"Nimm nur die Büchse mit, Paul, mußt lernen, wie man zu Pferde mit ihr umgeht; ist nicht so leicht, als es scheint, sie ohne Beschwerde mitzuführen. Du, Puck, kannst deinen Bogen mitnehmen, damit unser Gast sieht, wie man auf Indianerweise zur Jagd geht."
Sie schwangen sich dann auf die Rosse, Puck nahm den Schimmel, Paul den Fuchs, während der Trapper das große Tier bestieg. Er und der Kleine führten außer ihren Waffen auch noch den langen Lasso am Sattel.
Im herrlichen Sonnenschein galoppierten sie in die Prairie hinein, schweigend, sich des zwar nur eintönigen, aber mächtigen Anblicks erfreuend, den die unendlich sich ausdehnende Steppe bot.
Es zeigte sich, daß Paul ein ganz sattelfester Reiter war, der sein Tier mit Geschick zu behandeln verstand. Gleichsam mit dem Pferd verwachsen, Roß und Reiter das lebendige Bild eines Centauren bietend, saß der Zwerg im Sattel, mit seinen Falkenaugen die weite Steppe überfliegend.
Man ließ die Tiere im Schritt gehen.
"Ist es nicht herrlich, Junge, auf dem Rücken eines flinken Rosses so ins Unendliche hineinzufliegen?"
"Ja, es ist schön, sehr schön."
Während ihres Rittes hatten sie häufig genug graue Hasen, Kaninchen und Prairiehühner aufgejagt, ohne sie weiter zu beachten.
Als jetzt auf mehr als fünfzig Schritt Entfernung vor ihnen ein Huhn sich hob, griff Puck hastig zum Bogen und sandte ihm einen Pfeil nach, der dem Tiere den Nacken durchbohrte. Rechts von ihnen ging ein ganzer Flug auf und strich ab, ein zweiter Pfeil vom Bogen Pucks holte neue Beute aus der Luft herab.
Paul sah mit Staunen diese seltene Geschicklichkeit in der Handhabung einer solch primitiven Waffe.
"Nicht der geübteste Indianer schießt besser", sagte der Alte.
"Ja", fügte Paul hinzu, "das ist bewundernswert."
"Pfeil gut, wenn kein Pulver oder Büchse entzwei", sagte in seiner schwerfälligen Weise der Zwerg.
"Aber wie hast du diese außerordentliche Geschicklichkeit erworben?"
"Sehen von rotem Mann, ihm bald nachmachen; alles, was roter Mann kann, kann weißer besser."
"Auf ihn trifft das zu. Ich hatte vor drei Jahren einige Zeit einen jungen Cheyenne bei mir, den Sohn des ersten Häuptlings dieses Volkes, der Dunklen Wolke. Er war hier in der Nähe mit dem Pferde gestürzt und hatte das Bein gebrochen. In ihrer Not brachten sie den jungen Cayugas zu mir und baten um Hilfe. Es war ein böser Bruch, doch gelang es mir, ihn gut einzurichten und zu schienen, so daß der Jüngling nach wenigen Wochen, die er in meiner Hütte zubrachte, wieder im Besitz eines gesunden, geraden Beines war. Da es noch längere Zeit dauerte, bis seine Leute den jungen Häuptling abholten, lag er Tag und Nacht mit Puck in der Steppe; von dem Cheyenne hat der Junge auch den Bogen handhaben gelernt, und dürfte jetzt wohl besser schießen als sein Lehrmeister."
"Cayugas klug", sagte Puck, "ich ebenso klug."
Die beiden erlegten Tiere wurden aufgenommen und an den Sätteln befestigt, und langsam ritt man weiter.
Der Zwerg, dessen Augen unablässig bald die Prairie überflogen, bald den Boden vor ihnen durchforschten, ließ ein leises Zischen vernehmen und zügelte sein Roß.
"Was giebt's?" fragte leise der Trapper und griff zur Büchse.
"Panther!" sagte ebenso leise Puck und deutete auf den Boden.
"Er wird in der Nacht hier gewesen sein."
"Nein, er ist noch hier."
Paul lauschte diesem leisen Zwiegespräch, blickte auf den Boden, ohne auch nur das mindeste zu gewahren, was einer Pantherspur ähnlich gesehen hätte, und dann ringsum. Die Augen des Zwerges wie die des Trappers überflogen die Stelle.
Der leichte Luftzug strich ihnen entgegen, der Schimmel hob die Nase, sog die Luft ein, spitzte die Ohren und ein leichtes Zittern überflog seine schlanken Glieder.
"Siehst du, Oheim", flüsterte der Zwerg, "er ist vor uns. Ich will ihn mit dem Lasso fangen."
"Gut, ich werde dich mit der Büchse decken."
