»So, mein guter Mann, das hast du mit Schmerz erfahren? Konntest es natürlich nicht verhindern? Wen willst du denn mit deinem Geschwätz täuschen?« fragte mit drohendem Blicke der Kapitän. »Peschewa, euer Haupt, griff im tiefsten Frieden dieses Fort verräterisch an, du wirst ja hernach sehen, was mit ihm geschieht.«
»Peschewa nicht Haupt der Ottawas, er stammlos.«
»Nun, mein braver Kitate, wir wollen uns nicht um Worte streiten, der große Vater in Washington wird wohl wissen, was er zu tun hat, ich fürchte, er wird den feinen Unterschied zwischen dem Ottawa-Stamm und stammlosen Ottawas ebensowenig zu machen wissen, wie ich. Ich danke dir für deinen Besuch, der mir so wertvoll ist, daß ich dich einladen muß, längere Zeit hierzu verweilen.«
Eine flüchtige Bewegung in den Zügen des Häuptlings zeigte, daß er diese Wendung sehr gut verstanden habe.
»Kitate,« sagte er dann, »ist vertrauensvoll zu dem großen Häuptling des Forts gekommen, er ließ meinen jungen Mann seine Worte in mein Ohr singen, darum kam Kitate.«
»Der Häuptling ist tot, Indianer, erschlagen von deinen mörderischen Schurken. Niemand hat dich eingeladen zu kommen, nun du aber da bist, wollen wir dich festhalten, bis der große Vater in Wafhington gesprochen hat, und wenn du dann ungehangen davon kommst, kannst du von großem Glücke sagen. Legt die Kerls in Eisen.«
»Das Volk der Ottawas wird seinen Häuptling vermissen und vielleicht nach ihm suchen,« sagte Kitate mit höflicher Ruhe zwar, aber mit hinreichend verständlicher Drohung.
»Desto besser, ich wollte, ich hätte alle deine heulenden Hunde vor diesen Wällen, so brauchten wir sie nicht aufzusuchen.«
[309]
Handschellen wurden gebracht, den Indianern ihre kleinen Streitäxte und Messer genommen und sie dann in Fesseln gelegt.
»Untersuchen Sie die Leute sorgfältig, Sergeant, und sperren Sie sie dann ein, aber nicht mit den andern zusammen.«
Ruhig ließen sich Kitate und seine Gefährten fesseln und abführen.
»So, Herr Diplomat, nun können Sie ein wenig über stammlos und nicht stammlos nachdenken. Hat einer von den Herren hierzu etwas zu erwähnen?« wandte er sich an die um ihn stehenden Offiziere.
Niemand hatte gegen das Verfahren Blackwaters, für welches er ja auch allein die Verantwortung trug, etwas einzuwenden. Kapitän Percy bemerkte: »Ich hätte dasselbe getan, Räuber und Mörder müssen als solche behandelt werden.«
Mittlerweile war die Stunde herangekommen, wo das Begräbnis des Obersten stattfinden sollte.
Blackwater ließ die Sergeantin zu sich bitten und fragte sie nach dem Befinden von Miß Schuyler.
»Ach, Herr Kapitän, sie hat, wie ich von der alten Indianerin höre, die ganze Nacht am Tische gesessen, bewegungslos wie eine Bildsäule. Sie hat nicht einmal geweint.«
»Und jetzt?«
»Ach, sie sitzt ja noch so.«
»Hm, hm. Schlimm, schlimm,« murmelte der bärbeißige Kapitän, der unter seiner rauhen Außenseite ein fühlendes Herz barg. »Was denn nun beginnen? Ohne Miß Schuylers Einwilligung können wir doch nicht zum Begräbnis schreiten. - Ob ich einmal zu ihr gehe?«
»Ich will zu ihr gehen und mit ihr reden,« sagte Johnson, welcher sich der Gruppe um den Kapitän zugesellt hatte.
»Ihr, Herr? Wer seid Ihr?«
»Ein Mann, Kapitän, neben dessen Leid der jungen Lady das ihrige klein erscheinen wird.«
Johnson ging, und während ihm Blackwater noch nachsah, trat Edgar auf ihn zu, um ihn über dessen Person aufzuklären.
In dem kleinen Stübchen saß Frances, wie die Sergeantin es geschildert hatte, bewegungslos, das schöne Haupt in die Hand gestützt, starr vor sich hinblickend; das herrliche Haar hing ungeordnet um das marmorbleiche Antlitz hernieder.
In einer Ecke kauerte die alte Sumach. Lange sah Johnson des Obersten Tochter an, dann sagte er mit sanfter Stimme: »Miß Schuyler.«
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Keine Antwort. Der Schall war am Ohr der Trauernden vorübergegangen.
