»Ja, ich bin ganz vergnügt, Euer Gnaden, daß so alles glücklich hinter uns liegt, und der Zweck unsrer Fahrt erreicht ist. Sollten uns, ehe wir aus diesen wilden Gegenden heraus sind, die roten [448]
Menschen noch zu schaffen machen, so wird Michael O'Donnel immer bei Euer Gnaden sein.«
»Ich glaube nicht, Michael, daß wir noch einmal mit den Rothäuten in feindliche Berührung kommen werden, der kriegerische Teil unsrer Abenteuer dürfte abgeschlossen sein, die Huronen hier sind unsre Freunde und werden uns sicher zum Fort geleiten.«
»Ich bin jetzt so recht darin, Euer Gnaden, und möchte gern, ehe wir wieder unter anständige Leute kommen, meinen Shillalah noch einmal spielen lassen, daß man hier noch später von Michael O'Donnel erzählen kann. Wenn Euer Gnaden befehlen, will ich es zu jeder Zeit mit sechsen aufnehmen, so wahr ich meiner Mutter Sohn bin.«
»Einstweilen, Michael,« entgegnete er dem rauflustigen Sohne Erins freundlich, »wollen wir den Kampfstock ruhen lassen, wir haben genügend der Kriegstaten vollbracht, und unsre Odyssee naht sich dem Ende.«
»Wie Euer Gnaden meinen, ich bin vergnügt, wenn Euer Gnaden mit mir zufrieden sind und sagen: der Michael O'Donnel war ein wackerer und treuer Bursche und hat mich nicht verlassen, Als die roten Spitzbuben ihn an den Marterpfahl bringen wollten.«
»Ja, Michael, du bist ein wackerer treuer Bursche und hast in mir einen Freund, solange ich lebe,«
»Das freut meiner Mutter Sohn, Euer Gnaden.« Michael war ganz gerührt von dem warmherzigen Lobspruch des Grafen. »Und der Michael geht auch für Euer Gnaden durchs Feuer, denn Euer Gnaden sind ein richtiger Gentleman.« Er fuhr dann, sich den buschigen Kopf kratzend, fort: »Da ist der Athoree hier, der ist auch ein ganz guter Bursche, wenn er auch nur eine Rothaut ist, und wie ich höre, wollen ihm die Leute hier etwas am Zeuge flicken für eine alte Sache von früher her. Was das nun ist, geht mich gar nichts an, aber der Michael ist nicht der Mann, einen Freund in der Not zu verlassen, mag er auch einmal ein fremdes Pferd für sein eigenes angesehen oder irgend einem den Schädel eingeschlagen haben. Den Athoree haue ich heraus und wenn ich den sämtlichen roten Burschen den Schädel weich klopfen müßte.«
»Sei ruhig, Michael, was wir für ihn tun können, werden wir tun, aber wir dürfen uns nicht in die Rechtspflege der Leute hier mischen, und du siehst ja auch, daß unser Freund mit dem gegen ihn eingeleiteten Verfahren einverstanden ist.«
»Nun, wenn Euer Gnaden die Sache in die Hand nehmen, so ist's schon gut, dann wird alles in Ordnung kommen.« [449]
»Hoffen wir auf einen guten Ausgang.«
Edgar ging mit Wilhelm zu dem Wigwam seiner Schwester.
Sie saß still und sinnend auf ihrem Lager, ohne von den Eintretenden Notiz zu nehmen.
Der Knabe schwiegte sich zärtlich an sie.
Sie begrüßte ihn mit freundlichem Lächeln, blickte den Grafen mit forschender Aufmerksamkeit an und leise sagend: »Wenn ich nur - wo ist - wo ist?« versank sie wieder in Nachsinnen.
Es war klar, nach dem durch das Angriffsgeheul der Wilden während ihres Aufenthaltes in der Höhle hervorgerufenen schrecklichen Ausbruch war eine Veränderung mit Luisen vorgegangen. Die gleichmäßige stille Ruhe ihres früheren Zustandes war gewichen und ihr Geist kämpfte augenscheinlich mühsam, Erinnerungen zurückzurufen, welche ihm erstorben waren.
Das Kriegsgeschrei der Saulteux hatte ihr den grauenvollen Augenblick vergegenwärtigt, wo sie es zum erstenmal vor ihren Ohren gellen hörte, unter den entsetzlichen Umständen, welche wir kennen.
Die seelischen Kräfte waren, wie es dem Grafen schien, nach langer Erstarrung wieder tätig, ob zum Heil oder Unheil, wer konnte es sagen?
Sank dieser Geist in noch tiefere Nacht zurück?
Diese Gedanken zogen durch des Grafen Hirn, als er, mit mitleidsvollem Blick sie anschauend, vor ihr saß.
Er redete sie nicht an, sondern überließ sie ihrem Sinnen und entfernte sich still.
Als er hinaustrat, bemerkte er ringsum ein reges Treiben.
