Ein paar Kongressmitglieder begriffen, was er damit eigentlich sagen wollte – dass Midway durchaus in der Lage war, den Weg nach Taroa zu blockieren, falls das Sternensystem dafür einen Anlass bieten sollte. Natürlich ließ sich das System auch über andere Sprungpunkte erreichen, aber das würde deutlich zeitraubender ausfallen, da der Vorteil des Hypernet-Portals bei Midway wegfiel.
Ein anderes Kongressmitglied warf Drako einen skeptischen Blick zu. »Was wird aus den Gebühren für die Benutzung des Hypernet-Portals durch Handelsschiffe? Diese Gebühren werden ja nun nicht mehr von der Syndikat-Regierung vorgegeben.«
Eigentlich hätte er darauf gar keine Antwort gewusst, aber zum Glück hatte Iceni besonderen Wert darauf gelegt, ihm vor der Abreise noch von ihrem Vorhaben zu berichten. »Diese Gebühren werden wir senken. Es ist zwar nicht so, dass wir auf das Geld verzichten könnten, aber wir müssen jetzt nicht länger den größten Teil an Prime abgeben. Wir können die Gebühren für Handelsschiffe senken und haben immer noch mehr übrig als bislang. Mit den Einnahmen können wir dazu beitragen, Midway als starkes und unabhängiges Sternensystem zu festigen.«
»Warum verlangen Sie nicht einfach noch weniger, wenn Sie mit Ihren neuen Gebühren doch mehr einbehalten als zuvor?«, warf irgendjemand ein.
Drakon sah den Redner mit leicht zusammengekniffenen Augen an. »Sind Sie der Meinung, dass Sie benachteiligt werden? Ich habe bislang von keinem hier auch nur ein Wort über die Soldaten gehört, die wir verloren haben, um Ihnen zu helfen, die Kontrolle über Ihren Planeten und Ihr Sternensystem zu erlangen.«
Die meisten setzten daraufhin eine schuldbewusste, zugleich aber trotzige Miene auf.
»Unsere Streitkräfte stehen nicht kostenlos zur Verfügung, und sie sind auch nicht billig«, redete er weiter. »Ich benötige einen ausreichenden Anteil am Steueraufkommen, um Sold, Wartungen, Einsätze und viele andere Dinge zu bezahlen. Prime ist nicht länger für die Verteidigung von Midway zuständig, und Prime wird auch Taroa nicht beschützen. Sie helfen uns, die Verteidigung zu finanzieren, und wir werden Ihnen bei der Verteidigung helfen. Wenn Ihnen das nicht gefällt, werden wir womöglich nicht genug Streitkräfte erübrigen können, sobald die Syndikat-Regierung sich hier blicken lässt.«
Ohne sich dessen bewusst zu sein, war er wieder in die Redegewohnheiten eines CEO verfallen. Er redete wie jemand, über dessen Äußerungen nicht diskutiert wurde und den man auch nicht infrage stellte. Die Freien Taroaner reagierten prompt mit dem ein Leben lang eingeimpften Gehorsam eines Bürgers der Syndikatwelten und setzten sich etwas gerader hin.
Colonel Malin trat einen Schritt nach vorn und lenkte alle Aufmerksamkeit auf sich, während er in verständnisvollem, aber nachdrücklichem Tonfall sagte: »Wie General Drakon bereits erwähnte, können wir nicht länger darauf zählen, dass Prime unsere Verteidigung finanziert. Stattdessen ist Prime für uns zur Bedrohung geworden. Und dann haben wir es ja auch noch mit den Enigmas zu tun. Sie staunen? Nun, wir räumen hiermit erstmals offiziell ein, dass die Enigmas existieren und dass sie eine Gefahr für die Menschheit darstellen. Wollen sie nach Taroa gelangen, müssen sie von Pele kommen und Midway durchqueren. Wir müssen aus eigener Tasche die mobilen Streitkräfte bezahlen, um all die Sternensysteme in dieser Region zu beschützen. Diese mobilen Streitkräfte werden auch Ihnen bei der Verteidigung behilflich sein, wenn wir die notwendigen Vereinbarungen treffen können.«
»Mobile Streitkräfte gibt es nicht zum Spottpreis«, stimmte Sub-CEO Kamara ihm zu. »Und wir können solche Streitkräfte überhaupt nicht aufbieten. Uns ist sehr eindringlich vor Augen geführt worden, wie Hilfe durch die mobilen Streitkräfte aus Midway für uns aussehen kann. Ich halte es für unklug, sich darüber zu beschweren, dass wir zwar weniger, aber aus unserer Sicht immer noch zu viel für die Benutzung des Hypernet-Portals bei Midway bezahlen sollen, wenn wir zugleich auf eine solch wirkungsvolle Verteidigung zugreifen können.«
»Apropos Verteidigung«, meldete sich ein anderer Vertreter zu Wort. »Wir würden gern die Kontrolle über die Werft übernehmen, sobald wir in der Lage sind, unsere Soldaten raufzubringen.«
»Die Werft?«, wiederholte Drakon.
