Turalyon vernahm ein merkwürdiges Brummen, und dann fielen die Soldaten unmittelbar vor den Vermummten einfach um. Sie hielten ihre Häupter umklammert, und Blut quoll ihnen aus Mündern, Nasen und Ohren.
»Beim Licht!« Uther stand dicht bei Turalyon und schauderte bei dem Anblick. »Diese Teufel! Sie bringen finstere Magie gegen uns zum Einsatz!« Er hob seinen Hammer, dessen Kopf silbern wie der Mond leuchtete. »Gebt nicht auf, Soldaten!«, rief er. »Das Heilige Licht wird euch beschützen!«
Das Leuchten verteilte sich vom Hammer ausgehend, fiel auf die Krieger und tauchte sie in den hellen Schein.
Als die vermummten Gestalten ihre Hände hoben, zuckten die Soldaten zwar, gingen aber nicht wieder zu Boden.
Dann kam Uther über die Magier. Der Schildwall öffnete sich lange genug für ihn und die anderen Paladine, einschließlich Gavinrad, den Faol nur zu gern in den Orden aufgenommen hatte. Wieder jubelten die Soldaten der Allianz, ermutigt vom überraschenden Können und der Macht der Paladine.
Turalyon fühlte sich hin- und hergerissen. Als Paladin war sein Platz an ihrer Seite. Aber als Lothars Leutnant gehörte er hierher, um die Männer zu befehligen.
Die Paladine und die vermummten Gestalten kämpften gegeneinander, doch keiner schien die Überhand gewinnen zu können. Turalyon sah, wie einer der merkwürdigen Invasoren eine seiner gewaltigen Hände um Gavinrads Arm krallte und Dunkelheit von der Pranke ausströmte.
Doch Gavinrads heilige Aura leuchtete auf einmal heller und trieb die Finsternis zurück. Der Angreifer musste loslassen und zudem einem Hammerschlag des Paladins ausweichen.
Währenddessen droschen die Orcs weiter auf den Schildwall ein. Sie hieben Löcher hinein, die sich aber sofort wieder durch nachrückende Soldaten schlossen.
Dann sah Turalyon Bewegung. Mehrere neue Gestalten trafen ein, größer als die Orcs.
Oger!
Die tumben Kreaturen näherten sich und schlugen mit groben Knüppeln zu, die nichts anderes als entwurzelte und ihres Geästs beraubte Bäume waren.
Ganze Sektionen des Schildwalls fielen in sich zusammen. Die Soldaten wurden von den mörderischen Hieben durcheinandergewirbelt. Die Horde drängte durch die Lücken und warf sich den Soldaten der Allianz entgegen.
»Taktikwechsel!«, brüllte Turalyon dem nächststehenden Herold zu. Er wusste, dass der Mann die Befehle mit seinem Horn weitergeben würde. »Kleine Schildtrupps! Zieht euch auf die Hügel zurück und gruppiert euch neu!«
Der Soldat nickte und hob sein Horn. Er blies einmal kurz – und dann noch mal. Beim Klang des Horns begannen die Truppführer ihrerseits Befehle zu brüllen, sammelten ihre Soldaten und zogen sich zurück, während sie die Orcs auf Distanz hielten.
Die Horde versuchte, sie zu überrennen. Aber die Soldaten der Allianz waren zu dicht gruppiert und hielten ihre Waffen bereit. Sie stachen nach jedem Orc, der ihnen zu nahe kam. Jede Einheit hatte ihre Schilde miteinander verbunden. Sie bildeten einen kleinen Schildwall um sich herum.
Die Orcs überwältigten mehrere Einheiten durch ihre bloße zahlenmäßige Überlegenheit, indem sie wieder und wieder gegen die Krieger krachten, bis deren Schutz nachgab. Doch die meisten Allianzsoldaten wehrten den Gegner erfolgreich ab.
Turalyon ritt die eigenen Reihen am Fuße des Hügels ab und organisierte sie neu, stellte auch hier eine Schildmauer auf. Als alle anderen Trupps sich zurückzogen, öffnete diese sich, um sie einzulassen. Die Ankömmlinge verstärkten dann ihrerseits die Mauer und halfen dabei, wiederum neu eintreffende Trupps sicher aufzunehmen.
Turalyon befahl den Bogenschützen, die Orcs der Mauer so weit wie möglich fernzuhalten und jede Kreatur zu attackieren, die sich dem Wall näherte.
Die Orcs mussten einen hohen Blutzoll entrichten, doch die Horde landete immer noch weitere Schiffe, wodurch mit jeder Minute mehr Krieger in das Schlachtengetümmel eingriffen.
