Die geheimnisvolle Tätigkeit der Feinde flößte ihm Besorgnis ein, und um so mehr, als er sie bei ihrem Vorgehen durch drei weiße Männer unterstützt mußte, welche in allen Praktiken des Grenzkrieges erfahren genug waren.
In ununterbrochener Wachsamkeit vergingen die Stunden.
Der Oberst wußte seine Aufregung unter einer ruhigen Außenseite zu verbergen, und richtete von Zeit zu Zeit tröstende Worte an Frances oder freundliche an einen der Mitkämpfer.
Der eiserne Konstabel nahm das Ganze als die gleichgültigste Sache von der Welt, und machte nur seinem Grolle gelegentlich Luft, indem er in seiner derben Weise derer gedachte, welche zu verfolgen er ausgesandt war. Athoree trug den finstern Stoicismus zur Schau,
[284] der seiner Rasse so eigentümlich ist, während Johnson eine ruhige Ergebenheit in die Fügungen des Schicksals zeigte.
In hoher Aufregung war Graf Edgar, der das Verderben unaufhaltsam herannahen sah, ohne Mittel, ihm entgegenzutreten, doch fiel kein Schatten von Furcht in seine
Seele. Als ein tapferer Soldat, der mehr als einmal dem Tode ins Auge gesehen hatte, nahm Heinrich die Sache.
Michael hingegen verließ sich mit rührendem Zutrauen auf Edgar.
»Ew. Gnaden,« sagte er, »werden uns schon aus dieser Sache heraushelfen, Ew. Gnaden können alles.«
»Ich will wünschen, Michael, daß dich dein Vertrauen in meine Fähigkeit, zu helfen, nicht täuscht.«
Frances brachte martervolle Stunden zu.
»Was denkt Ihr, Konstabel, von unsern Angelegenheiten?« fragte diesen gelegentlich der Oberst.
»Kalkuliere, Oberst,« und Weller schnitt sich kaltblütig ein Stück Kautabak zurecht, »ist eine unheimliche Sache, hier so ruhig zu sitzen, während die draußen eine Teufelei vorbereiten. Wäre mir lieber, die Wilden heulten und tanzten draußen herum. Haben was vor, daß sie so still sind.«
»Und habt Ihr noch Hoffnung auf einen glücklichen Ausgang?«
»Will Euch was sagen, Oberst; bin schon in schlimmeren Affairen gewesen, bin immer glücklich herausgekommen, wird auch hier der Fall sein. Schert mich das heulende Indianergesindel wenig, wir nehmen es mit einem ganzen Stamm auf, aber wurmt mich, daß die drei Spitzbuben mich durch ihre Anwesenheit verhöhnen, jage schon seit drei Jahren hinter ihnen her, bin das ganze alte Mich auf ihren Spuren durchlaufen.«
»O, hätte ich deine kaltblütige Ruhe,« dachte der Oberst, »aber du hast kein Kind innerhalb dieser Wände.«
Die Indianer hatten auf beiden Seiten hinter den sie schützenden Gebäuden Feuer angezündet, deren weißer Rauch sich hoch erhob.
Daß von seiten der Belagerten ununterbrochene Aufmerksamkeit dem Feinde gewidmet wurde, verstand sich in der Lage der Dinge von selbst.
Ein Jubelschrei hinter der Kaserne richtete ihre Blicke dorthin.
Das Gebäude lag, wie gesagt, durch Hinwegnahme der kurzen Seitenwände seiner ganzen Länge im Innern nach schußfrei da, nur die Wand nach dem Walle zu, dem die Kaserne sich parallel hinzog, [285] schützte die Belagerer vor den Schüssen aus dem Sergeantenhause, dessen Lage nicht erlaubte, ihre Rückseite zu bestreichen.
Nicht ohne Staunen sahen alle, wie sich langsam am entgegengesetzten Ende des länglichen Hauses quer eine Balkenwand vorschob, welche bald fast ganz den Raum, der ihren Büchsen offen lag, ausfüllte.
Diese bewegliche Barrikade zeigte mehrere Schießscharten.
»Sie haben sich einen Schutz hergerichtet, um ungefährdeter schießen zu können,« äußerte der Oberst.
Vergeblich wäre es gewesen, auf die starken Balken zu feuern; auch deren Oeff-nungen für die Gewehre, es waren nur wenige, boten keine Gelegenheit, eine Kugel anzubringen.
Das anfängliche Staunen über die sich geheimnisvoll seitwärts vorschiebende Wand nahm etwas Schreckhaftes an, als diese sich langsam durch die Kaserne vorwärts zu bewegen begann, auf das Blockhaus zu, langsam aber stetig.
