söhne

Hannelore (*1971), verheiratete Lichtenstein (New York)

Dietrich (*1975)

Reinhard und Reingard, Zwillinge (*1981)

Rebekka, Reinhards Lebensgefährtin (*1980)

Sarah, Rebekkas Tochter aus erster Ehe (*2014)

Dr. Gernot Brunmayr, Rechtsanwalt

Die Neugermanen

Hans-Werner Hänsel, seine Familie, sein Umfeld

Hans-Werner Hänsel (*1974)

Hänsels Eltern (*1948)

Mag. Romana Jovanovic, Hänsels Lebensgefährtin (*1981)

Mira, Romanas Tochter aus erster Ehe (*2006)

Alma, Romanas und Hänsels Tochter (*2013)

Astrid, Hänsels erste Ehefrau (*1973)

Viktor, Hänsels Sohn aus erster Ehe (*1998)

Margarete „Gretel“ Maurer, spätere Kantor (*1975)

Dr. Severin Voglgruber, Rechtsanwalt

Dr. Martha Voglgruber, seine Tochter, Rechtsanwältin

Dr. Markus Urban, ihr Lebensgefährte

Die Parteifreund*innen

1 Jede Familie ist auf ihre Weise seltsam

Eine Nazifamilie! Reden wir nicht drum herum! Diese Familie ist eine Nazifamilie! – So wird es auch diesmal enden, dachte Dietrich, hämisch eingeigelt in sein böses Vorvergnügen. Wie jedes Jahr zur Sommersonnenwende werden spätabends am Lagerfeuer die Aversionen des Pernauer Germanenbluts hochkochen und die braune Brühe zum Überlaufen bringen. Und wieder einmal wird es der alkoholisierte Reinhard sein, der nach turbulentem Gespräch unter dem Sternenhimmel hohnlachend verkünden wird: Diese Familie ist eine Nazifamilie! Mutti wird aufschluchzen. Joachim wird seinen ungezogenen kleinen Bruder väterlich maßregeln: Schweig jetzt, Reinhard, du hast getrunken! Aber Reingard wird ihrem hassgeliebten Zwillingsbruder therapeutisch beispringen: So lass ihn doch! Das muss raus aus ihm! Soll er daran ersticken?

Nazifamilie, dachte Dietrich, das ist doch übertrieben, aber wir lassen sie nicht verdunsten, unsere gruselige Aura, obwohl die drei Parteigenossen Onkel Heinz, Tante Berta und Opa schon seit Jahren vor sich hinstauben in ihren Urnen. Ich glaube, wir brauchen das. Nazifamilie. Huh! Auch das Böse gibt Profil.

Böse war Opa eigentlich nicht. Nach Dietrichs Einschätzung war er der Harmloseste im braunen Trio, ein glühender Nazi der ersten Stunde zwar, wie er freimütig bekannte, mit siebzehn schon Illegaler, aber nie mehr als ein einfaches Parteimitglied. Im Krieg wurde der Medizinstudent als Sanitäter an der Westfront eingesetzt, wo er sich elegant und unauffällig durch die Jahre schlängelte. „Auf die Franzosen!“, sagte Opa, wenn er des Erbfeinds feine Weine trank, „ich mochte sie immer, auch im Krieg, ein altes, stolzes Kulturvolk. Wenn die 1919 ihre Scharfmacher unter Kontrolle gebracht hätten, dann gäbe es die deutsch-französische Freundschaft schon seit den Zwanzigern.“ Siebenundvierzig holte Opa seinen Abschluss nach und ließ sich am Land als Allgemeinmediziner nieder, mit ihm seine Frau Agnes und der fünfjährige Otto, gezeugt während eines Heimaturlaubs.

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