»Wie recht Ihr Indianer hatte, Graf; sie vermuten zunächst, daß wir den See zur Flucht wählen würden, und sie versuchen, durch ihre Feuer uns daran zu verhindern.«
Endlich war die Nacht vollständig hereingebrochen. Der Himmel hatte sich mit Wolken umzogen und ein scharfer Wind rauschte in den Bäumen und warf im See die Wellen empor.
Jetzt war es Zeit, den Pottawatomie zu entlassen. Athoree erklärte sich bereit, ihn zu begleiten, um nach den Feinden auszuspähen.
Dies war sehr erwünscht. Johnson wurde ausersehen, am Tor auf des Indianers Rückkehr zu warten und ihn einzulassen, auch beschloß man, dem jungen Ottawa nicht eher zu gestatten, sich zu entfernen, bis Athoree zurück sei. Der junge Mensch war, als das Offiziershaus geräumt wurde, im Stall eingeschlossen worden.
»Gehen Sie mit dem Indianer ans Tor, Johnson, ich will eine Leuchtkugel steigen lassen, die Augen der Lauscher sind dann geblendet, und um so eher können die Indianer unbemerkt das Fort verlassen.«
Der Oberst traf die nötigen Vorbereitungen, um die Leuchtkugeln zu werfen, und Edgar rief Heinrich an: »Komm, wir wollen uns in Anschlag legen, und für den Fall Feinde im Felde sind, sie niederknallen.«
»Recht, Herr Graf, Nachtgefecht.«
Sie steckten ihre Büchsen durch die Schießscharten und warteten auf das Licht.
»Jetzt!« rief der Oberst, und strahlend und das Terrain weithin erleuchtend, erhob sich die glänzende Kugel.
Zwei Indianer, deutlich erkennbar, standen hoch aufgerichtet in einer Entfernung von nicht viel mehr als hundert Schritt im Felde.
Die Büchsen der beiden deutschen Krieger entluden sich, und Nacht, noch tiefer als vorher, umgab sie wieder.
Geräuschlos öffnete sich das Tor und die beiden Indianer schlüpften hinaus.
»Meinen Mann hatte ich sicher, Herr Graf, der wird, wie ich glaube, genug haben.«
»Desto besser, ein Mörder weniger.«
Sie gingen zu Johnson, und alle drei lauschten angestrengt auf des Wyandots Wiederkehr.
Der Oberst hatte sich zu seiner Tochter begeben. Er saß im oberen Zimmer neben ihr und hatte den Arm um sie geschlungen.
»Du siehst ernste Gefahr für uns voraus, Vater, sage mir die Wahrheit, ich kann sie ertragen.« [274]
»Gefahr ist gewiß vorhanden, Kind, wer könnte es leugnen, aber wir dürfen hoffen, ihr zu begegnen, und eine Soldatentochter, die Tochter Horace Schuylers, muß nicht zittern, wenn etwa Büchsen knallen oder das Geheul der Wilden ertönt.«
»Gott schütze uns,« flüsterte sie bebend, »lebendig, Vater, falle ich nicht in die Hände dieser wilden Tiere.«
»Ja, Gott schütze dich, mein Herzenskind,« sagte er leise. »Wenn wir kämpfen müssen,« fuhr er fort, »wird es, wie ich hoffe, siegreich sein, unsre Citadelle ist gut besetzt und gut bewaffnet. Lege dich nieder, Kind, und versuche zu schlafen, ich will es auch tun, schwerlich ist vor dem Morgengrauen etwas zu besorgen, wenn überhaupt ein Angriff beabsichtigt ist.«
Er küßte sie zärtlich auf die Stirne und ging hinab, wo Sounders und der Sergeant unter der sorgenden Obhut der Frau lagen.
Bald wurde ihm gemeldet, Athoree sei zurück.
Er ging hinaus und dieser berichtete, die Hauptmacht der Indianer lagere bei den Feuern am See, er habe etwa fünfzig Krieger gezählt. Gekämpft müßten sie haben, denn frische Skalpe, welche die Gürtel zierten, und einige Verwundete habe er erblickt.
Somit war die Anwesenheit des Feindes in seiner Gesamtheit festgestellt.
»Weißer Mann auch dort. Drei, ihn kennen, Rothand, Tyron und Iltis.«
»So? Haben sich diese Schurken wirklich mit den Indianern vereint? Nun, sie sind in würdiger Gesellschaft.«
Es ward nun der junge Ottawa herbeigeholt. Man gab ihm einige Nahrungsmittel, und der Oberst sagte ihm mit ernstem Nachdruck: »Ich bin der Befehlshaber aller Truppen hier an den Seen, der Stellvertreter des großen Vaters in Washington, ich erwarte Kitate hier, so schnell er kommen kann. Meine Krieger sind auf dem Marsche, ich werde ihn, wenn er nicht erscheint, in seinen Dörfern aufsuchen. Das möge der junge Ottawa ihm sagen.«
Er wurde zur Pforte hinausgelassen und alle begaben sich nun ins Blockhaus.
