Er nickte.»Es zählt nicht mehr.»
Sie griff nach seiner Hand.»Uns ist so wenig Zeit vergönnt, mein Liebster«, sagte sie mit abgewandtem Blick. Doch dann warf sie mit der trotzigen Bewegung, die Bolitho lieben gelernt hatte, das Haar in den Nacken und zog ihn mit sich fort wie ein mutwilliges Kind, zum verhängten Alkoven in der anderen Ecke des Zimmers.
Bolitho schob die Bettvorhänge zurück und sah ihr zu, wie sie mit ungeduldigen Händen ihr Kleid abstreifte. Dann holte sie tief Luft und wandte sich ihm zu, die nackten Schultern vom offenen Haar verhüllt.
Bolitho strich über ihren Hals und schob die Haarsträhnen auf ihren Rücken. Dann hob er sie auf und legte sie so langsam und vorsichtig auf das Bett, als wolle er jeden Moment auskosten.
Gleich darauf lag er neben ihr, spürte ihre Haut und suchte ihren Blick, als gelte es, gemeinsam etwas Neues zu entdecken.
Dann schob er sich über sie und sah, daß ihre Augen ihm folgten, während zu beiden Seiten ihre Hände sich zu Fäusten ballten, als könne sie die Qual des Wartens nur mit Mühe ertragen.
Auf dem Boden vor dem Bett lagen in einem bunten Haufen ihr blaues Kleid, ihre hellere Unterwäsche und Bolithos dunkler Rock mit den glänzenden Goldepauletten, überflüssig und vergessen wie die Schiffe unten vor dem Fenster.
Sie verloren jedes Zeitgefühl und empfanden nur die Gegenwart des anderen, kosteten voll Zärtlichkeit und Ungestüm, voll Leidenschaft und Behutsamkeit ihre Liebe aus.
Der Abend senkte sich über die Reede, aber sie merkten nichts davon, ebenso wie es ihnen völlig entgangen wäre, hätte der Felsen von Gibraltar sich plötzlich in zwei Teile gespalten.
Erst im schwachen grauen Schimmer des nahenden Morgens erhob sich Bolitho vorsichtig und ging zum Fenster.
Unten tanzten einige spärliche Lichter auf und ab und signalisierten seinen langsam erwachenden Sinnen, daß das Leben außerhalb ihres Zimmers weitergegangen war. Die Schläfer in den Hängematten waren geweckt worden, die Decks wurden gescheuert, und die gähnenden Wachgänger warteten ungeduldig darauf, daß die Sanduhren umgedreht wurden und ihre Ablösung erschien. Helles Glasen begrüßte den neuen Tag.
Er hörte Belinda sich hinter ihm bewegen und wandte sich wieder dem Bett zu, auf dem sie selbstvergessen lag, einen Arm quer über die Kissen ihm entgegengestreckt.
Er ließ sich neben ihr nieder und spürte seine guten Vorsätze verfliegen, als sein Verlangen nach ihr zurückkehrte. Er strich über ihre nackte Haut und fühlte, daß ihre Sehnsucht nach ihm ebenso groß war.
In der Ferne blies eine helle, schmetternde Trompete die Reveil-le. Bolitho sagte weich:»Ich muß gehen, Belinda. Deine Freunde werden bald kommen, um dir beim Packen zu helfen.»
Sie nickte.»Die Barclays.»
Tapfer versuchte sie zu lächeln, aber als er sie streicheln wollte, faßte sie nach seiner Hand und drückte sie an ihre Brust.
«Ich bin nicht so stark, wie ich dachte«, sagte sie mit abgewandtem Gesicht.»Je früher du aufbrichst, desto eher sehen wir uns wieder. Daran will ich denken.»
Bolitho konnte den Blick nicht von ihr wenden.»Du bist ein Glück für mich. Falls wir.»
Sie richtete sich auf.»Nicht >falls<, mein Liebster, sondern >wenn<. Wenn wir uns wiedersehen…»
Er lächelte und machte sich vorsichtig von ihr frei.»Ja, wenn. Das klingt besser.»
Dann kleidete er sich schnell an und wandte sich ihr erst wieder zu, nachdem er seine Säbelscheide eingeklinkt hatte. Sie warf die Arme um ihn und zog ihn zu sich herab, preßte sich nackt an seinen rauhen Uniformrock und küßte ihn mit verzweifelter Inbrunst. Er spürte Salzgeschmack auf seinen Lippen, ob von ihren oder von seinen Tränen, konnte er nicht sagen.
Als er sich schließlich erhob, kam sie nicht mit zur Tür, sondern blieb mit bis zum Kinn angezogenen Beinen auf dem Bett sitzen und starrte ihm mit brennenden Augen nach.
