»Hat es in letzter Zeit in London eine Zunahme an Brandstiftungen gegeben?« fragte Dave.
Lloyd nickte. »Wir versuchen, es geheimzuhalten, damit die Trittbrettfahrer nicht aus ihren Löchern kriechen. Der große, vom Erzengel verursachte Brand hat sie alle für den Augenblick mit Ehrfurcht erfüllt, aber wenn sie erfahren, daß es kleinere Brände gegeben hat, hätten wir es wieder mit einer neuen Welle von Brandstiftungen zu tun, wie 1996. Die Medien würden liebend gern etwas darüber bringen, aber die Regierung hat sie angewiesen, nichts über die Brände verlauten zu lassen.
Auch die Zahl der Morde hat sich drastisch erhöht – wir glauben, daß es Manovitch selbst ist, der sein Handwerk ausübt. Meistens erwürgt er seine Opfer, oft nach einer Vergewaltigung. Er vergewaltigt Männer und Frauen. Wenn ich Petra richtig verstanden habe, ist sein sexueller Appetit jetzt, da er wieder einen Körper besitzt, extrem stark. Ihnen würde sich beim Anblick einiger Opfer der Magen umdrehen.« Lloyd schüttelte sich unwillkürlich.
Dave nickte. »Sie sagten, wir seien nicht nur als Köder hier.«
»Nun, das auch, aber wie ich bereits sagte, ist es nicht ganz so einfach. Petra hat mir erklärt, daß Manovitch spüren kann, wenn Sie in der Stadt sind. Also wird er durch die Straßen streifen und somit für jene, die ihn jagen – seien es Engel oder Menschen – zu einem leichteren Ziel. Wir haben Hunderte von Leuten dort draußen, die nur darauf warten, daß Manovitch seinen Zug macht. Dann werden wir ihn töten.«
»Bevor er uns tötet, hoffe ich«, knurrte Danny. »Und womit wollen Sie ihn töten? Wie tötet man eine tote Seele?«
Petra beantwortete die Frage mit weitaufgerissenen Augen: »So wie man einen Engel oder Dämon tötet, wenn er zur Erde kommt: mit heiligem Feuer, falls möglich.«
»Wir haben einen neuartigen Revolver entwickelt«, erklärte Lloyd, »einen, der Feuerprojektile verschießt. Wenn diese Kugeln auf einen Gegenstand schlagen, verdampfen sie beim Aufprall und wechseln so rasch vom festen in den flüssigen und dann gasförmigen Zustand über, daß sie sich entzünden. Wir werden jedem von Ihnen später einen aushändigen.«
»Freut mich zu hören«, brummte Danny. »Aber was ist mit der ›heiligen‹ Seite des Ganzen?«
Diese Frage machte Lloyd verlegen. Er murmelte: »Wir haben den ganzen Satz Munition von einem Erzbischof segnen lassen, so wie man Wasser segnen würde, um es in Weihwasser zu verwandeln…« Die schlanken, wächsernen Hände in seinem Schoß bewegten sich unruhig.
»Ein Erzbischof hat eine Vernichtungswaffe gesegnet?« rief Dave.
Lloyd rutschte auf seinen Stuhl hin und her. »Nun, wir hielten es für eine gute Idee. Wir sind nicht sicher, ob es funktioniert – nicht einmal Petra kann es uns sagen. Um noch einmal darauf zurückzukommen«, fuhr er ein wenig lebhafter fort, »die Gründe, weshalb wir Sie hier brauchen, sind vielfältig – oder wenigstens«, er lächelte, »mehr als einfältig. Erstens: Manovitch wird Ihnen verstärkt nachspüren und somit sichtbarer sein. Zweitens: Sie können ihn identifizieren, da Sie ihn bereits als Lebenden kannten. Drittens: Sie können ihn jagen, während er Sie jagt. Viertens… «
»Vergessen Sie’s.« Dave winkte müde ab. »Es läuft doch alles nur auf ein Wort hinaus – ›Köder‹. Nun, wenn wir deshalb hier sind – gut. Danny und ich sind Cops, und wir tun unsere Pflicht.«
»Ich möchte Petra noch eine letzte Frage stellen, solange ich noch denken kann. Als der Engel im Jahre sechsundneunzig auf die Erde kam, tötete er eine Menge unschuldiger Menschen. Er sagte, das verstoße nicht gegen die Zehn Gebote, da die Seelen der Opfer nicht für immer verloren seien; es stellte in seinen Augen keinen echten Verstoß dar. Und jetzt zerstört der Erzengel bei seiner Landung einen Haufen Gebäude, tötet aber keinen Menschen. Weshalb?«
»Weshalb was?« fragte Petra.