»Wir können sie nicht mehr lange aufhalten!«, brüllte Turalyon Khadgar zu, der gerade einen merkwürdig aussehenden Orc in der Nähe der Boote hatte zusammenbrechen lassen. Der Orc trug eine Robe, statt einer Rüstung und einen Stab anstelle eines Schwertes. Deshalb glaubte Turalyon, dass es sich um einen Hexenmeister handeln musste, vergleichbar mit ihren eigenen Magiern. »Wir müssen sie daran hindern, die Hügel zu erreichen! Wenn sie uns umgehen, können sie direkt nach Norden auf die Hauptstadt zumarschieren!«
Khadgar nickte. »Ich tue, was ich kann«, versprach er. Der junge, alt wirkende Zauberer konzentrierte sich, dann verfinsterte sich der Himmel. Binnen Minuten zogen dunkle Wolken auf. Im Zentrum des plötzlichen Sturms stand Khadgar, sein weißes Haar umtanzte ihn. Blitze zuckten über den Himmel, und Funken sprangen aus Khadgars gespreizten Fingern.
Dann gab es einen ohrenbetäubenden Knall, und ein Blitz bahnte sich einen Weg, der jedoch nicht vom Himmel, sondern aus Khadgars Händen kam. Sein Licht durchbrach die Finsternis, schlug aus dem Schildwall in eine Gruppe Orcs, die sofort zurückgeschmettert und dabei verbrannt wurden. Ein zweiter Energiepfeil bohrte sich in die Reihen der Feinde, dann ein dritter.
Turalyon nutzte die magische Attacke zu seinem Vorteil. Er formierte seine Männer neu, verstärkte den Schildwall und schickte gleichzeitig Soldaten aus, die mit Reisig und Zunder ausgerüstet waren. Sie verstellten den Orcs mit Bränden den Weg und entfachten eine Feuersbrunst, die verhinderte, dass die Horde nach Westen ausbrach. Das reduzierte das Risiko, dass sie die Streitkräfte der Allianz einfach umgingen.
Doch die Orcs begriffen schnell. Einige Kreaturen traten vor und versuchten, die Feuer auszutreten. Doch die elfischen Bogenschützen erschossen sie, bevor sie die Flammen erreicht hatten. Einer fiel in das Feuer und brüllte entsetzlich, als er davon verzehrt wurde. Das ließ die anderen zurückschrecken.
Die Oger waren aber immer noch ein Problem. Einer trampelte durch die Flammen, verbrannte sich dabei seine Beine, wurde aber trotzdem nicht langsamer. Turalyon schickte ihm eine komplette Einheit entgegen. Gleichzeitig zielten Katapulte auf die Kreatur. Aber der Oger erschlug etliche Krieger, bevor er schließlich selbst fiel. Und die nächsten rückten schon hinter ihm nach.
»Visiert sie an!«, wandte sich Turalyon an Khadgar. »Schießt die Oger ab!«
Khadgar sah ihn an. Turalyon bemerkte, dass sein Freund erschöpft wirkte. »Ich versuche es«, antwortete der Magier. »Doch das Licht zu benutzen ist… ermüdend.«
Eine Sekunde später zischte ein Blitz aus seinen Fingern und traf den anführenden Oger. Er war sofort tot.
Aber als sein massiger, geschwärzter Leichnam fiel, schüttelte Khadgar den Kopf. »Mehr kann ich nicht tun«, erklärte er.
Turalyon hoffte, dass es reichen würde. Die anderen Oger zögerten. Selbst ihre verkümmerten Gehirne konnten die Gefahr erkennen. Dadurch bekamen seine Männer Zeit, die Ziele mit Pfeilen und Katapulten anzuvisieren.
Der Schildwall hielt den Angriffen immer noch stand, doch die Horde rottete sich schon wieder zusammen. Über kurz oder lang würde sie die Verteidiger einfach überrennen. Die erlittenen Verluste reduzierten die Gesamtzahl kaum spürbar.
Uther und die anderen Paladine waren nicht zurückgekommen. Turalyon nahm an, dass sie immer noch diese vermummten Gestalten bekämpften.
Er fragte sich immer noch, wie er reagieren sollte, als Lothar an seiner Seite erschien. »Haltet die Kavallerie bereit!«, rief der Held. »Und blast zum Angriff!«
Angriff? Dort hinein? Turalyon sah seinen Kommandanten an, dann zuckte er die Achseln. Gut, warum nicht? Ihre Verteidigung würde nicht ewig halten.
Er gab dem Herold einen Wink, der kräftig in sein Horn blies. Dann formierten sich die berittenen Soldaten, denen sich Turalyon anschloss. Er befand sich direkt hinter Lothar, der die Spitze übernommen hatte.
Читать дальше