Christian Schacherreiter
Das Liebesleben der Stachelschweine
Roman
OTTO MÜLLER VERLAG
Die Drucklegung dieses Buches wurde gefördert von den Kulturabteilungen des Landes Oberösterreich sowie Stadt und Land Salzburg.
www.omvs.at
ISBN 978-3-7013-1294-8
eISBN 978-3-7013-6294-3
© 2022 OTTO MÜLLER VERLAG SALZBURG-WIEN
Alle Rechte vorbehalten
Satz: MEDIA DESIGN: RIZNER.AT
Druck und Bindung: Finidr s.r.o., Český Těšín
Covergestaltung: Leopold Fellinger
Das Personal DAS PERSONAL Dietrich Pernauer, seine Familie, sein Umfeld Generation Krieg und Hakenkreuz Opa Josef (1918–2004) Oma Agnes (1918–1991) Onkel Heinz, Josefs Bruder (1920–1995) Tante Berta (1922–2000), Heinz’ Ehefrau Generation Nachkriegszeit und Wiederaufbau Mutti Hildegard (*1944) Vati Otto (1941–1999) Onkel Harald, Hildegards Cousin (1946–1996) Waldemar (*1949), Reingards Lebensgefährte, verheiratet mit Annegret Generation Friedenszeit und Postmoderne Joachim (*1968) Birgit, seine Ehefrau (*1973) Jens (*2009) und Nils (*2013), ihre Söhne Hannelore (*1971), verheiratete Lichtenstein (New York) Dietrich (*1975) Reinhard und Reingard, Zwillinge (*1981) Rebekka, Reinhards Lebensgefährtin (*1980) Sarah, Rebekkas Tochter aus erster Ehe (*2014) Dr. Gernot Brunmayr, Rechtsanwalt Die Neugermanen Hans-Werner Hänsel, seine Familie, sein Umfeld Hans-Werner Hänsel (*1974) Hänsels Eltern (*1948) Mag. Romana Jovanovic, Hänsels Lebensgefährtin (*1981) Mira, Romanas Tochter aus erster Ehe (*2006) Alma, Romanas und Hänsels Tochter (*2013) Astrid, Hänsels erste Ehefrau (*1973) Viktor, Hänsels Sohn aus erster Ehe (*1998) Margarete „Gretel“ Maurer, spätere Kantor (*1975) Dr. Severin Voglgruber, Rechtsanwalt Dr. Martha Voglgruber, seine Tochter, Rechtsanwältin Dr. Markus Urban, ihr Lebensgefährte Die Parteifreund*innen
1 Jede Familie ist auf ihre Weise seltsam
2 Die Gralsburg der Pernauers
3 Dietrich genoss das festigende Gefühl des Anerkannten
4 Der lärmempfindliche Maulwurf war Dietrichs Lieblingstier
5 Das ist der Schoß, aus dem die Schlaganfälle kriechen
6 Die höchste Stufe männlicher Berufung
7 Sehr interessiert waren die Russen von Anfang an nicht
8 Der Konvent franste unschön aus
9 Ahmed, der böse Eunuch
10 Unerwünschtes Wiedersehen
11 Locker tänzelte der Stürmer ins Abseits
12 Wir sind eine Stachelschweinfamilie
13 Dietrich, erwache!
14 Ich schwöre beim Geist von Bruno Kreisky: Das ist nicht wahr!
15 Wir stehen erst am Anfang einer kleinen Abenteuerreise
16 Dietrich träumte süß vom Untergang seiner Feinde
17 Im Begleitschutz von zwei Markomannen bezog Hänsel sein Winterquartier
18 Der Spion kam über die Nordwestroute
19 Kein Happy End für Hänsel und Gretel
20 Aufgeputzt wie ein Herr stand Dietrich in der Bauernstube
21 Waffenhilfe für Gretel kam von unerwarteter Instanz
22 Jeder, der eine Familie hat, könnte einen Roman schreiben
23 Das war ein Volltreffer aus Rebekkas pazifistischem Geschoß
24 Diederich, wir schlagen die politische Mensur!
25 Hannelore, sehr transatlantisch, urban und weltweiblich
26 Meine Erinnerung ist lückenhaft und unzuverlässig
27 Die Menschheit hatte ein funkelnagelneues Großthema: Corona
28 Pünktlich zur Sommersonnenwende kam der Bagger
Eine Gesellschaft Stachelschweine drängte sich an einem kalten Wintertage recht nahe zusammen, um durch die gegenseitige Wärme sich vor dem Erfrieren zu schützen. Jedoch bald empfanden sie die gegenseitigen Stacheln, welches sie dann wieder von einander entfernte. Wann nun das Bedürfnis der Erwärmung sie wieder näher zusammenbrachte, wiederholte sich jenes zweite Übel, so daß sie zwischen beiden Leiden hin- und hergeworfen wurden, bis sie eine mäßige Entfernung von einander herausgefunden hatten, in der sie es am besten aushalten konnten. So treibt das Bedürfnis der Gesellschaft, aus der Leere und Monotonie des eigenen Innern entsprungen, die Menschen zueinander; aber ihre vielen widerwärtigen Eigenschaften und unerträglichen Fehler stoßen sie wieder von einander ab. […] Wer jedoch viel eigene innere Wärme hat, bleibt lieber aus der Gesellschaft weg, um keine Beschwerde zu geben, noch zu empfangen .
