"Es wäre sehr freundlich von Puck, wenn er mir beistehen wollte und ich würde ihm von Herzen Dank wissen."
Der Zwerg antwortete eine Weile nicht und fragte dann plötzlich: "Wie lange bleibst du hier, Junge?"
"Nur so lange, bis mich der Oheim zu den Ansiedlungen schicken kann."
Hierauf sagte Puck: "Es ist gut, ich will dir ein Jagdhemd nähen."
Befriedigt nickte der Trapper.
Sie setzten dann ihre Pferde in Galopp und legten in scharfer Gangart eine große Strecke Weges zurück. Paul war jetzt so ermüdet, daß er sich kaum auf dem Sattel zu halten vermochte.
Als ihren Augen endlich die Wipfel der Bäume im Flußthale sichtbar wurden, sagte Puck: "Indianer!"
"Wo?" fragte rasch der Trapper.
"Bei Shanty."
"Cheyennes?"
"Ich denke es ist Cayugas"
"'s ist richtig, dort hält eine Rothaut mit langer Lanze."
So sehr Paul auch seine Augen anstrengte, er vermochte nichts wahrzunehmen.
Der Trapper zog ein kleines Teleskop aus der Tasche, reichte es ihm und gab ihm die Richtung an, in welcher er suchen müsse.
Vor dem Glase erschien denn auch ein Pferdekopf und über ihm das federngeschmückte Haupt eines Indianers, neben dem eine Lanze emporragte. Der Reiter hielt in der Vertiefung.
Der Alte nahm dann das Glas, sah hindurch und sagte, es einsteckend: "Es ist der junge Häuptling."
Als sie näher kamen, gewahrten sie endlich Roß und Mann, welche ruhig dort hielten und ihr Herankommen erwarteten.
Pauls Auge erblickte auf einem nach indianischer Weise reich geschmückten Rosse einen jungen Ureingeborenen, dessen leichte, anmutige Haltung und schön gebildetes Gesicht sehr für ihn einnahm.
"Der Häuptling der Cheyennes ist willkommen!" rief ihm der Trapper herzlich entgegen.
Worauf der Indianer heransprengte und, indem er das Haupt neigte, sagte: "Cayugas grüßt den Grauen Bären."
"Herzlich willkommen, Junge." Und der Trapper reichte ihm die Hand, die der Cheyenne schüttelte.
Sich zu Puck wendend, fragte der letztere: "Bin ich dem Medizinmann auch willkommen?"
Puck lachte: "Ja, du bist dem Medizinmann auch willkommen, Cayugas."
Der Indianer gab ihm die Rechte, und der Zwerg erwiderte seinen Druck.
Paul wurde von dem Fremden nicht beachtet.
Sie ritten nach dem Shanty und stiegen von den Pferden. Der Cheyenne sowohl als die andern nahmen ihren Pferden Sattelzeug und Zaum ab und ließen sie laufen, bis auf den Schimmel, welcher angepflockt wurde.
Sie betraten die Behausung des Trappers, wo Puck alsbald Anstalten traf, den Gast zu bewirten.
Trotz seiner großen Erschöpfung und der ihn überkommenden Müdigkeit war das Interesse Pauls an der fremdartigen Erscheinung des roten Mannes groß genug, ihn am Einschlafen zu verhindern.
Auf dem Boden zeigte sich der Indianer, der ganz nach der Art seines Volkes gekleidet war, als ein Jüngling von hoher kraftvoller Gestalt. Auf dem bartlosen, gutgebildeten Gesicht lagerte ein stolzer Ernst, der jetzt durch einen freundlichen Ausdruck gemildert ward. Außer Lasso und Lanze, welche er vor der Hütte gelassen, war er mit einem breiten und langen Messer, welches er am Gürtel trug, einer kurzstieligen Axt und einer schönen Büchse bewaffnet.
Auf die Einladung des Trappers setzte er sich nieder. Dieser reichte ihm eine Thonpfeife und Tabak; der Indianer zündete sie an, und beide rauchten schweigend eine Weile, während Puck am Herde Wasser zum Sieden brachte, um Thee zu bereiten.
Als der indianischen Etikette Genüge gethan schien, fragte der Trapper: "Was verschafft mir die Freude, den Großen Springer an meinem Feuer zu sehen?"
"Die Cheyennes wollen den Büffel am Arkansas jagen, und Cayugas ist vorausgeeilt, um seinen Freund Grizzly zu begrüßen."
Der Indianer sprach vortrefflich englisch.
"Und ich danke dir dafür, Cayugas; ich freue mich, dich zu sehen, junger Häuptling. Dein Vater ist gesund?"