Der Zwerg gab Büchse, Bogen, seine wollene Decke und den Beutel mit Nahrungsmittel an Paul und löste den Lasso.
"Bleib hier, Paul", sagte der Trapper, "wirst gleich etwas zu sehen bekommen; aber mach die Büchse schußfertig, man kann nicht wissen, was geschieht."
Puck trieb jetzt sein Pferd, welches nicht übel Lust zu haben schien, umzukehren, an und ritt langsam nach vorn.
Mit gespannter Büchse folgte ihm Grizzly.
Die beiden Reiter hatten wohl an hundertundfünfzig Schritt zurückgelegt, als vor ihnen ein Panther von den Resten einer halbverzehrten Antilope aufsprang und mit gewaltigen Sätzen davoneilte.
Der Schimmel bäumte sich in jähem Schrecken hoch auf, doch mit gellendem Jagdruf preßte ihm Puck die scharfen Sporen in die Flanken und wie ein Pfeil flog das Tier jetzt dem Panther nach.
Der Trapper setzte seinen Hengst in Galopp und auch Paul, hingerissen von Jagdlust, gab seinem Fuchse die Haken und folgte in schnellster Gangart. Es war ein prachtvoller Anblick, den Panther über die Prairie setzen und hinter ihm den Schimmel, der durch Sporn und Zuruf zu immer größerer Eile angetrieben wurde, einherjagen zu sehen.
Puck schwang den sorgfältig zusammengelegten Lasso ums Haupt. Die anfangs so mächtigen Sprünge des Panthers ließen bald nach, und der mit Sturmeseile einhersausende Schimmel gewann jetzt rasch Boden. Immer schwächer wurden die Anstrengungen des Panthers, immer näher kam ihm der verwegene Reiter.
Der Trapper und Paul jagten, letzterer in großer Aufregung, hinterdrein.
Es war eine wilde Hatze, und Aufregung bemächtigte sich auch der Pferde.
Endlich war Puck in Wurfnähe. Dreimal fuhr mit schnellem Schwung der zusammengerollte Lasso um sein Haupt und entflog dann, sich lösend, der Hand.
Mit einer tödlichen Sicherheit geschleudert, fuhr die Schlinge über des Panthers Kopf und gleichzeitig riß der Zwerg sein Pferd mit einer Kraft und Geschicklichkeit herum, daß es sich auf den Hinterfüßen wie ein Zapfen drehte, die scharfen Sporen und ein gellender Jagdruf beschleunigten seinen Lauf nach einer, von der bisherigen im rechten Winkel abweichenden Richtung.
Der plötzliche Ruck, den durch die Wendung des Rosses der dahinjagende Panther am Halse von der sich schließenden Schlinge erlitt, warf ihn auf den Rücken. Hoch auf schnellte das zu Tode gehetzte Tier.
Aber der in wilder Flucht dahinstürmende Schimmel riß den Gefangenen wie einen aufschlagenden Federball sich nach, und in weniger als einer Minute lag die grimmige Bestie regungslos auf der Prairie neben dem schnaubenden und zitternden Pferde.
Der Trapper und Paul, welche mit leidenschaftlicher Aufmerksamkeit der Jagd gefolgt waren, sprengten heran.
"Gut gemacht, Puck!" rief jener schon von weitem.
Paul hatte zwar von der geschickten Anwendung des Lasso gehört und gelesen, aber hier zum ersten Mal eine Probe davon gesehen, die ihm die höchste Bewunderung abnötigte.
Welch staunenswerte Fertigkeiten, welchen Mut, welche Kraft besaß der verwachsene Mensch, den er anfänglich für blödsinnig gehalten hatte! Der häßliche Gnom, dessen Äußeres ihn erschreckt, ihn mit Widerwillen erfüllt hatte, erschien ihm jetzt, wie er vergnügt auf den besiegten Feind vom schnaubenden Roß herabsah, minder widerwärtig.
"Gut gemacht, mein Junge", wiederholte der Trapper, als er heranritt. "Alle Wetter, das ist ein gehöriger Bursche", fügte er, das starke Tier betrachtend, hinzu; "es ist gut, daß der aus unsrer Nachbarschaft entfernt worden ist. Was meinst du, Paul, Puck ist ein Steppenjäger, wie?"
"Ja", sagte der Knabe mit dem Enthusiasmus der Jugend, "ja, Puck ist ein gewaltiger Jäger, ich bewundere ihn."
Der Zwerg zog angenehm berührt von der so unverhohlenen Anerkennung den Mund in bedenklicher Weise zu einem Lächeln auseinander und sagte: "Nicht viel mit Lasso siegen, fechte mit Panther auch allein mit Messer, ja mit der nackten Hand!" Und er streckte seinen ungewöhnlich langen, sehnigen Arm aus.
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