Tiny zielte nach unten und schoss Jake viermal in die Brust. Es würde einfach sein, den Boss zu überzeugen, dass es diese beiden Typen gewesen waren.
Was will er schon machen? Die Kugeln analysieren?
Aber er hatte fünf Schüsse gehört und taumelte zurück. Ein stechender Schmerz schoss von der Schulter durch seinen Arm.
Als Tiny Jack erschoss, hatte der Typ auf ihn gefeuert.
Das machte Tiny erst richtig wütend.
Er fand das Gleichgewicht wieder und schwang die Kimber aufwärts. Doch bevor er abfeuern konnte, traf ihn etwas am Kopf.
Er legte eine Hand an die Stirn und fühlte, dass Blut in seine Augen lief. Er konnte nicht mehr klar sehen, erkannte aber, dass der langhaarigere der beiden Brüder auf die Beine kam. Tiny wusste nicht, was er geworfen hatte, aber es tat weh .
Der Typ kam mit einem Satz auf ihn zu, griff nach seinem Arm und hieb ihn nach unten. Das war nicht sonderlich schmerzhaft, aber Tiny ließ reflexartig seine .45er fallen.
Mit seinem freien Arm schlug Tiny ihm noch einmal ins Gesicht. Es war der Arm, in dem bereits eine Kugel steckte, und es schmerzte höllisch.
Als der Typ wieder rückwärts taumelte, fiel Tiny vorwärts aufs Bett. Obwohl er bei Bewusstsein war, rührte er sich nicht.
„Steh auf und versuch gar nicht erst, nach der Waffe zu greifen“, sagte der Kerl, der Jakes .45er hatte.
Aber Tiny wusste nicht einmal, wo seine Waffe geblieben war. Er hatte allerdings eine bessere Idee.
Er steckte seine Finger zwischen Matratze und Rahmen, wuchtete sie hoch und warf sie einfach auf den Kerl mit der Pistole. Dabei hievte er sich mühsam auf die Beine.
Der Schuss aus Jakes .45er hallte durch den Raum, die Kugel schlug ein Loch in die Matratze.
„Dean!“, schrie der andere.
Tiny stieg über Jakes Leiche und griff nach dem Hakenschwert auf dem anderen Bett. Der Größere sprang ebenfalls danach, aber Tiny schlug mit dem Heft nach ihm, so wie dieser Dean Jake geschlagen hatte.
Zuerst wollte Tiny die beiden fertigmachen – dann entschied er sich dagegen. Er hatte keinen genauen Befehl erhalten, nur die Anweisung, nicht zu zögern jemanden zu töten, wenn es notwendig war. Aber jetzt rann ihm Blut in die Augen, er konnte seinen linken Arm nicht richtig bewegen – er tat verschissen weh – und er hatte, weswegen er gekommen war.
Es war Zeit für Schadensbegrenzung.
Er ließ die .45er nicht gern zurück – das war die Standardprozedur für Waffen, die bei einem Verbrechen benutzt worden waren. Irgendwie glaubte er aber, dass diese zwei wahrscheinlich nicht zu den Cops rennen würden.
Während die beiden mit der Matratze beschäftigt waren, schlich er sich aus dem Zimmer.
Zuerst hatte Dean keine Ahnung, wer die beiden Typen waren, die plötzlich im Zimmer standen. Als sie das Schwert haben wollten, war klar, dass sie für Albert Chao arbeiteten. Insbesondere der Kerl mit dem Nacken, der ungefähr den Umfang von Cleveland hatte. Ihm stand geradezu „Mafia-Schläger“ auf die Stirn geschrieben.
Woher zur Hölle wussten die, wo sie waren?
Jetzt hieß es einfach nur am Leben bleiben.
Glück für ihn, dass der Kleinere so mit Reden beschäftigt war, dass er nicht aufpasste, was er machte . Eines der ersten Dinge, die John ihm und Sam beigebracht hatte – sobald sie alt genug waren – war, wie man sich gegen jemanden mit einer Feuerwaffe verteidigte.
„Das Beste“, hatte John gesagt, „ist, wenn sie ganz nahe herankommen. Wenn sie Distanz halten, bist du in Schwierigkeiten, weil du dann nichts machen kannst. Aber wenn sie dir nahe genug kommen, greifst du den Lauf. Selbst wenn sie abdrücken können, wird deine Hand den Schlitten blockieren. Das wird verdammt wehtun, aber dann kann er nicht mehr schießen.“
Dean und Sam hatten das tausend Mal geübt, mit und ohne ihren Vater. Als der kleinere Typ Dean die Waffe an den Kopf hielt, wollte er ihm fast schon danken.