Heiser sagte sie:»Jetzt bist du wieder der Admiral und gehörst den Schiffen da unten. Aber heute nacht hast du mir gehört, Richard.»
Die Hand auf der Klinke, blieb er stehen.»Ich werde immer dir gehören.»
Im nächsten Augenblick stand er draußen auf dem Gang und kam sich vor wie aus einem Traum erwacht.
Im Hof unten hackten zwei Diener Feuerholz, und eine Garnisonskatze schlich geduckt über die Pflastersteine, als wolle sie sich vor dem nahenden Morgen verstecken.
Ohne nach links oder rechts zu blicken, schritt Bolitho bergab, bis er die Pier erreicht hatte.
Erst dann wandte er sich um und blickte zurück, aber der Schatten des Gibraltarfelsens hatte das kleine Haus oben schon verschluckt.
Ein Wachboot fuhr langsam an der Pier vorbei, der Leutnant döste im Heck, während seine Crew das Boot mit monotonem Schlag auf seiner Ronde weitertrieb. Als Bolithos Epauletten im ersten Sonnenlicht glitzerten, fuhr der Leutnant hellwach in die Höhe.
Während er dann sein Boot zum Flaggschiff des Geschwaders dirigierte, stellte er die wildesten Spekulationen über seinen ranghohen Fahrgast an. Der Admiral war zu einem Geheimtreffen mit dem Militärgouverneur an Land gewesen. Oder er hatte we i-sungsgemäß mit dem Feind Friedensverhandlungen geführt, über die noch nichts bekannt werden durfte.
Bolitho blieb das Interesse des Leutnants ebenso verborgen wie der Rest seiner Umgebung; in Gedanken war er noch völlig bei dieser Nacht, die ihm nur Minuten gewährt zu haben schien. Und er hatte sich für einen Mann von Ehre gehalten! Eigentlich hätte er beschämt und reuig sein müssen, aber auf diese Gefühle wartete er vergebens. Statt dessen fühlte er sich nur so glücklich und erleichtert, als sei eine große Last von ihm genommen.
«Boot ahoi?»
Der Anruf ließ Bolitho auffahren, überrascht sah er den turmhohen Umriß seines Flaggschiffs vor sich aufragen. Oben auf dem Katzensteg stand ein Marinesoldat mit aufgepflanztem Bajonett
Wache, um unrechtmäßige Besucher ebenso abzuschrecken wie eventuelle Deserteure.
«Zur Benbow! Der Admiral!«rief der Bootsmann zurück.
Bolitho straffte die Schultern und grinste verlegen. Jetzt würden alle Bescheid wissen: Ihr Oberbefehlshaber kehrte nach einer an Land verbrachten Nacht wieder an Bord zurück.
Aber so leicht konnte er sie nicht abtun. Belinda.
«Sir?«Der Leutnant nahm aufmerksam Haltung an.
Bolitho schüttelte den Kopf.»Nichts weiter. «Hatte er ihren Namen laut ausgesprochen?
Sir John Studdart hatte schon recht gehabt, als er ihn gerügt hatte; er benahm sich wirklich wie ein junger Leutnant.
Aber warum auch nicht? Schließlich fühlte er sich so.
Herrick trat aus dem Schatten der Hütte und nickte dem Master und seinen Rudergängern am großen Rad zu, bevor er weiter aufs Hüttendeck hinaufstieg. Gewohnheitsmäßig und fast unbewußt schweifte sein Blick prüfend über das Schiff, vergewisserte sich, daß alles so war, wie es sein sollte an diesem Morgen, der einen heißen Tag versprach.
Auf den Webeleinen und den Fußpferden der Rahen schwärmten eifrige Toppsgasten aus, von den heiseren Rufen der Unteroffiziere zu noch größerer Eile angetrieben.
Herrick blieb an der Querreling stehen und blickte über das Deck hinweg nach vorn. Die Admiralsbarkasse ruhte wieder festgelascht auf ihren Rungen, die anderen Boote ebenso. Über dem ganzen Schiff hing eine Atmosphäre der Erwartung und Aufregung, die von der Bordroutine und einer eisernen Disziplin nur ungenügend verdeckt wurde.
Wolfe kam mit großen schweren Schritten quer übers Hüttendeck auf Herrick zu und griff grüßend an seinen Hut.»Klar zum Segelsetzen, Sir«, meldete er. Er blickte sich nach ihrem Begleitschiff um.»Und ich glaube, diesmal sind wir schneller als die Nicator.»
«Das will ich doch verdammt noch mal gehofft haben«, grunzte
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