F Higgins - Silbertod

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Nichts für schwache Nerven: das Rätsel um den Silberapfelmörder Pin lebt gefährlich. In den verwinkelten Gassen von Urbs Umida wimmelt es von Dieben, Betrügern und Scharlatanen, und es geht Angst um, seit ein Mörder sein Unwesen treibt. Er hinterlässt bei jedem seiner Opfer einen silbernen Apfel, sonst weiß man nichts von ihm. Seltsam ist auch die Gruppe von Schaustellern, die Pin kennenlernt. Einer von ihnen behauptet, Tote zum Leben erwecken zu können. Gemeinsam mit seiner Freundin Juno versucht Pin, seinem Trick auf den Grund zu kommen. Da schlägt der Silberapfelmörder wieder zu und diesmal wäre fast Pin das Opfer geworden.
Ein schaurig-schöner Kriminalroman im Dickens-Stil, sprachlich brillant, atmosphärisch dicht. Für Jugendliche und Erwachsene.
Über den Autor F. E. Higgins wurde in London geboren und wuchs in Irland auf. Heute lebt sie in einem kleinen englischen Dorf, von dem man sagt, dass es dort spukt - mehr noch als an allen anderen Orten des Landes. In ihrem alten Haus aus dem 15. Jahrhundert schrieb F.E. Higgins ihre ersten Romane gruselig, bildermächtig und knisternd vor Spannung. Mit ihren atmosphärisch dichten und präzise recherchierten Erzählungen aus dem England des ausgehenden 19. Jahrhunderts in der Tradition eines Edgar Allen Poe oder Charles Dickensen ist sie inzwischen international erfolgreich.

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Für Andy Η μεγάλη βλακεία είναι θάνατος Anonym Und nichts kann die - фото 1

Für Andy

Η μεγάλη βλακεία είναι θάνατος

– Anonym

»Und nichts kann die Hässlichkeit der Bestie übertreffen.«

Anonym, Das Märchen von der abscheulichen Bestie aus Houndseckers Märchen von Feen und Frohnaturen

»Knochenmagie – altes Verfahren, um Tote zu erwecken«

Jonsens Lexikon, um 1625

Prolog Pins Tagebuch Wie ich diesen Ort der Verdorbenheit hasse diese Stadt - фото 2

Prolog

Pins Tagebuch Wie ich diesen Ort der Verdorbenheit hasse diese Stadt der - фото 3

Pins Tagebuch

Wie ich diesen Ort der Verdorbenheit hasse, diese Stadt der Albträume! Sie nennen sie Urbs Umida, die Feuchtkalte Stadt, und diesen Namen trägt sie zu Recht. Sie hat mir alles genommen, was mir lieb und teuer war. Aber eines Tages, sobald ich die Wahrheit kenne, werde ich sie verlassen. Dann gehe ich durch ihre Tore hinaus und werde mit größtem Vergnügen keinen einzigen Blick zurückwerfen. Was für eine Vorstellung, nie wieder den Gestank nach Fäulnis und Verfall einatmen zu müssen, nie wieder verzweifelte Blicke in düsteren Gassen zu sehen und nie wieder den Namen Deodonatus Snoad und die Lügengeschichten aus seiner vergifteten Feder lesen zu müssen!

Teufel noch mal, wie eiskalt ist diese Stadt! Heute ist der letzte Februartag, der Winter will nicht vergehen. Ah, ich kann nicht mehr schreiben, meine Finger sind taub. Am liebsten würde ich schlafen, mich in Dunkelheit hüllen. Manchmal denke ich, vielleicht ist alles nur ein Traum, und wenn ich die Augen öffne, wird alles wieder so sein wie früher. Aber kaum hat sich diese kleine Hoffnung in mein Herz geschlichen, rieche ich den Fluss und dieser Gestank holt mich in die Wirklichkeit zurück.

Kapitel 1

In unheimlicher Gesellschaft Eine Leiche an der Schwelle zur Verwesung war - фото 4

In unheimlicher Gesellschaft

Eine Leiche an der Schwelle zur Verwesung war nicht gerade die anregendste Gesellschaft an einem Winterabend, doch Pin Carpue saß hier nicht, um sich zu unterhalten. Er saß wegen des Geldes hier. An diesem Abend jedoch war alles anders. Wenn die Tote, die er bewachte – zu Lebzeiten hatte sie Sybil geheißen –, plötzlich wieder lebendig geworden wäre und versucht hätte, ein Gespräch mit ihm anzufangen, hätte er ihr nicht antworten können. Nicht einmal, wenn er gewollt hätte.

Denn an diesem Abend stand Pin unter der Wirkung eines einschläfernden Mittels.

Kaum zu einer Bewegung imstande und unfähig zu sprechen, lag er benebelt auf einer Bank in der Ecke des finsteren Raums. Das Letzte, woran sich sein getrübtes Gedächtnis erinnerte, war die Tatsache, dass er seine Unterkunft verlassen hatte. Wo genau er sich im Moment befand, war ihm ein Rätsel.

Mit äußerster Anstrengung gelang es ihm schließlich, die schweren Augenlider zu öffnen. Er starrte ins Dunkel, aber es war schwierig, sich einen Reim aus der Umgebung zu machen, weil er alles doppelt sah. Seine Gedanken waren wie Wolken, die formlos und in sanfter Bewegung am Himmel trieben. Alles in allem, fand er, war dieses Gefühl, dieses einschläfernde Summen zwischen den Ohren, nicht einmal unangenehm.