Gruppenweise standen und saßen Indianer beisammen und unterhielten sich in der ernsten gehaltenen Weise, die dieser Rasse eigentümlich ist, wenn nicht Leidenschaft sie bewegt.
Da ihm die große Anzahl von Männern auffiel, welche das Dorf belebten, erfuhr er auf seine Frage, daß Eilboten noch in der Nacht von allen weiter abliegenden Niederlassungen der Huronen die männlichen Bewohner herbeigerufen hatten.
In der Mitte des Dorfes lag ein freier, mit Gras bewachsener Platz, den eine alte gewaltige Eiche beschattete.
Vor dieser waren Steinsitze angebracht, welche durch Holzschemel vermehrt waren. Ein Feuer brannte in der Nähe.
Während der Graf sich noch umblickte, trat ein junger Indianer vor die Eiche und entlockte seinem Muschelhorn drei langgezogene, dumpfe Töne.
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Auf dieses Zeichen begaben sich alle anwesenden Männer nach der Eiche und bildeten dort einen größeren Kreis,
Frauen, selbst Kinder liefen herbei und standen in weiterer Entfernung umher.
Heinrich, Michael und Johnson gesellten sich zu den Männern.
Auch Wilhelm kam aus dem Wigwam, in welchem seine Mutter ruhte und schloß sich dem Onkel an.
Während alles in schweigender Erwartung harrte, schritten von der Ratshütte her, einem rohgefügten Balkenhause, welches sich unweit befand, zehn ältere Männer, an deren Spitze Hayesta ging, und nahmen unter der Eiche Platz.
Dem Grafen nahte ein jüngerer Indianer und sagte in gutem Englisch: »Die Häuptlinge lassen die Blaßgesichter laden, der Versammlung beizuwohnen, ich werde sie zu ihren Plätzen führen und ihnen in der Zunge der Engländer sagen, was die Huro-nen reden, damit er es dem großen Vater in Washington mitteilen kann.«
Der Mann hatte sein Englisch im Fort und von den Missionaren erworben.
Er führte die Weißen zur rechten Seite der Richter, wo ihnen Sitzplätze bereitet waren.
Die anwesenden Indianer kauerten auf den Boden nieder.
Auf einen Wink Hayestas blies der Indianer unter der Eiche noch einmal sein Horn.
Hierauf erschien am Ende des Dorfes Athoree, der mit raschen Schritten auf die Versammlung zuging.
Sein Haupt schmückten, wie beim Kampfe, die Falkenfedern, und um seine Hüften schlang sich ein seltsam verzierter Gürtel. Er war ganz waffenlos, wie alle Männer in der Versammlung, nur die alten unter der Eiche trugen die kleinen Streitäxte und ihre Messer im Gürtel, eine Büchse war nirgends zu schauen.
Mit stolz erhobenem Haupte schritt Athoree auf die Häuptlinge zu, ohne sonst irgend jemand zu beachten, und verneigte sich.
»Der befiederte Pfeil, der Sohn Oskanotos, der Enkel Meschepesches, steht vor den Vätern seines Volkes, er erwartet, was sie ihm sagen werden.«
Aller Augen waren auf ihn gerichtet.
Langsam sagte nach gemessenem Schweigen Hayesta: »Wir haben den befiederten Pfeil lange nicht gesehen, er war von seinem Volke gegangen, wir freuen uns, daß sein Fuß ihn zurückgeführt hat zu den Hütten der Wyandots, da er Antwort geben kann auf die Fragen
[451] der Häuptlinge. Ich weiß, der Enkel Meschepesches hat nur eine Zunge, es wird Wahrheit sein, was er spricht.«
Athoree neigte zustimmend das Haupt.
Hierauf erhob sich Hayesta und sprach unter dem tiefen Schweigen der ganzen Versammlung: »Männer der Wyandots, ihr alle wißt, vor mehr als drei Sommern wohnte unter uns Sumach, die Witwe Oskanotos, des Hirsches, der einst Häuptling unsres Volkes war, mit ihren beiden Söhnen, Othera, der dunklen Wolke, und Atho-ree, dem befiederten Pfeil.
»Eines Tages ward Othera erschlagen von der Streitaxt gefunden, in dem Wigwam Sumachs, und Athoree, der jüngere Bruder, hatte eilenden Fußes das Dorf der Wyandots verlassen.
»Da glaubten die Männer der Wyandots, daß Athoree den Bruder erschlagen habe, und sandten ihre jungen Leute aus, um ihn vor das Gericht der Alten zu laden; doch der befiederte Pfeil war nicht zu finden in den Wäldern, nicht in den Ansiedlungen, nicht im Fort, der befiederte Pfeil war verschwunden. Die Häuptlinge befragten Su-mach, wer Othera erschlagen habe, doch sie blieb stumm und bald verließ auch sie die Dörfer ihres Volkes.
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