Arthur Schopenhauer,
„Parerga und Paralipomena“ (1851)
Dietrich Pernauer, seine Familie, sein Umfeld
Generation Krieg und Hakenkreuz
Opa Josef (1918–2004)
Oma Agnes (1918–1991)
Onkel Heinz, Josefs Bruder (1920–1995)
Tante Berta (1922–2000), Heinz’ Ehefrau
Generation Nachkriegszeit und Wiederaufbau
Mutti Hildegard (*1944)
Vati Otto (1941–1999)
Onkel Harald, Hildegards Cousin (1946–1996)
Waldemar (*1949), Reingards Lebensgefährte, verheiratet mit Annegret
Generation Friedenszeit und Postmoderne
Joachim (*1968)
Birgit, seine Ehefrau (*1973)
Jens (*2009) und Nils (*2013), ihre Söhne
Hannelore (*1971), verheiratete Lichtenstein (New York)
Dietrich (*1975)
Reinhard und Reingard, Zwillinge (*1981)
Rebekka, Reinhards Lebensgefährtin (*1980)
Sarah, Rebekkas Tochter aus erster Ehe (*2014)
Dr. Gernot Brunmayr, Rechtsanwalt
Die Neugermanen
Hans-Werner Hänsel, seine Familie, sein Umfeld
Hans-Werner Hänsel (*1974)
Hänsels Eltern (*1948)
Mag. Romana Jovanovic, Hänsels Lebensgefährtin (*1981)
Mira, Romanas Tochter aus erster Ehe (*2006)
Alma, Romanas und Hänsels Tochter (*2013)
Astrid, Hänsels erste Ehefrau (*1973)
Viktor, Hänsels Sohn aus erster Ehe (*1998)
Margarete „Gretel“ Maurer, spätere Kantor (*1975)
Dr. Severin Voglgruber, Rechtsanwalt
Dr. Martha Voglgruber, seine Tochter, Rechtsanwältin
Dr. Markus Urban, ihr Lebensgefährte
Die Parteifreund*innen
1 Jede Familie ist auf ihre Weise seltsam
Eine Nazifamilie! Reden wir nicht drum herum! Diese Familie ist eine Nazifamilie! – So wird es auch diesmal enden, dachte Dietrich, hämisch eingeigelt in sein böses Vorvergnügen. Wie jedes Jahr zur Sommersonnenwende werden spätabends am Lagerfeuer die Aversionen des Pernauer Germanenbluts hochkochen und die braune Brühe zum Überlaufen bringen. Und wieder einmal wird es der alkoholisierte Reinhard sein, der nach turbulentem Gespräch unter dem Sternenhimmel hohnlachend verkünden wird: Diese Familie ist eine Nazifamilie! Mutti wird aufschluchzen. Joachim wird seinen ungezogenen kleinen Bruder väterlich maßregeln: Schweig jetzt, Reinhard, du hast getrunken! Aber Reingard wird ihrem hassgeliebten Zwillingsbruder therapeutisch beispringen: So lass ihn doch! Das muss raus aus ihm! Soll er daran ersticken?
Nazifamilie, dachte Dietrich, das ist doch übertrieben, aber wir lassen sie nicht verdunsten, unsere gruselige Aura, obwohl die drei Parteigenossen Onkel Heinz, Tante Berta und Opa schon seit Jahren vor sich hinstauben in ihren Urnen. Ich glaube, wir brauchen das. Nazifamilie. Huh! Auch das Böse gibt Profil.
Böse war Opa eigentlich nicht. Nach Dietrichs Einschätzung war er der Harmloseste im braunen Trio, ein glühender Nazi der ersten Stunde zwar, wie er freimütig bekannte, mit siebzehn schon Illegaler, aber nie mehr als ein einfaches Parteimitglied. Im Krieg wurde der Medizinstudent als Sanitäter an der Westfront eingesetzt, wo er sich elegant und unauffällig durch die Jahre schlängelte. „Auf die Franzosen!“, sagte Opa, wenn er des Erbfeinds feine Weine trank, „ich mochte sie immer, auch im Krieg, ein altes, stolzes Kulturvolk. Wenn die 1919 ihre Scharfmacher unter Kontrolle gebracht hätten, dann gäbe es die deutsch-französische Freundschaft schon seit den Zwanzigern.“ Siebenundvierzig holte Opa seinen Abschluss nach und ließ sich am Land als Allgemeinmediziner nieder, mit ihm seine Frau Agnes und der fünfjährige Otto, gezeugt während eines Heimaturlaubs.
Читать дальше