Sumach, auf deren scharfe Sinne man sich verlassen konnte, und Athoree versprachen zu machen, und die Männer gaben sich dann einem kurzen Schlummer hin.
Vierzehntes Kapitel.
Verzweiflungskampf.
Die Nacht war dunkel und stürmisch. Eilende Wolken flogen am Himmel vorüber, zwischen denen hie und da ein Stern freundlich herniederleuchtete, um sofort hinter schwarzem Wolkenrande wieder zu verschwinden.
Die Wälder rauschten ringsum und der See schlug schäumende Wellen, welche an dem kleinen Bollwerk, welches die Boote schützte, sich hochaufspritzend brachen.
Die Männer schliefen, auch die Sergeantin, nur Sumach war wach und Frances. Die alte Frau schlich im oberen Stock des Hauses umher, blickte durch die Luken oder horchte mit scharfem Ohre hinaus, doch verschlangen das Wogen des Waldes, der aufschäumende See jedes andre Geräusch, welches etwa zu ihrem Ohre hätte dringen können.
Mehrmals erhob sich Athoree, öffnete die Türe und schlich hinaus, um durch die Schießscharten nach den Feinden auszuspähen. Seine Mutter hielt dann an der Pforte Wache, bis er zurückkehrte.
Im oberen Zimmer saß bei der Lampe Schein Frances Schuyler. Sie hatte zu schlafen versucht, doch vergeblich. Sie saß aufrecht, hatte die Hände im Schoße gefaltet und blickte starr vor sich hin. Das holde Antlitz, dessen Anmut durch den ihr für gewöhnlich eigenen ernsten Ausdruck nicht beeinträchtigt wurde, hatte tiefe Trauer überzogen. Sie bot in ihrer Ruhe das Bild stiller Ergebenheit in ein unvermeidliches Schicksal. Stundenlang saß sie so bewegungslos und nur ein tieferer Atemzug zeugte manchmal von Leben. Trotzdem sie bereits früher mit dem Vater in einsamen Grenzgarnisonen geweilt hatte, war dort das Leben zwar einförmig aber ruhig verlaufen. Bücher, Musik, die Sorge für den Vater bildeten ihre Unterhaltung.
Die Ehrfurcht einflößende Kriegergestalt ihres Vaters, eines [276]
Offiziers von ebenso hoher Einsicht als unerschütterlicher Tapferkeit, von jener ruhigen Art, welche selbst dem Schicksal Trotz zu bieten scheint, sein hochgebildeter Geist, sein vornehmer Sinn, dem weit ab lag, was uns, wie der große Dichter sagt, alle bändigt, bildete für sie die Idealgestalt eines Mannes.
Die innige Liebe des Obersten, die seit dem Tode ihrer Mutter sie noch zärtlicher umgab als vorher, war das Glück ihres bisher so ruhigen Daseins. Ihr eigenes Wesen ging auf in Bewunderung und Liebe, dem Vater dargebracht.
Zum erstenmal waren ihr heute die Greuel des mörderischen Krieges, der Schrecken des Todes entgegengetreten, und doch hatte sie bei dem wilden Ritt unter den Kugeln tückischer Feinde und dem Donner der Geschütze mehr an ihren Vater und die Gefahr gedacht, welcher er ausgesetzt war, als an sich selbst.
Trotz der Vorsicht, welche man angewendet hatte, um sie im unklaren über das Geschehene zu lassen, waren ihr die hier verübten Greuel nicht verborgen geblieben. Sie bewunderte um so mehr die ruhige Zärtlichkeit ihres Vaters, mit welcher er sie über das Bedenkliche der Lage hinwegzutäuschen suchte, als die Offizierstochter genügend von den Schrecknissen eines Kampfes, wie er ihnen bevorstand, unterrichtet war, und Einsicht genug besaß, um die drohenden Gefahren vollauf zu würdigen.
Fest entschlossen war Frances Schuyler, im Fall eines unglücklichen Ausgangs nicht lebendig in die Hände der Wilden zu fallen.
So weilte sie hier im einsamen Stübchen, während der Wind die Hütte umsauste und oftmals seltsame Töne hervorbrachte, und Todesahnung machte das arme Herz erbeben, umschattete den sonst so klaren Geist.
Einmal war die alte Sumach zu ihr gekommen, hat sie eine Zeitlang schweigend beobachtet, dann ihr die Hand gestreichelt und in gebrochenen englischen Lauten gesagt: »Weiße Rose nicht traurig. Athoree fechten, großer Wyandotkrieger, toter Mann fechten, alle fechten. Nicht traurig, alles gut.«
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