Athoree war verschwunden.
Einzelne Schüsse wurden noch gehört, dann herrschte Schweigen wie vorher.
Die Männer auf dem Felsen saßen stumm und sahen sich betroffen an.
»Das, fürchte ich, Heinrich, zerstört alle meine Hoffnungen,« sagte mit trübem Ernste der Graf.
»Und doch war es nötig, daß wir Feuer gaben, die vordringenden [402]
Wilden, welche uns in der Schlachtreihe ihrer Feinde erblickten, und in Gesellschaft eines Huronen, hätten uns in der Hitze des Kampfes sicher nicht geschont.«
»Du wirst recht haben.« Zu Johnson fuhr er in englischer Sprache fort: »Es ist sehr schlimm für uns, daß wir in diesem Bruderzwiste auch unsre Büchsen sprechen ließen.«
Ehe dieser noch antworten konnte, sagte Michael: »Euer Gnaden werden verzeihen, aber ich konnte doch den Athoree, da er nun einmal kämpfen wollte, nicht allein unter die Wilden stürzen lassen, ohne einen Schuß für ihn abzugeben; der rote Mann hat mich auch herausgehauen und ein Bursche aus Leitrim läßt keinen Freund sitzen.«
»Ja, mein guter Michael, du hast wie ein treuer Gefährte gehandelt, aber nichtsdestoweniger ist unsre Beteiligung am Kampfe für meine weiteren Schritte bei den Saulteux sehr bedenklich.«
»Ich bin der Meinung, Herr Graf,« nahm Johnson das Wort, »daß, wenn wir in den Bereich der siegreich vordringenden Gegner der Huronen gekommen wären, unsre Skalpe jetzt an ihren Gürteln hingen. In seiner Wut schont der Wilde nichts. Auch mußten sie uns in dieser Position für ihre Feinde halten. Unser Feuer war Notwehr.«
Der Graf entgegnete: »Ich gebe zu, es war eine traurige Notwendigkeit . . . Atho-ree gesellte sich zu seinen Stammesgenossen und wir konnten ihn, der so oft für mich gekämpft hat, nicht verlassen. - Ob er gefallen oder verwundet ist, da er nicht zurückkommt?«
Sumach sagte: »Athoree nicht kommen, nicht jetzt. Wyandots ihn nicht sehen dürfen.«
»Wie, nicht sehen? Jetzt, wo er durch sein und unser Eingreifen ihnen den Sieg verschafft hat?«
Die Alte schüttelte den Kopf: »Nicht sehen, Wyandot ihn nicht sehen.«
Die Büsche wurden auf der Seite, von wo sie gekommen waren, auseinandergebogen und ein alter hochgewachsener Indianer trat aus ihnen hervor.
Sein Auge überflog die Gruppe und haftete dann an Sumach.
»Die Mutter Athorees, des befiederten Pfeiles der Wyandots, kehrt zu ihrem Volke zurück?«
Die Alte neigte ihr Haupt.
»Die Wyandots haben den Schlachtruf des Enkels der großen Häuptlinge vernommen, aber mein Auge ist trübe, es sieht den befiederten Pfeil nicht.«
Die Alte wiegte das Haupt hin und her, entgegnete aber nichts. [403]
Der Indianer wartete kurze Zeit auf Antwort, sagte: »Sumach ist willkommen,« und wandte sich dann an den Grafen in verständlichem Englisch mit den Worten: »Die weißen Männer haben die Waffen erhoben für die Wyandots gegen jene Wölfe aus den Felsbergen. Die Wyandots danken ihnen. Die Bleichgesichter sind an den Feuern des Volkes willkommen.«
Edgar erhob sich, ging auf den Huronen zu und sagte: »Wir mußten in den Kampf eingreifen, Hurone, wir fochten für unsern Freund Athoree und zu unsrer eigenen Sicherheit, da uns ein Zufall in die Schlachtlinie geführt hatte, das ist alles. Ich habe auf dem Wege zu den Dörfern der Saulteux am wenigsten Ursache, Streit mit ihnen zu suchen.«
»Der weiße Mann ist ein Freund der Saulteux.«
»Ich suche ihre Dörfer in friedlicher Absicht auf und glaubte nicht, in eine kriegerische Verwicklung zu geraten.«
Der Indianer richtete einige Fragen an Sumach, welche diese beantwortete.
»Der weiße Mann ist kein Feind der Saulteux, Sumach sagt mir, warum er sie aufsucht. Die Wyandots sind dennoch dankbar und die Freunde der Bleichgesichter. Sie werden nicht laut sagen, daß die weißen Männer ihre Büchsen abgefeuert haben, sie können ruhig zu den Saulteux ziehen, diese werden es nicht wissen, niemand weiß es.«
Der Graf faßte wieder Hoffnung, denn wenn die Huronen darüber schwiegen, konnte ihren Feinden wohl kaum eine Ahnung davon aufsteigen, von wem die Büchsen aus den den Felsrand umsäumenden Büschen abgefeuert waren, von dem außerdem ein Huronenkrieger hinabgeeilt war.
