Unter der Offiziere Aufsicht und der energischen Tätigkeit der Soldaten waren nicht nur die Leichen der Indianer entfernt worden, sondern auch viele Hände in Tätigkeit, um Kaferne und Kommandantenhaus in einen Zustand zu versetzen, der ein Unterbringen der Mannschaften und Offiziere für die Nacht erlaubte.
Die Geschütze wurden geladen, die Boote gesichert, Wachen ausgestellt, die ausgehobenen Pallisaden wieder an ihrer Stelle befestigt, kurz, das Fort in verteidigungsfähigen Zustand gesetzt.
Dann endlich zündeten die Soldaten Feuer an, lagerten und stärkten sich an dem, was das Proviantmagazin des Forts ausweisen konnte.
Blackwater hatte sich zu Edgar gesellt und von diesem einen ausführlichen Bericht über alle Ereignisse empfangen, deren Schauplatz das Fort in den letzten Tagen gewesen war. [298]
Die Sergeantin hatte sich mit der Energie einer an den Krieg und seine Wechselfälle gewöhnten Soldatenfrau von der ausgestandenen Todesangst rasch erholt und war eifrig beschäftigt, für die Offiziere Speise und Trank herbeizuschaffen und mit ihnen den Tisch neben dem Kommandantenhause zu bedecken, der denn auch bald die Offiziere, zwischen denen auf Einladung Blackwaters auch Edgar Platz genommen hatte, um sich vereinigte.
Hier wurden noch einmal die Vorgänge der letzten Tage besprochen, und Edgars, des tapferen preußischen Kameraden, Verhalten unter so schwierigen Umständen, wie das seiner Begleiter, von den Amerikanern ehrend anerkannt.
»Sie haben nun einmal den irregulären Krieg an der Indianergrenze kennen gelernt, Herr Graf, als Ergänzung Ihrer Kriegserfahrungen in Frankreich. Welch blutige Tage für dieses kleine Fort.«
Edgar ging der Tod Schuylers, dessen Persönlichkeit ihm unendlich sympathisch gewesen war, sehr nahe, und mit Schmerz erfüllte ihn das tiefe Leid, welches Frances betroffen hatte. Er saß ernst und traurig zwischen den amerikanischen Offizieren.
Es ist nichts Kleines, auch für den tapferen und kriegsgewohnten Soldaten, in den sicheren Tod zu stürmen oder ihn in einer schrecklichen Gestalt zu erwarten.
Der preußische Offizier war in die sich überstürzenden blutigen Ereignisse der letzten Tage widerstandslos hineingerissen worden.
Als mutiger, entschlossener Krieger zu kämpfen, entsprach seiner Natur, denn er war ein tapferer Soldat, aber die letzte Stunde des verzweiflungsvollen Ringens in dem kleinen Blockhause lag wie eine Wolke auf seinem Geiste.
Nicht die Todesgefahr an und für sich war es, die ihn während des Kampfes beben machte, oder jetzt noch in ihm nachwirkte, nein, die schreckenvollen Vorstellungen von dem grausigen Schicksal, welches das anmutvolle Mädchen erwartete, sobald sie in die Hand der Wilden fiel, waren es vor allem, welche noch jetzt lähmend auf sein Denken wirkten. Daß Frances den Dolch bereit gehalten, um nicht lebend in die Hand dieser Feinde zu fallen, war ihm nicht bekannt; die Ausführung dieses Entschlusses hatte nur der jähe Tod des Obersten verhindert. Als sie ihn stürzen sah, vergaß das Mädchen alles um sich her und warf sich, unwiderstehlichem Antrieb folgend, schützend über den Vater, leider nur, um von seinem letzten Atemzuge berührt zu werden.
Daß diese Greuelscenen, in welche eine solch jugendlich ideale
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Erscheinung wie Miß Schuyler hineingerissen war, auch die Erinnerung an die Schwester und deren grausiges Schicksal wachrief, war natürlich genug und diente nicht dazu, den düsteren Ernst seiner Stimmung zu mindern. Auch sie war einst von den sonnigen Höhen des Lebens bis zu den Schrecken eines Indianerkrieges herabgesunken und hatte ihren Tod - wo gefunden? Und der zarte Knabe, welchem sie das Leben gegeben hatte? War auch er ein Raub des Todes geworden?
Alle diese Vorstellungen hatten sich in seinem Geist gebildet und durchkreuzt, als nach dem letzten Kampfe Ruhe eingetreten war.