"Die Dunkle Wolke der Cheyennes reitet an der Spitze der Jäger."
"Freut mich, freut mich."
Nach einer Weile fuhr er fort: "Haben die Cheyennes den Weg hierher auf diesem Ufer des Arkansas zurückgelegt?"
"Wir haben ihn vor drei Tagen da, wo er die Biegung nach Norden macht, gekreuzt."
"Hier wurde erzählt, die Cheyennes hätten vier Tagereisen von hier ein Nachtlager der Weißen überfallen."
Ein schneller Blick des dunklen Indianerauges traf Paul nach diesen Worten, und mit tiefem Ernst entgegnete er: "Die Cheyennes haben Frieden mit den Weißen."
"Ich weiß es, Cayugas", sagte der Trapper und reichte ihm die Hand.
"Hat der junge Häuptling jenseits des Stromes zwei Cowboys gesehen, die nach Osten ritten?"
"Er hat sie gesehen, es waren die Blutige Hand und der Geier."
"Hm, habe mich also nicht getäuscht, als ich diese beiden Raubtiere der Wüste zu erkennen glaubte. Du kennst sie also auch?"
"Die Cheyennes kennen sie."
Der Trapper gab ihm nun einen Bericht, wie er Paul gefunden und unter welchen Umständen dieser in die Hand der Cowboys geraten war.
Mit Aufmerksamkeit lauschte der Indianer.
"Sah der junge Weiße", wandte er sich an Paul, "dort rote Krieger oder hörte er den indianischen Schlachtruf?"
"Nein, Indianer, ich habe gar nichts gesehen, nur wildes Geschrei und Schüsse gehört."
"Gab es tote Menschen?"
"Ich weiß es nicht."
Der Indianer versank in Nachdenken, welches der Trapper mit den Worten unterbrach: "Es ist dort ein Schurkenstreich verübt worden, welcher, wie ich vermute, diesem Jungen galt. Mehr als wahrscheinlich ist, daß man seinen vermeintlichen Tod, wie den ganzen Überfall den Cheyennes zuschreiben wird. Darum sage ich es dir, damit du deinem Vater darüber berichten kannst. Merke dir den Namen Osborne, Springer."
"Es wird geschehen, und die Cheyennes werden nach den Cowboys ausschauen."
"Wie steht ihr mit den Kiowas und den Kaws; haben die roten Leute Frieden?"
"Sie haben Frieden; die Kaws jagen im Süden nach dem Kansas hin."
"Es freut mich zu hören, daß die roten Leute nicht in Hader miteinander liegen."
"Hat mein Vater Spuren der Kiowas gesehen?"
"Nein, Cayugas. Wir haben uns nach ihnen umgesehen, aber keinen Kiowa oder seine Spur entdeckt."
"Es ist gut."
Puck reichte jetzt Blechbecher, mit Thee gefüllt, und Speisen umher. Der Indianer aß und trank mit den übrigen, suchte sich dann eine Lagerstätte, auf welche er sich, in eine Decke gehüllt, niederstreckte. Auch bei Paul machte sich die Abspannung nach dem langen Tage geltend, er versank in einem tiefen Schlummer, aus dem er erst, als die Sonne hoch stand, erwachte. Der Indianer hatte die Hütte bereits wieder verlassen.
Etwa drei Wochen sind ins Land gegangen seit dem Tage, an dem Paul Osborne in der Hütte des biederen Trappers erschien.
Der kräftige Knabe hatte nicht nur die Nachwirkungen seines unheimlichen Marsches durch die Wüste überwunden, sondern sich auch mit der Fähigkeit der Jugend, sich rasch in neue Verhältnisse zu finden, bald in der Steppe und zwischen deren einsam hausenden Bewohnern heimisch gemacht.
An des Zwerges anfänglich so abstoßendes Äußere hatte er sich gewöhnt und zu dem Trapper, der in seiner breiten, mannhaften Brust oft das Herz eines Kindes zu bergen schien, wahrhafte Zuneigung gefaßt, die durch dessen fast väterliche Zärtlichkeit nicht wenig gestärkt wurde. Der von Sonne und Wind gebräunte, hochgewachsene Knabe, mehr Jüngling schon als Knabe, den das büffellederne Jagdhemd, das ihm Puck verfertigt hatte, sehr gut kleidete, war in diesen wenigen Wochen, da er fast von Sonnenaufgang bis zu deren Niedergang zu Pferde saß, ein kühner und geschickter Reiter geworden, wozu freilich auch der Unterricht, den ihm Puck erteilte, wesentlich beigetragen hatte.
Auch als Schütze hatte er sich sehr vervollkommnet und traf das Huhn jetzt mit der Kugel im Fluge.
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