»Gut,« sagte er. »Die Saulteux dürfen nicht wissen, daß wir unsre Büchsen auf sie abschossen. Die Wyandots sind Männer und unsre Freunde, sie werden schweigen.«
»Sie werden schweigen.«
Ein kräftiger Schritt wurde hörbar und durch die Büsche ward die Uniform eines Offiziers der Staatentruppen sichtbar.
Gleich darauf trat der junge Krieger zwischen den Zweigen hervor und warf einen staunenden Bliä auf die Gruppe.
»Was ist das? Landsleute hier? Mein Gott, wie kommt ihr denn in das Indianergemetzel?«
Edgar erklärte es ihm mit kurzen Worten.
»Nun, das ist ein eigener Zufall. Aber es ist gut, daß Sie halfen, diesen mörderischen Hunden heimzuleuchten, sie hätten bei [404] ihrer viel stärkeren Kriegsmannschaft die Huronen sämtlich massakriert. Ich bin mit dem Auftrag ausgesandt, Frieden zwischen den Roten zu stiften, und leider zu spät gekommen, um diesen blutigen Zusammenstoß zu verhindern. Es wird doch wohl notwendig sein, den Saulteux einen solchen Friedensbruch für immer zu verleiden.« Er wandte sich dann an den Huronen: »Konntest du, alter, kluger Hayesta, diesen Kampf nicht vermeiden?«
»Wenn wir freiwillig unsre Skalpe hingaben, ja. Der Saulteux kam auf unsre Reservation und schoß auf meine jungen Leute, da wehrten sie sich.«
»Diese Wilden,« erläuterte der junge Offizier dem Grafen, »liegen beständig im Hader mit unsern Huronen. Sie beschuldigten die letzteren, einen ihrer Männer meuchlerisch getötet zu haben, und ich bin abgeschickt, den Fall zu untersuchen. Unterdes haben sie sich selbst Genugtuung zu verschaffen gesucht. Verwünschtes Volk! Wieviel Leute hast du denn verloren, Hayesta?«
»Fünfzehn Krieger der Wyandots gingen in die seligen Jagdgründe.«
»Und die Saulteux werden natürlich auch Haare gelassen haben.«
»Ließen zwanzig fünf Tote liegen.«
»Da haben wir es. Eine blutige Rasse.«
Er ließ sich dann, während der alte Indianer, der erste Häuptling der Huronen, sich mit Sumach besprach, in eine Unterhaltung mit Edgar ein, der ihm offen die Absicht mitteilte, welche ihn hierhergeführt hatte.
»Hoffentlich bleibt Ihr Eingreifen in den Kampf verborgen; den Saulteux bekannt, würde es Ihrem Zwecke nicht nur hinderlich sein, sondern Ihnen auch Gefahren bringen, wenn Sie sich auf das Gebiet dieses Volkes wagen. Ich gebe Ihnen den Rat, sich schleunigst von den Huronen zu trennen und Ihre Marschroute etwas zu ändern. Es ist nicht unmöglich, daß die Befürchtung, für diesen Friedensbruch, wenn auch nur durch Entziehung ihrer Rationen, bestraft zu werden und die hier erhaltene Schlappe die Saulteux etwas gefügiger gemacht haben und sie Ihnen deshalb leichter Gehör geben.«
Es ward nun beschlossen, den Weitermarsch unverzüglich, trotz der Abwesenheit Athorees, unter Führung Johnsons anzutreten, und sich soweit als möglich von den Huronen zu entfernen.
Sumach erklärte, bei ihrem Volke bleiben zu wollen, und flüsterte dem Grafen, als er lebewohl sagte, zu: »Geh nur, Gutherz, Athoree schon kommen, Gutherz nicht verlassen.«
[405]
Sie verabschiedeten sich von dem jungen Staatenoffizier und von dem alten Huro-nen, der dem Grafen mit Wärme versicherte, daß er stets bei den Wyandots willkommen sei, und drangen wieder in den Wald ein.
Nach einem anstrengenden Marsche über Felsen und Berge hinweg, während das Land um sie wilder und bergiger wurde, lagerten sie am Abend an der Seite eines Felsens, welcher sie vor dem rauhen Wind schützte, der in der Höhe, welche sie bereits erreicht hatten, schon empfindlich kalt war.
Kaum hatten sie Feuer angezündet, als zu aller Freude Athoree unter den Bäumen hervortrat und sich so ruhig, als ob er sie eben verlassen hätte, an ihrer Seite niederließ.
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