Karl May - Napoleons letzte Schlacht
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- Название:Napoleons letzte Schlacht
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ERSTES KAPITEL
Die Kriegskasse
Frankreich hatte einen neuen Herrscher erhalten, und die Heere der Verbündeten hatten sich aus Frankreich zurückgezogen, um die heimatliche Stätte aufzusuchen. Blücher war in England gewesen und dort in geradezu unerhörter Weise gefeiert worden, und auch in der Heimat hatte man ihn mit unbeschreiblichem Jubel empfangen. Er hatte mehrere hochgestellte Feinde, aber im Herzen des Volkes hatte er als der Marschall ‚Vorwärts‘ sich ein immerwährendes Andenken erworben.
Im übrigen trug er einen tiefen Groll im Herzen. Er wußte am besten, welche Opfer Preußen, Deutschland und die verbündeten Länder gebracht hatten, um das übermütige Frankreich zu schlagen und den Mann zu stürzen, welcher es gewagt hatte, aller Welt Gesetze vorzuschreiben, die Deutschen aber am liebsten mit dem Ausdrucke Cochons, das ist ‚Schweine‘, zu bezeichnen.
Und nun tagte der berühmte Kongreß in Wien, welcher die Aufgabe zu lösen hatte, die Ergebnisse des Krieges in eine bestimmte Form und Gestaltung zu bringen. Er vermochte es aber nicht, den Widerstreit der verschiedensten Ansprüche, welche sich kundgaben, zu schlichten und zu lösen. Man begann den Frieden von Paris bitter zu tadeln. Man hatte den Franzosen zu viel Macht und Land gelassen und die erkämpften Vorteile wieder aus der Hand gegeben.
Dieser Ansicht schloß sich besonders Blücher an.
„Frankreich wird wieder laut“, pflegte er zu sagen; „es beginnt wieder das große Wort zu führen, und wir, die wir den Frieden erkämpft und uns nach Ruhe gesehnt haben, halten nur eine Rast, welche nicht lange dauern wird.“
Er erhob überall seine Stimme, um zu warnen. Er tat alles, um das Heer kriegstüchtig und marschbereit zu halten, und er tat daran sehr recht.
Napoleon war aus Frankreich verbannt, aber er hatte tausend, ja Millionen stille Anhänger zurückgelassen. Gerade während seines Unglücks hatte sich sein kriegerisches Talent am glänzendsten bewährt. Die Soldaten vergötterten ihn, und wer war damals in Frankreich nicht früher Soldat gewesen oder noch Soldat. Keiner hat die Anhänglichkeit des Kriegers an diesen außerordentlichen Feldherrn ergreifender geschildert, als Heinrich Heine in seinen Versen:
„Was schiert mich Weib, was schiert mich Kind?
Ich trage weit bess'res Verlangen.
Laß sie betteln gehn, wenn sie hungrig sind.
Mein Kaiser, mein Kaiser gefangen!“
Napoleon kannte diese Verhältnisse, und er beschloß, sie zu benutzen. Er war nicht der Mann, auf Elba die Rolle eines abgedankten Souveräns zu spielen. Er beging aber einen großen Fehler; er verließ die Insel zu früh, denn noch hatten nicht alle feindlichen Heeresteile ihre Heimat erreicht; sie durften nur die Order zur Umkehr erhalten, so waren sie kampfbereit. Und der Umstand, daß die Vertreter der Nationen noch in Wien tagten, begünstigte ein schnelles Einvernehmen zwischen ihnen und den schleunigen Beschluß, sich mit vereinigten Kräften wieder auf ihn zu werfen.
Dennoch erscholl plötzlich die Kunde, daß Napoleon am 27. Februar die Insel verlassen habe und mit einer Schar Bewaffneter in Frankreich gelandet sei.
Dieses Unternehmen, welches anfangs abenteuerlich erschien, wuchs in schneller Entwicklung riesenhaft empor. Bereits nach wenigen Wochen war Napoleon wieder in Paris und gebot von neuem als Kaiser über ganz Frankreich.
Er ließ den Mächten sagen, daß er nicht den Krieg bringe, sondern den Frieden beabsichtige. Da er sich aber denken konnte und auch bald erfuhr, daß ganz Europa sich in dem Entschluß, ihn zu bekämpfen, vereinigen werde, so traf er die schnellsten und ausgedehntesten Vorbereitungen zum Krieg, den er nach der Richtung der belgischen und niederländischen Grenze zu spielen gedachte.
Alle seine Anhänger waren ihm zugeströmt, unter diesen auch zwei, welche wir bereits kennen, nämlich der Kapitän Richemonte und Baron Reillac.