Die Augen der Schützen waren auf die in ihr sich öffnenden Schießscharten gerichtet, doch an diesen ließ sich nichts erblicken.
So war die Wand, welche sich über Mannslänge erhob, einem Sturmbock gleich, langsam aber unwiderstehlich durch die Kaserne vorgerückt und befand sich kaum zwanzig Schritt von dem Hause, dem der Angriff galt, entfernt.
Ein Schuß war währenddessen weder von hüben noch drüben gefallen.
Der Oberst kam herunter.
»Was meinen Sie dazu, Herr Graf?«
»Das Unheil rückt näher.«
»Wir wollen einmal gemeinschaftlich auf die Balkenwand schießen und sehen, ob sie dem Anprall von sieben Kugeln widersteht. Halten wir alle in die Mitte und gefeuert wird auf mein Kommando.«
»Gut.«
Der Graf, Heinrich und Michael legten sich in Anschlag, oben taten der Oberst und die andern das gleiche.
»Feuer!« Und sieben Kugeln schlugen gleichzeitig in die Wand.
Sie wankte unter dem Anprall einen Moment, stand aber gleich darauf wieder fest.
Ein höhnisches Gelächter ließ sich hinter ihr hören und drei Büchsenläufe erschienen in den Schießscharten, deren Kugeln mit großer Präzision in die Schußöffnungen des Blockhauses im Erdgeschoß hineinfuhren. Da die Verteidiger sich abgewendet hatten, um [286] neue Gewehre zu nehmen, fuhren die Geschosse in die gegenüberliegende Seite, ohne jemand zu verletzen.
Der Kampf hatte jetzt etwas überaus Gefährliches angenommen. Denn auf beiden Seiten stritten geübte Schützen gegeneinander.
Besonders die Männer im Erdgeschoß hatten die größte Vorsicht zu beobachten, um vor den durch die Schießlöcher gesandten Kugeln sich zu decken und doch dabei gleichzeitig die gespannteste Aufmerksamkeit auf den Gegner zu richten.
Edgar befahl dem unerfahrenen und unvorsichtigen Iren, von der Schießscharte hinwegzugehen.
»Aber wenn Euer Gnaden so dastehen, dann kann doch Michael O'Donnel sich nicht verkriechen, das würde sich für meiner Mutter Sohn wenig ziemen.«
»Du bist zu ungeübt, Michael, halte dich von der Schießscharte fern, du kommst später mit deinem Shillalah ins Treffen.«
»Das ist mir dann freilich schon lieber, Euer Gnaden.«
Heinrich, ein Schütze ersten Ranges, zog sich in den Hintergrund zurück, vor sich seine Schießscharte, durch welche er gerade die ihm gegenüberliegende des Gegners mit scharfen Jägeraugen beobachten konnte.
Ein Büchsenlauf wurde langsam dort eingeschoben, die Mündung nach ihm zu gerichtet.
Aber ehe er noch in wagerechter Richtung lag, krachte Heinrichs Büchse. Er traf den Lauf an der Mündung. Die Büchse verschwand und ein wilder Fluch ließ sich hören.
Eine Kugel, von oben gesandt, fuhr durch die andre Schießscharte und der Schrei eines Indianers drang herüber.
Von neuem begann jetzt ein starkes und wohlgezieltes Feuer vom Kommanbanten-hause her, mehrere Kugeln schlugen durch das obere Zimmer, ohne doch jemand zu verletzen.
Da die Verteidiger ihre ganze Aufmerksamkeit der Balkenwand widmeten, hatten sie ihre rechte Flanke vernachlässigt.
Johnson begab sich nach dieser Seite, sein scharfes Auge entdeckte durch die höchst unregelmäßig angelegten Oeffnungen in den Fensterbefestigungen ihm gegenüber die Schulter eines sich im Hintergrunde haltenden Indianers. Das Zimmer, in welches er hineinblickte, war hell durch ein vom Sergeantenhause nicht sichtbares Fenster erleuchtet, während der Raum, in welchem er sich befand, nur Licht empfing durch die Scharten und so Dämmerung darin herrschte.
Die Schulter erblicken, die Büchse heben, feuern, war das Werk [287] kürzester Zeit. Ein Schmerzensschrei bestätigte, daß die Kugel ihr Ziel erreicht hatte.
Die Büchsen schwiegen. Niemand draußen wagte augenscheinlich, sich dem Feuer solcher Schützen auszusetzen.
Ueber die Balkenwand herüber, deren oberer Rand etwa vier Fuß vom Dach der Kaserne entfernt war, flogen nunmehr Holzstücke und Späne, welche nach dem Sergeantenhause von unsichtbaren Händen geschleudert wurden.
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