Irgendwo im Raum flüsterten Stimmen, und wenn Pin es zugelassen hätte, wäre er davon schnell wieder in den Schlaf gelullt worden. Doch ein Teil seines Bewusstseins war noch scharf genug, um ihm zu sagen, dass er wach bleiben wollte. Höchstwahrscheinlich hätte es die Fähigkeiten jedes anderen Jungen überstiegen, unter derartigen Umständen die Augen offen zu halten, doch Pin war gewöhnt, sich bis in die Morgenstunden hinein wach zu halten. Das gehörte zu seiner Arbeit.

Seine Aufgabe war es, Leichen zu bewachen.

Außerdem hatte er einen mächtigen Verbündeten in seiner Tasche, eine langhalsige, bauchige Flasche, die bis zum Rand mit Flusswasser aus dem Foedus gefüllt war. Die übel riechende Flüssigkeit zu beschaffen, war eine widerliche Arbeit gewesen, doch jetzt war er im Stillen dankbar, dass er durchgehalten hatte. Wenn er das Fläschchen nur erreichen könnte! Seine Finger, sonst sehr geschickt, waren wie aus Weichgummi und tasteten unbeholfen herum, allein um die Klappe der Manteltasche anzuheben. Endlich gelang es ihm, nach dem Fläschchen zu greifen und es herauszuziehen. Er sammelte sich noch einmal, bevor er sich an den nächsten Kraftakt wagte: das Entfernen des Korkens. Mit den Händen schaffte er es nicht, deshalb hob er mit einer ungeheuren Anstrengung die Flasche an den Mund – obwohl sich sein Arm dabei anfühlte, als müsste er sich durch tiefes Wasser kämpfen – und zog den Korken mit den Zähnen heraus. Lange und tief sog er den Gestank aus der Flasche ein, und sofort fingen seine Augen an zu brennen und in seiner Nase prickelte es, als hätte er auf ein Senfkorn gebissen.

Teufel auch, fluchte er leise und blinzelte. Doch der Gestank der Brühe hatte die erhoffte Wirkung, und ein zweites Schnuppern brachte ihn langsam zu vollem Bewusstsein. Auf diese Weise ein wenig belebt, wenn auch noch ziemlich matt, konzentrierte sich Pin auf die Lage, in der er sich befand.

Jetzt fiel ihm auch wieder ein, wo er war. In der Cella Moribundi , dem Warteraum für die Toten in Mr Gaufridus’ Keller. Aus irgendeinem Grund hatten ihm diese Leute dort, diese drei vor dem Tisch herumhuschenden Schatten, ein Betäubungsmittel verabreicht. Er dachte nicht daran, einen Fluchtversuch zu unternehmen, seine schlaffen Glieder hätten es nicht zugelassen. Zudem hatte er das Gefühl, dass die Leute gar nicht an ihm, sondern an der Leiche auf dem Tisch interessiert waren.

»Er wacht auf !«

Die Stimme des Mädchens jagte seinen Puls höher. Er sah, wie sich eine Gestalt aus dem Dunkel löste und langsam auf ihn zukam. Furcht ergriff ihn, er wollte schreien, brachte aber keinen Ton heraus. Da schloss er einfach die Augen. Wenn sie von seinem Schlaf überzeugt wäre, würde sie ihn vielleicht in Ruhe lassen. Er spürte, dass sie direkt neben ihm stand. Sie roch nach Wacholder und nach dem Betäubungsmittel – Gerüche, die er so schnell nicht vergessen würde. Ihr frischer Atem wehte ihm ins Gesicht.

»Gib ihm mehr davon«, riet eine Männerstimme.

»Nein, ich denke, er ist noch weg«, sagte das Mädchen schließlich. Dann war alles still.

Ganz langsam und vorsichtig wagte es Pin, die Augen wieder zu öffnen. Das Wasser des Foedus versetzte ihn zusammen mit der nachhaltigen Wirkung des Schlafmittels in eine Art Zwischenwelt. Er sah, dass die Kerze wieder angezündet worden war, und an den Stimmen erkannte er, dass die Gesellschaft aus dem alten Mann, dem Mädchen und einem jüngeren Mann bestand (der Letztere sprach wie einer aus der Südstadt). In seinem gegenwärtigen Zustand konnte Pin nicht viel tun. Er blieb also liegen und beobachtete fasziniert das merkwürdige Schauspiel, das sich ihm da bot.

Kapitel 2

Gespräch am Grab Noch vor wenigen Stunden war Pin im vollen Besitz seiner - фото 5

Gespräch am Grab

Noch vor wenigen Stunden war Pin im vollen Besitz seiner Geisteskräfte gewesen. Nach einem spärlichen Abendessen, bestehend aus Bier, Brot und einem Stückchen Fisch, hatte er sein möbliertes Zimmer in der Old Goat’s Alley verlassen und war durch einen Hagelschauer gerannt, der sich rasch in Schnee verwandelt hatte. Pin war jedes Mal froh, wenn er dieser Straße den Rücken kehren konnte. Old Goat’s Alley galt als die schlechteste Straße südlich des Foedus – eine erschreckende Vorstellung, wenn man den Zustand der übrigen Straßen kannte. Während andere Straßen vielleicht doch ein oder zwei positive Eigenschaften besaßen wie etwa ein leichtes Gefälle, um das allgegenwärtige Schmutzwasser abfließen zu lassen, oder eine gleichmäßigere Verteilung der Schlaglöcher, so gab es nichts, was man zugunsten von Old Goat’s Alley hätte sagen können.

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