Nach einer kurzen Pause führte der Vertreter etwas zögerlich aus: »Ja, die primäre orbitale Werft. Sie gehört uns.«
»Wir haben die Werft der Syndikat-Regierung abgenommen«, erwiderte Drakon. »Sie hat nie der Kontrolle durch die Freien Taroaner unterstanden.«
Kamara warf ihm einen frostigen Blick zu und stellte fest: »Sie werden sie behalten.«
»Das ist unser gutes Recht«, machte Drakon deutlich.
Eine Repräsentantin rief lautstark: »Ohne die Unterstützung von diesem Planeten werden Sie diese Anlage nicht auf Dauer betreiben können!«
»Das war doch jetzt keine Drohung, oder?«, gab er zurück. »Oder wollten Sie vielleicht sagen: ›Danke für den Sieg, durch den unser Planet weitgehend intakt geblieben ist‹? Was ist aus Ihrer Dankbarkeit geworden? Wir nehmen Ihnen nichts weg, was Ihnen gehört hätte. Und wenn Sie mit uns über eine gemeinsame Nutzung der Werft reden wollen, dann werden wir sicher zu einer Einigung kommen. Aber die Kontrolle über die Docks bleibt in unserer Hand.«
»Drohungen wären nutzlos«, sagte Kamara an die Kongressmitglieder, aber auch an Drakon gerichtet. Sie beugte sich vor, hielt die Tischkante umklammert und fügte hinzu: »Wir wissen, dass sich im Hauptdock ein teilweise fertiggestelltes Schlachtschiff befindet. Ich kann wohl davon ausgehen, dass Sie das auch behalten werden.«
Drakon nickte. »Es sind noch sehr viele Arbeiten zu erledigen, ehe dieses Schiff das Dock verlassen kann, aber wenn das Schlachtschiff fertig ist, wird es eine wichtige Rolle bei der Verteidigung sowohl unseres als auch Ihres Sternensystems spielen, sofern Sie sich dazu entschließen, mit uns zusammenzuarbeiten.«
»Entschließen?«, rief irgendwer zynisch. »Wir haben doch gar keine andere Wahl!«
»Doch, die haben wir«, stellte Kamara klar. »Wir hatten zuvor keine Wahl, weil wir nur versuchen konnten, uns gegen die Syndikat-Streitkräfte und die Vereinten Arbeiter zu behaupten. Jetzt können wir entscheiden, wie wir mit der Kontrolle über diesen Planeten und dadurch auch mit der Kontrolle über dieses Sternensystem verfahren wollen. Die Werft mit ihren Docks ist wichtig für uns, aber wir können sie uns nicht mit Gewalt aneignen, wenn diese Anlage von den Bodenstreitkräften und den mobilen Streitkräften aus Midway beschützt wird.«
»Wir geben also einfach diesem Erpresser nach?«, rief der erste Mann empört.
»Wir nehmen die Fakten zur Kenntnis.«
Eine Zeit lang erfolgte darauf keine Reaktion. Drakon wartete ab, während er beeindruckt davon war, wie geschickt Kamara die anderen Kongressvertreter dazu anspornte, die Situation vernünftig zu lösen. Wenn sie es richtig anstellte, konnte es ihr durchaus gelingen, das alleinige Sagen über dieses Sternensystem zu erlangen.
»Es gibt gewichtige Gründe, um über den Status der orbitalen Docks zu verhandeln«, sagte eine andere Frau, die zwar versuchte, kühn zu wirken, deren Blick aber immer wieder nervös von Drakon wegwanderte. »Jede Streitmacht Midways, die im System bleibt, um diese Docks zu beschützen, wird uns zwangsläufig ebenfalls beschützen. Bedauerlicherweise sind wir nur eine Interimsregierung. Wir müssen erst noch unsere exakte Regierungsform finden und etablieren. Das wiederum erfordert die Zustimmung der Bürger. Wenn wir die haben, müssen Wahlen für alle zu besetzenden Ämter abgehalten werden. Aber es wird schwierig werden, bei der Bevölkerung auf Verständnis für den Verlust eines teilweise fertiggestellten Schlachtschiffs zu stoßen.«
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