Beide hatten eine schlimme Zeit erlebt. Die Züchtigung, welche ihnen damals von Blücher zudiktiert worden war, hatte sie körperlich für lange Zeit niedergeworfen. Es waren Monate vergangen, ehe ihre Wunden geheilt waren. Während dieser Zeit war bei beiden der Haß gegen die Deutschen, besonders aber der Gedanke, sich persönlich an Blücher zu rächen, fast zur Manie geworden.
Gerade als die Nachricht verlautete, daß Napoleon wieder zurückgekehrt sei, hatte sich ihr Gesundheitszustand so weit gebessert, daß sie daran denken konnten, dem Kaiser ihre Dienste anzubieten. Und dies taten sie.
Baron Reillac stellte sich Napoleon vor und wurde von diesem beauftragt, die Lieferungen für das erste Armeecorps zu übernehmen, welches General Drouet befehligte.
Richemonte hatte beabsichtigt, wieder in die alte Garde einzutreten, erhielt aber durch Reillacs Vermittlung eine Kompanie der jungen Garde. Diese gehörte zu einem Regiment, welches sich beim ersten Armeecorps befand.
Früher nämlich hatte die Garde stets ein eigenes Corps gebildet, welches für den entscheidenden Angriff aufgespart worden war. Jetzt aber seit der Bildung der jungen Garde wurden deren Regimenter und Bataillone auch anderen Armeecorps zugeteilt.
Der Marschbefehl war bereits gegeben worden. Morgen sollte der Kapitän Paris verlassen. Er saß in dem bekannten Kaffeehause beim Frühstück. Reillac hatte ihm versprochen, zu kommen, obgleich die Beaufsichtigung seiner Lieferungen ihn sehr in Anspruch nahm. Er hielt Wort, er kam doch, wenn auch spät.
Die beiden Männer standen sich jetzt weniger schroff gegenüber als früher, da der Baron bei jeder Gelegenheit mit seinen Wechseln gedroht hatte. Jetzt kam dies nicht so oft vor. Sie hatten Ursache, über gewisse Dinge zu schweigen, welche sie beide betrafen; dies machte sie, sozusagen, zu Vertrauten, obgleich es sicherlich keinem von ihnen einfiel, den anderen für einen wirklichen Freund zu halten.
Heute hatte das Gesicht Reillacs einen Ausdruck, welcher dem Kapitän sofort auffiel. Es lag etwas sehr unternehmendes darin.
„Was gibt's? Was bringen Sie?“ fragte Richemonte.
„Etwas für Sie“, antwortete der Gefragte.
„Ah, etwas Gutes?“
„Ja, etwas so Angenehmes, daß ich selbst mich sofort zur Ausführung entschließen würde, wenn ich zum aktiven Militär gehörte.“
„Was ist es?“
„Sie kennen den General Drouet?“
„Natürlich.“
„Ich meine seine Eigenheiten.“
„Diese weniger.“
„Nun, eine dieser Eigenheiten stimmt auffällig mit unseren persönlichen Ansichten. Er ist nämlich ein engagierter Blücherhasser.“
„Donner! Das lobe ich an ihm!“
„Er hat erfahren, daß Blücher von Berlin abgereist und über Köln nach Lüttich gekommen ist, wo er sein Hauptquartier aufgeschlagen hat. Wenn da irgendein Streich auszuführen wäre!“
„So liegt irgendein bestimmter Plan vor?“
„Vielleicht. Der General wird geneigt sein, Sie zu empfangen?“
Da blitzten die Augen des Kapitäns auf.
„Ich werde zu ihm gehen“, sagte er.
„Tun Sie das! Sie wollen doch jedenfalls gern avancieren?“
„Das versteht sich!“
„Nun, hier bietet sich die beste Gelegenheit. Übrigens habe ich Ihnen mitzuteilen, daß ich auch nicht in Paris bleiben werde.“
„Schließen Sie sich unserem Armeecorps an?“
„Ja, der General meint, daß dies für die Lieferungen von sehr großem Vorteil sein werde. Er hat mich in der Hand.“
„So werden Sie diesmal keine großen Reichtümer sammeln“, lachte Richemonte.
„Möglich. Und noch eine dritte Mitteilung habe ich zu machen, welche Sie persönlich betrifft. Erraten Sie sie vielleicht? – Ihre Schwester –!“
„Ah!“ fuhr Richemonte auf. „Ist es Ihnen vielleicht endlich gelungen, eine Spur von ihr zu entdecken?“ Und mit höhnischem Ton fügte er hinzu: „Ich würde mich natürlich unendlich freuen, sie endlich einmal wiederzusehen.“
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