»Weshalb diese Veränderung im Verhalten der Engel?«
»Der Erzengel wollte das Risiko verringern.«
Danny wirkte verwirrt. »Wessen Risiko?«
»Seines. Der Erzengel wollte nicht in die gleiche Falle tappen wie der Engel. Engel sind es nicht gewöhnt, unter den Sterblichen zu weilen. Der letzte Engel wurde besudelt, verdorben. Während seines Aufenthaltes auf der Erde kam Verwirrung über ihn, und er wich vom Pfad des Gehorsams und der Wahrheit ab. Unsere Welt befleckte ihn.«
Dave nickte langsam mit zusammengepreßtem Mund. »Ich verstehe – nicht der Engel war schuld daran, daß er sich in einen Dämon verwandelte, sondern die Menschheit. Den Erzengel kümmert es nicht, ob er Menschen verbrennt, ihn interessiert nur sein ewiger Platz in den Reihen der Engel. Jesus.«
Dave war müde. Er fragte, ob man ihm sein Zimmer zeigen könne. Danny blieb mit Petra und Lloyd zurück. Dave vermutete, daß er so lange am Tisch sitzenbleiben würde, bis er entweder vor Altersschwäche starb oder Petra ging.
In seinem Zimmer warf Dave sich auf das Doppelbett. »Und wieder schlafe ich allein«, sagte er und starrte die Decke an. »Dieses verdammte Zigeunerleben.«
Dann nahm er den Telefonhörer von der Gabel, rief Vanessa in San Francisco an und genoß den Klang ihrer Stimme.
KAPITEL SIEBEN
Manovitch sammelte seine Anhänger in einem verlassenen Lagerhaus südlich des Flusses. Nachdem es ihm gelungen war, eine stabile Festung einzurichten, wollte er nun einen Angriffsplan gegen die heiligen Männer entwickeln, die nördlich des Flusses um den runden Tisch saßen. Er wußte, daß bei einem Abbruch der Konferenz die Glaubensführer für lange Zeit nicht wieder zusammenkommen würden; vielleicht sogar niemals wieder. Einige von ihnen waren einer starken Opposition aus ihren eigenen Reihen ausgesetzt gewesen, die sich gegen eine vereinte Front richtete, und ihre Gegner würden den Abbruch der Konferenz nutzen, um darauf hinzuweisen, daß eine solche Vereinigung gegen ihre natürlichen Rechte war.
»Jede Religion folgt ihrem eigenen Gott oder ihrer Version von Gott«, sagte Manovitch. »Die Gegner aus den eigenen Reihen werden schreien, daß ihre Anführer mit ihrem Wunsch nach einer Vereinigung unrecht haben und dafür sorgen, daß es zu keinem zweiten Versuch kommt.«
Eine Dämonin namens Skellank, gepflegt und schön wie die übrigen Kreaturen im Raum, sagte: »Warum stürmen wir die Konferenz nicht einfach?«
»Glaubst du, das hätte ich noch nicht getan?« fragte Manovitch. »Ich habe erst gestern drei von euch dorthin geschickt.«
Skellank schaute sich um und stellte fest, daß drei von den zwei Dutzend Dämonen fehlten, die beim letzten Mal dagewesen waren.
»Und was ist mit ihnen passiert?« fragte ein anderer Dämon.
»Der Erzengel hat sie verbrannt«, erwiderte Manovitch.
Man hörte ein Schlurfen, dann herrschte Stille. Dies waren Dämonen, die sich im Angesicht der Zerstörung bereits als Feiglinge erwiesen hatten. Sie hatten den Zorn und den langen Arm Satans gefürchtet und waren den Schlachtfeldern Armageddons entflohen, um sich auf der Erde zu verstecken. Einmal der Vernichtung entkommen, verlangte es sie nicht danach, ihr ein zweites Mal zu begegnen, selbst wenn man ihnen dafür die erste Desertion verzieh.
»Und«, sagte der hübsche Bakan, »was sollen wir jetzt machen?«
»Uns eine versteckte Annäherung ausdenken«, schnappte Manovitch. »Wir müssen den Bastarden am Konferenztisch das Leben so unerträglich machen, daß sie wieder in ihre Länder fliehen. Ich brauche ein paar Vorschläge, wie wir das anstellen können.«
»Ich habe eine Idee«, meldete sich Skellank, deren Augen im Zwielicht funkelten. »Warum übernehmen wir nicht etwas von ihnen, aus ihrem Buch? Warum nehmen wir nicht ein paar Strafen für die Sünder und ahmen sie nach – nur besser? Wir zeigen diesen heiligen Männern am Konferenztisch, daß jede Strafe, die von den Truppen Gottes ausgeteilt wird, auch von uns verabreicht werden kann, nur viel besser, viel schlimmer.«
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