Sehr ernst entgegnete er dem Kapitän: »Ich habe den Krieg kennen gelernt auf blutigen Schlachtfeldern, aber es war ein Ringen im offenen Felde mit einem ebenbürtigen tapferen Gegner. Diese Kriegsführung von seiten der erbarmungslosen Wilden hat etwas Grausiges an sich und entfernt sich weit von der Kampfesart ritterlicher Nationen.«
»Und dabei gibt's noch immer zarte Menschenfreunde, welche Ach und Weh schreien und Himmel und Erde in Bewegung setzen, wenn dieser Rasse ein Haar gekrümmt wird. Diesen Menschenfreunden wünschte ich den Anblick eines indianischen Mordfeldes oder noch besser ein Stündchen in jenem Blockhause, wie Sie es darin zugebracht haben. Die Indianer sind Tiere, wilde Tiere, unfähig zur Zivilisation, und darum müssen sie wie Wölfe vertilgt werden. Sie bilden ein unnützes Glied in der Kette der Geschlechter der Menschen und so zermalmt sie das Rad der Geschichte, ganz im natürlichen Gang der Dinge. Nun, ich hoffe, diese blutigen Tage werden die Regierung veranlassen, die Sentimentalität der Cooperschen Romane ad acta zu legen und energisch gegen diese Mordbande vorzugehen. Biegen wollen sie sich nicht, so müssen sie gebrochen werden.«
»Wahrlich, ich bin geneigt, nach den Erfahrungen dieser Tage Ihre Ansicht zu der meinigen zu machen.«
»Well! Wollte, alle Europäer dächten so. Sind außerdem, nachdem wir die Bande des Herrn Peschewa vernichtet haben, nicht einen Augenblick sicher, daß uns nicht das ganze Volk der Ottawas auf den Hals kommt. Solche Indianerhorde gleicht einem Pulverfaß, ein Funke, und es explodiert. Nun, wir werden sie anders empfangen als der arme Davis.«
Während die Offiziere in solchen Gesprächen an ihrem Tisch Verweilten, saßen Johnson, der Konstabel, Heinrich, Michael und der Wyandot in einer Gruppe vereinigt in der Nähe des Hauses, welches sie so mutig verteidigt hatten.
Johnson zeigte seine gewöhnliche ergebene Ruhe, und Heinrich
[300] hatte wenigstens die Aufregung des Kampfes überwunden. In übler Laune war der Konstabel, und Michael befand sich noch in wilder Kampfeslust. Athoree rauchte gelassen seine Pfeife.
»Bei St. Patrick,« schrie Michael, »mit einem ganzen Stamm dieser Banditen werde ich fertig, wenn es Mann gegen Mann geht und das verwünschte Schießen nicht stattfindet.«
»Ja, das ist es eben, guter Irländer,« sagte Weller, »mit deinem Stock wirst du nicht weit kommen.«
»So? Habe ich den blutigen Peschewa nicht damit zusammengehauen?« fragte Michael, der nicht wenig von seinem Siege über den gefürchteten Häuptling aufgeblasen war.
»Das ist richtig, mein Junge, in diesem Falle leistete dir dein irischer Prügel gute Dienste, und ich gestehe ganz gern, daß du dich wie ein braver Bursche benommen hast. Aber gründlich hilft gegen diese Bursche wenigstens in ihren Wäldern nur der Säbel von einem Gaule herab geschwungen.«
»Kavallerie?« fragte Michael. »Hier in diesen Wäldern?«
Auch Johnson sah den Konstabel erstaunt an.
»Ist ein Fakt, Leute. Im Waldkrieg sind uns die Roten mit der Büchse gewachsen, verstehen diesen Kampf. Sind Vorteile und Nachteile dabei so ziemlich ausgeglichen. Unsre Waldleute schießen freilich besser als die Indianer, aber nicht so die Soldaten. Ist ein Kampf von Baum zu Baum, von Versteck zu Versteck, selten ein offener Angriff; das indianische Gewürm kriecht wie Schlangen im Busch herum, bald vor-bald rückwärts, ist nicht jedermanns Sache, das nachzumachen. Aber den Burschen das Feuer entlocken und dann ein paar Schwadronen Dragoner in die Büsche jagen, ehe sie Zeit haben, wieder zu laden, und mit dem Säbel den Hunden zu Leibe zu gehen, das tut's. Sage euch, Männer, habe bei den Michigan-Dragonern gedient und gegen die Blackfeet und noch vor drei Jahren gegen die Ottawa gefochten. Da ist die Kavallerie die beste Waffe gegen die Roten.«
»Und mein Shillalah,« sagte Michael.
»Nun ja, mein guter Bursche, kannst ja von Glück sagen, daß du kein Loch in deinem ehrenwerten Hirnschädel aufzuweisen und deinen schönen Skalp noch fest daraufhast.« Michael fuhr unwillkürlich mit der Hand nach dem Kopf. »Brauchst nun nicht nach eurer irischen Manier mit deinen Heldentaten zu prahlen. Haben Glück gehabt, daß die Kugeln um uns herumsausten, mußte der brave Oberst sie für uns erhalten. War ein Mann, der Schuyler, segne meine Seele, habe die Notion, war kein besserer in der Union.« [301]
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