»Miß Schuyler, der Oberst wartet auf seine Tochter, daß sie ihn zum Grabe geleite.«
Ein Zittern überflog des Mädchens Leib und ein Klagelaut hallte durch das Zimmer, dann saß sie wie vorher.
»Sich seinem Schmerz zu sehr hingeben, junge Dame, heißt mit Gott hadern.«
Nur ein leises Stöhnen war die Antwort.
Nach einer kurzen Weile, während man nur die Atemzüge der drei Menschen hörte, fuhr Johnson in einem Tone fort, der tiefe innere Erregung verriet: »Ich kannte einst einen Mann, der froh und glücklich der Heimat zueilte, um sein gutes Weib, seine teuren Kinder zu umarmen, die er am Morgen in der Fülle blühenden Lebens verlassen hatte - er fand sie in ihrem Blute - erschlagen von roher Mörderfaust.« -
Langsam hob Frances die Augen auf Johnson, der ruhig auf seine Büchse gelehnt, vor ihr stand. Die seltsame Erscheinung, das lange, weiße Haar, der Bart des Mannes, das für einen Hinterwäldler bleiche Antlitz, aus dem die guten blauen Augen trauernd auf sie blickten, machten ihr den Eindruck einer Prophetengestalt.
In der Aufregung der früheren Stunden hatte sie ihn nicht beachtet, kaum bemerkt, jetzt zum erstenmal wirkte sein absonderliches Aeußere, welches ihm von den Indianern den Namen »der tote Mann« verschafft hatte, mit um so größerer Gewalt auf sie, als er fast wie ein Bote aus einer andern Welt vor ihr stand.
Ihr Auge erweiterte sich, als es die ehrwürdige Erscheinung betrachtete.
Leiser fuhr dieser fort: »Der Mann, der das erduldet hat, steht vor Ihnen, Miß, ruhig und gottergeben.«
Sie sah ihn noch immer aufmerksam an.
Dann kam es schwach und vernehmbar von ihren Lippen: »Armer, armer Mann!«
»Soll der Oberst, der für uns gestorben ist, noch länger auf sein Kind warten? Oder soll er, ohne daß es ihm das letzte Geleit gibt, zu Grabe gehen?«
Sie strich mit der Hand über das Haar, über die Augen, erhob sich langsam und sagte dann: »Ich bin bereit, Sir, kommen Sie.«
Sie gingen. Draußen wartete Kapitän Blackwater und bot Frances schweigend seinen Arm. [311]
Sie schritten hinaus in den inneren Raum des Forts.
Die Truppen standen in Paradestellung, dem Kommandantenhause gegenüber, die Geschütze waren bemannt.
Blackwater gab ein Zeichen, und sechs Sergeanten begaben sich ins Haus.
Von ihnen getragen erschien der Sarg, der des Obersten sterbliche Hülle einschloß.
»Achtung! Präsentiert das Gewehr!«
Die Waffen rasselten unter gedämpftem Trommelwirbel, die Truppen präsentierten.
Kapitän Percy kommandierte die Leichenparade.
Eine Sektion schwenkte ab und marschierte mit dem Tambour, der leise das gedämpfte Spiel rührte, voran.
Dann kam, von den Sergeanten getragen, der Sarg, eingehüllt in das gestreifte Sternenbanner.
Obenauf lag des Obersten Degen und Hut, ein Gewinde von grünem Laub umschlang ihn.
Hinter ihm schritt Blackwater, die wankende Frances führend, einher. Es folgten die Offiziere und unsre Freunde.
Eine Sektion der Besatzung schloß den kleinen Leichenzug.
Langsam bewegte er sich nach dem offenen Grabe, welches von einer alten Eiche überschattet wurde, zu.
Langsam sank der Sarg hinab, der Staub zum Staube.
Kapitän Blackwater gab Frances' Arm an Edgar und trat ans offene Grab.
Aus einem Buche las er ein Gebet, einfach, ergreifend, der derbe Soldat war selbst ergriffen.
»Amen.«
Dann sagte er noch: »Kameraden, unser Oberst starb wie ein Held, vorangehend im Kampfe, opferte er sein Leben für andre, ein leuchtendes Beispiel jenes hohen Mutes, welcher in Erfüllung der Pflicht den Tod nicht fürchtet, ein leuchtendes Beispiel für die Armee, welcher er angehörte. Kameraden, nicht die Armee, nicht wir werden ihn vergessen, unser Oberst starb im Dienste des Landes.«
Kapitän Percy hob den Degen.
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