Drei Sekunden später hatte er ihm die Waffe abgenommen.
Dean hatte allerdings nicht erwartet, dass der Typ mit dem Schilddrüsenproblem seinen Kumpel abknallen würde. Währenddessen gelang es ihm aber, auf den Typ zu feuern.
Das konnte den Großen aber nicht lange abhalten und bevor Dean zur Besinnung kam, klebte er schon an der Matratze.
Dann war der Schläger weg und hatte das Schwert mitgenommen.
Mistkerl!
Dean rannte ihm nach, schob die .45er in den Hosenbund und bedeckte sie mit seinem Flanellhemd. Er würde nicht viel Zeit haben, falls jemand die Bullen gerufen hatte, und er musste das Schwert zurückbekommen.
Als er auf der Straße angekommen war, stieg der Riese gerade in ein Auto, das vor einem Hydranten geparkt war.
Der Impala stand einen Block entfernt und er würde es nie schaffen, ihn zu Fuß einzuholen.
Außerdem würde er sich hüten, einen Schuss mitten auf der Ellis Street abzufeuern.
Als er wieder hineinging, war Sam auf dem Flur. Er kam allerdings nicht hinter Dean her, sondern ging mit einem Eimer Eis zurück ins Zimmer.
Als Dean genau hinsah, konnte er erkennen, dass Sams ganzes Gesicht rot angelaufen war.
„Verdammt – Asia-Hulk hat dich mächtig erwischt, oder?“
Sam nickte wieder und in seiner Stimme klang der Schmerz mit. „Ja, es sieht so aus, als hätte Chao auf uns gewartet – oder zumindest auf das Schwert. Er ist wohl doch nicht einfach nur so ein Schwächling, wie Dad dachte.“
„Oder vielleicht hat er in den letzten zwanzig Jahren dazugelernt. Egal, wir müssen vorsichtiger werden. Und wir brauchen das Schwert zurück.“
„Was meinst du, sollten wir als Nächstes machen?“
„Erst mal lassen wir Jackie Chan hier verschwinden. Dann will ich mir die Leiche von letzter Nacht ansehen, bevor wir zu Shin’s Delight gehen. Dads Aufzeichnungen sind ja ganz gut, aber er hat keine der Leichen selbst gesehen.“
„Ich glaube, diese Sache machst du besser mal allein“, sagte Sam. „Bundesagenten gehen normalerweise nicht in den Einsatz, wenn ihr Gesicht aussieht, wie ein Klumpen Fleisch.“
Dean grinste.
„Ja, wenigstens haben wir auch ein paar Mal getroffen.“ Dean sah auf den toten Körper herunter. „Während ich weg bin, kümmerst du dich um den hier?“
Sam nickte und zuckte dabei vor Schmerz zusammen.
„Bin dabei. Ich brauche nur deine Hilfe, um ihn ins Auto zu bekommen.“
„Ja, das geht.“ Dean warf Sam die Schlüssel zu, der steckte sie in die Tasche. Dann legte er das mit Eis gefüllte Handtuch zur Seite, sodass er die Leiche in die Tagesdecke einwickeln konnte.
Dean zog in der Zwischenzeit seinen Anzug an.
Zweiundzwanzig
Albert prüfte die Konten mithilfe seines Computers und vergewisserte sich, dass alle seine Unternehmen – legal oder nicht – reibungslos liefen. Er wusste, dass einer der Buchhalter sich etwas abzweigen würde, wenn er nicht regelmäßig alles kontrollierte.
Es war bereits einmal passiert und Tiny hatte sich darum gekümmert.
Seitdem gab es keine Probleme mehr. Das war tatsächlich der Wendepunkt für ihn gewesen. Ihm war klar geworden, dass er das Herz des Drachen nicht brauchte, um Drecksarbeit erledigen zu lassen.
Er lehnte sich zurück und dachte nach.
Warum sollte er Doragon Kokoro denn eigentlich nicht an den Dämon ausliefern?
Nein, er gehörte zur Familie. Nakadai war sein eigenes Fleisch und Blut. Sollte das nicht etwas bedeuten?
Gary unterbrach seine Gedanken, als er ins Büro rannte.
„Boss!“
„Was ist denn?“
„Tiny ist zurück. Er wurde verletzt!“
Albert stand auf.
„Wo ist er?“, fragte er.
Gary führte Albert nach unten in den hinteren Bereich der Küche. Die Köche bereiteten sich gerade für die Stoßzeit zur Mittagsstunde vor, aber dort war ein kleiner Bereich, in dem Zhong sein Büro hatte.
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